Seit Montag haben wir es schwarz auf weiß: Erstmals seit 36 Jahren findet sich kein österreichischer Tennis-Spieler mehr in den Top 100 des ATP-Rankings.
Dominic Thiem fiel durch den Verlust seiner 360 Weltranglisten-Punkte vom Vorjahres-Halbfinale in Madrid auf den 162. Platz zurück.
Damit ist nun Jurij Rodionov erstmals Österreichs Nummer eins. Der 22-jährige Niederösterreicher überholte mit seinem Challenger-Turniersieg in Mauthausen unter anderem Dennis Novak, der beim selben Turnier im Halbfinale verlor, und ist nun als 130. der Welt knapp vor dem Wiener Neustädter zu finden, der Position 140 einnimmt.
Neben Thiem und Gerald Melzer ist Novak der einzige ÖTV-Spieler im aktuellen ATP-Ranking, der es schon einmal in die Top 100 geschafft hat.
Abseits dieses Trios haben aber auch durchaus einige andere Akteure das Potenzial, ebenfalls den Sprung in diesen elitären Kreis zu bewältigen.
LAOLA1 hat sich abgesehen von Thiem, dessen Top-100-Absenz hoffentlich nur sehr kurzfristig ist, die rot-weiß-roten Kandidaten auf einen künftigen Top-100-Einzug angesehen:
Jurij Rodionov (ATP 130)
Jurij Rodionov setzte in dieser Saison schon einige Ausrufezeichen, mit denen er signalisierte, dass er heuer durchaus bereit für den erstmaligen Sprung in die Top 100 wäre. Beim ATP-250-Turnier in Dallas schaffte der 22-jährige Niederösterreicher aus der Qualifikation heraus den Sprung ins Achtelfinale. Wenig später gewann er Ende März das Challenger-Turnier in Biel. Der Wechsel auf Sand verlief zunächst etwas holprig. In Mauthausen zeigte Rodionov aber mit seinem Turniersieg, dass er die Umstellung auf die rote Asche mittlerweile souverän geschafft hat. Der Titelgewinn spülte den Youngster auf den 130. Weltranglistenplatz nach vorne, womit er Dominic Thiem als Österreichs Nummer 1 ablöste. In erster Linie muss der Niederösterreicher weiter an seiner Konstanz arbeiten: "An guten Tagen kann ich Top-50-Leute schlagen, an schlechten gegen Leute außerhalb der Top 300 verlieren. Das ist auch meine größte Schwäche, dass ich diese Konstanz noch nicht habe", bringt es Rodionov auf den Punkt. Der Weg scheint aber zu stimmen.
Dennis Novak (ATP 140)
2020 schaffte es Dennis Novak zu Jahresbeginn erstmals in die Top 100 der Welt. Den erhofften Aufschwung erhielt der mittlerweile 28-jährige Niederösterreicher dadurch leider nicht. Nachdem er sich das ganze Jahr 2020 zwischen Rang 80 und 100 bewegte, rutschte er zu Saisonbeginn 2021 wieder aus dem elitären Kreis. Im Frühjahr wechselte er daraufhin von Coach Wolfang Thiem zu seinem alten Betreuer Günter Bresnik. Vereinzelt gab es seitdem zwar Ausreißer nach oben, so richtig rund läuft das "Werk'l" beim Wahl-Klosterneuburger aber noch immer nicht. "Er spielt im Training gutes Tennis, über das ich mich nicht beschweren kann. Aber die Ergebnisse sind natürlich äußerst unbefriedigend", so Bresnik im Gespräch mit LAOLA1. "Er braucht jetzt einfach mal wieder ein gescheites Erfolgserlebnis." Beinahe wäre es in der vergangenen Woche soweit gewesen: In Mauthausen scheiterte Novak erst im Halbfinale am Tschechen Jiri Lehecka.
Sebastian Ofner (ATP 218)
Wie schwierig sich Comebacks im Spitzentennis gestalten können, zeigt sich aktuell bei Dominic Thiem. Umso beeindruckender ist die Rückkehr von Sebastian Ofner auf die ATP-Tour zu bewerten. Der 25-jährige Steirer musste wegen einer Fuß-Operation sieben Monate pausieren und stand Anfang April erstmals wieder bei einem Challenger-Turnier auf dem Platz. Schon bei seinem zweiten Challenger stand Ofner im Viertelfinale, beim dritten holte er in Prag sogar den Titel. Auf dem Weg dorthin schlug er unter anderem Landsmann Rodionov. Seit fünf Jahren ist Ofner fixer Bestandteil der Top 200. Erst durch die Verletzung rutschte er heraus. Schließt der Steirer an seine zuletzt gezeigten Leistungen an, wird er nicht nur bald wieder in den Top 200 stehen, sondern auch ein ernsthaftes Thema für die ersten 100 werden.
Gerald Melzer (ATP 244)
Ein großartiges Comeback feierte im Vorjahr auch Gerald Melzer. Ein Bänderriss im Sprunggelenk im Jahr 2018 warf den heute 31-jährigen Niederösterreicher völlig aus der Bahn. Erst im Mai 2021 kehrte der Bruder von ÖTV-Sportdirektor Jürgen auf die ATP-Tour zurück. Doch die ehemalige Nummer 68 der Welt schloss schnell an alte Leistungen an und kehrte mit einem Challenger-Turniersieg in Bogota im Oktober bereits wieder unter die Top 300 zurück. Wie weit es wieder nach oben gehen kann, hängt wohl in erster Linie von der gesundheitlichen Verfassung Melzers ab. Beim Challenger-Turnier in Mauthausen musste er im Achtelfinale gegen Dennis Novak nach dem zweiten Satz wegen Schmerzen im linken Knöchel aufgeben.
Lucas Miedler (ATP 283)
Im Doppel ist Lucas Miedler als Nummer 103 der Welt mittlerweile ganz knapp an den Top 100 dran. Geht es nach dem 25 Jahre alten Tullner, soll dieses Kunststück auch im Einzel gelingen. Sein bisheriges Career High ist Platz 201, den er im Oktober 2018 einnahm. Beflügelt von den Doppelerfolgen mit Standard-Partner Alexander Erler spielte Miedler zuletzt in Mauthausen aber auch im Einzel groß auf. Er musste sich nach geschaffter Qualifikation erst im Viertelfinale seinem Landsmann Dennis Novak hauchdünn mit 6:7 (5) im dritten Satz geschlagen geben. "Wenn man 6:7 im dritten Satz verliert, war man nicht so viel schlechter als der Gegner", meinte Miedler, der zuvor vier Siege in Folge feiern konnte.
Filip Misolic (ATP 300)
Filip Misolic machte erstmals im vergangenen Jahr beim Challenger-Turnier in Tulln auf sich aufmerksam, als er gleich zum Auftakt den topgesetzten Italiener Marco Cecchinato aus dem Bewerb nahm und in Folge bis ins Viertelfinale stürmte. Danach ging es wieder zurück auf die Future-Tour, wo er im Herbst und im Frühjahr 2022 zwei Titel holen konnte. Nun geht es für den 20-jährigen Steirer, der beim kroatischen Coach Ante Andric in Zagreb und auch teilweise bei Günter Bresnik in der Südstadt trainiert, um die Etablierung bei den Challenger-Turnieren. Der Weg zu den Top 100 ist noch lang, der eingeschlagene Weg stimmt aber zuversichtlich. In Mauthausen überzeugte Misolic in der vergangenen Woche mit seinem Erstrunden-Sieg über den ehemaligen Weltranglisten-78. Blaz Rola aus Slowenien.
Alexander Erler (ATP 443)
Aufgrund der Corona-Erkrankung von Lucas Miedler hatte Alexander Erler die Gelegenheit, etwas vor seinem Standard-Partner in die Top 100 der Doppel-Weltrangliste einziehen zu können. Im Einzel läuft es für den 24-jährigen Tiroler leider schon seit einiger Zeit nicht nach Wunsch. In sieben Versuchen schaffte er es nur zwei Mal über sein Auftaktmatch hinaus und auch nach diesen Erfolgen war dann jeweils sofort eine Runde später Endstation. Erler hat zudem in den kommenden Wochen bis August 43 seiner aktuell 84 Weltranglisten-Punkte zu verteidigen. Was für ein Potenzial in ihm schlummert, konnte man im vergangenen Jahr in Kitzbühel sehen: Da schlug er in der ersten Runde einen damals noch eher wenig bekannten Carlos Alcaraz. Der Spanier begann einen Monat später seinen sagenhaften Aufstieg in die Weltspitze mit seinem Viertelfinal-Einzug bei den US Open.
Lukas Neumayer (ATP 446)
Lukas Neumayer ist eines der hoffnungsvollsten österreichischen Tennis-Talente. Der erst 19-jährige Salzburger ist seit einiger Zeit ebenfalls Schützling von Günter Bresnik. Neumayer wohnt mittlerweile in Wien und trainiert regelmäßig in der Südstadt, wenn er nicht gerade auf Turnieren unterwegs ist. Dorthin begleitet ihn meist Gerald Kamitz, der den ehrgeizigen Salzburger schon seit fünf Jahren betreut und nun gemeinsam mit Bresnik versucht, den Youngster in die Weltspitze zu befördern. Bresnik hält von Neumayer große Stücke: "Das ist einer, von dem ich mir erwarte und erhoffe, dass er unter die ersten 100 kommt. Er bringt nämlich viele Dinge mit, die gar nichts unmittelbar mit Tennis zu tun haben. Das wären die nötige Disziplin, den Ehrgeiz und seine außergewöhnliche Belastbarkeit."