Schlendert man während des ATP-1000-Turniers in Monte Carlo über die Anlage, werden einem irgendwann die marmorierten Ehrentafeln der früheren Turniersieger ins Auge stechen.
Es versteht sich von selbst, dass sich der österreichische Tennis-Fan bei diesem Anblick auf die Suche nach den Einträgen von Thomas Muster begibt.
Gleich drei Mal konnte die steirische Tennis-Legende in den 90ern im Fürstentum triumphieren (1991, 1995, 1996).
Doch man wird enttäuscht. Zwischen den Siegern aus den Anfangsjahren und den heutigen Stars gibt es eine kleine Lücke. Thomas Muster bleibt dem gewöhnlichen Besucher verborgen.
Muster-Tafeln verstecken sich im VIP-Bereich
Eine Nachfrage bei der Turnier-Organisation lüftet das Geheimnis. Einige Ehrentafeln früherer Sieger sind im VIP-Club versteckt.
Nachdem uns eine freundliche Mitarbeiterin in die unteren Räume der VIP-Bereiche des Monte-Carlo-Country-Clubs führt, dürfen wir endlich die in Stein gemeißelten Errungenschaften der rot-weiß-roten Sportgröße bewundern.

Vor allem sein Triumph im Jahr 1995 wird wohl auf Ewigkeiten in den Tennis-Annalen festgeschrieben sein. Damals lag Muster im Endspiel gegen Boris Becker bereits mit 0:2-Sätzen zurück.
Zum Glück für Muster wurden damals alle ATP-Finali über drei Sätze gespielt. So hatte der Steirer die Gelegenheit, wie so oft seine Steherqualitäten unter Beweis stellen zu dürfen.
Muster musste vor Finale ins Krankenhaus
Wobei der "Best-of-Five"-Modus eigentlich als mutmaßlicher Nachteil vor dem Finale im Raum stand. Denn Muster kollabierte tags zuvor beinahe im Halbfinale gegen den heutigen ATP-Präsidenten Andrea Gaudenzi.
Der Steirer musste danach sogar mit einem Zuckerschock im Krankenhaus behandelt werden. Trotzdem fand Muster über Nacht innerhalb weniger Stunden wieder zurück zu seinen Kräften.
Schon in der frühen Spielphase kommt es zu einem Klassiker-Ballwechsel: Muster kommt ans Netz, spielt den Ball vermeintlich ins Aus, dreht sich um und trottet langsam zurück zur Grundlinie. Der Ball klatscht jedoch vor Becker auf die Linie, der Deutsche ist angesichts der Reaktion Musters so perplex, dass er die Rückhand knapp neben die Linie schlägt - Punkt für Muster!
VIDEO: Hier könnt ihr euch die legendäre Szene ansehen>>>
Becker vergibt zwei Matchbälle
Es entwickelte sich ein unglaublicher Tennis-Krimi. Im Tiebreak des vierten Satzes lag Becker bereits mit 6:4 voran, hatte damit zwei Matchbälle.
Beim ersten Matchball servierte der Deutsche, der beim zweiten Aufschlag volles Risiko nahm und den Filzball mit 200 km/h in Aus beförderte. Muster wehrte auch den zweiten Matchball ab, gewann das Tiebreak und schoss Becker in Folge im fünften Satz mit 6:0 vom Platz. 4:6, 5:7, 6:1, 7:6(6), 6:0 lautete das Endergebnis aus der Sicht Musters. Ein Endspiel für die Geschichtsbücher.
"Das war ein ganz besonderes Finale", erinnert sich auch Stadionsprecher Marc Maury nach 30 Jahren im Gespräch mit LAOLA1 an diesen Tag zurück. Der 67-Jährige ist auch heute noch in Monaco im Einsatz.
Die 20 Tennis-Spieler mit den meisten ATP-Titeln
"Thomas hat das Match komplett gedreht und noch gewonnen. Das war schon ein besonderes Spiel. Es wäre ja das einzige Sandplatz-Turnier gewesen, das Boris Becker in seiner Karriere gewonnen hätte."
Becker erhielt Strafe nach Doping-Vorwürfen
Laut Maury herrschte damals eine knisternde Atmosphäre im Stadion. "Es wurde getuschelt und geschrien. Das Publikum war in zwei Teile geteilt. Die eine Hälfte hat Tom angefeuert und die andere war für Boris und ein paar waren neutral."
Nach dem Finale war Becker so sauer, dass er bei der anschließenden Pressekonferenz indirekte Dopingvorwürfe gegenüber Muster machte. Es sei nicht möglich, an einem Tag beinahe auf dem Platz "zu sterben" und am nächsten zwei Matchbälle abzuwehren und in fünf Sätzen zu gewinnen. Muster unterzog sich daraufhin freiwillig einem Dopingtest und Becker wurde von der ATP mit einer 20.000-Dollar-Strafe belegt.
"Das war polemisch", erinnert sich Maury auch an diesen Teil der Geschichte.
Muster machte ein Jahr später Titel-Hattrick perfekt
Es war der zweite Monte-Carlo-Titel für Muster, mit der Titelverteidigung im Jahr darauf machte er seinen Titel-Hattrick komplett.
"Drei Mal in Monaco zu gewinnen, ist schon etwas Besonderes. Es gibt ja die Geschichte, dass viele Monte-Carlo-Sieger dann auch in Roland Garros gewinnen. Ich glaube, einer von drei oder vier siegt dann auch in Paris. Das ist bei den Turnieren in Rom und Madrid nicht so", so Maury.
Zumindest bei Muster hält diese Statistik. Im Jahr 1995 holte er bei den French Open seinen einzigen Grand-Slam-Titel – als erster Österreicher überhaupt!
Marc Maury ist übrigens auch nach vielen Jahrzehnten noch nicht tennismüde. "Ich liebe Tennis immer noch. Es ist heute anders und auch die Spieler sind anders. Aber ich genieße die Spiele immer noch sehr."
Einen wirklichen Lieblings-Spieler hat Maury nicht. "Ich habe mit vielen Spielern gute Beziehungen. Rafa Nadal war sicherlich sehr beeindruckend", streicht er dann aber doch den elffachen (!) Monte-Carlo-Sieger hervor.