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Antonitsch wird deutlich: "Wir suchen ja nach Fehlern"

Der Tennis-Experte übt Kritik an der starken Leistungsorientierung. Was Druck und Hass im Netz anrichten können und warum es für Thiem "knallhart" ist.

Antonitsch wird deutlich: Foto: © GEPA

"Wenn du in jedem Artikel, der über dich geschrieben wird, tausende Kommentare hast, wovon dir 50 Prozent 'den Tod wünschen' – und das jedes Mal - das zermürbt dich schon irgendwann. Das ist Mobbing."

Diese klaren Worte richtete ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer kürzlich an die Öffentlichkeit. Damit nahm er Bezug auf die unzähligen Hass-Postings gegenüber den Spielern auf der ATP- und WTA-Tour.

Im Herbst 2023 gründete der ÖTV hierfür eine Taskforce, die den Betroffenen helfen soll, damit klarzukommen und auch dagegen vorzugehen.

Insbesondere Thiem ist immer wieder das Ziel von Attacken, seit er nach seiner langwierigen Handgelenksverletzung sein Comeback feierte. Der mittlerweile 30-Jährige müht sich seither, Anschluss an frühere Leistungen zu finden, erleidet dabei aber immer wieder Rückschläge. Durch diese wiederum sehen sich viele anonyme Trolle im Netz dazu veranlasst, Thiem das Schlimmste an den Hals zu wünschen.

Was für Thiem "knallhart" ist

Beim ServusTV-Talk-Format "Sport & Talk im Hangar 7" nahm am Montag auch Tennis-Experte Alexander Antonitsch dazu Stellung.

"Wenn du Dominic Thiem siehst, wie schwer er sich tut, positiv zu bleiben: Er kämpft mit sich und der Verletzung", so der 58-Jährige. "Das Positive, immer dran zu bleiben, ist so knallhart. Du musst jede Stiege wieder nach oben machen", führt er vor Augen, welch herausforderndem Weg sich Thiem dabei zu stellen hat.

Denn auch das ist anzuerkennen: Thiem müht sich, will wieder dahin kommen, wo er schon war.

"Ich habe zuletzt eine Dreiviertelstunde mit ihm geredet. Und du merkst: Er will sehr wohl, sonst tut er sich das ja nicht an."

Antonitsch über Thiem

"Ich habe zuletzt eine Dreiviertelstunde mit ihm geredet. Und du merkst: Er will sehr wohl, sonst tut er sich das ja nicht an. Es ist beinhart ihn zu sehen und auch wie hart es ist, zurückzukommen", sagt Antonitsch.

Deswegen hat auch Antonitsch kein Verständnis für die ausfallende Kommentare im Netz. “Das geht überhaupt nicht. Jeder, der blöd kommentiert, hat selbst nichts erlebt”, hält er ganz klar fest.

"Er ist niemandem etwas schuldig"

Thiem hat Sport-Österreich in der vergangenen Dekade eine Menge Freude bereitet, was nach Antonitschs Ansicht viel zu sehr in den Hintergrund gerückt ist: "Die Leute, auch Kollegen und Medienkollegen vergessen, was Dominic Thiem erreicht hat. Er ist niemandem etwas schuldig. Du wirst schnell groß gemacht und dann vergisst man schnell", mahnt der frühere ÖTV-Daviscupper, dem aber auch klar ist: "Das ist eben der Sport: So schön er ist, so brutal kann er sein."

Doch wie kann Thiem wieder an frühere Leistungen anknüpfen? Allem voran brauche er Erfolgserlebnisse, meint Antonitsch. Die Basis dafür liegt in der täglichen Arbeit. "Das Perverse ist: Es fängt mit dem Training an. Wenn ich im Training zu jammern beginne, wie kann ich dann erwarten, dass ich im dritten Satz, wenn es um die Wurst geht, voll da bin?", gibt der 58-Jährige zu verstehen.

Besagte Erfolgserlebnisse können in Folge auch dafür sorgen, dass Thiem wieder Schwung aufnimmt. Das ist freilich leichter gesagt als getan. "Der Flow, die Zone, von der wir alle so schwärmen, wo alles so leicht geht", müsse das Ziel sein, "die notwendige Anspannung für meine Tätigkeit", wie Antonitsch erklärt.

"Wenn du da drin bist, hast du das Gefühl, jetzt kann ich die Welt z’reißen. Nur: Dort hinzukommen ist halt das Schwierige. Oft bist du drunter und dann schießt du wieder drüber", gibt er einen Einblick darüber, wie schwierig dies sein kann.

Revultionär Stan Franker

Ist der Druck zu groß, wird das Erreichen dieser Zone nur noch schwieriger. Antonitsch weiß auch aus eigener Erfahrung, was Druck - speziell von außen - bewirken kann. Dabei richtet er einen Appell an die Öffentlichkeit und die in unseren Breiten viel zu oft falsch verstandene Fehlerkultur: "Wir suchen Fehler. Jeder sagt, was du nicht kannst", kritisiert der Ex-Profi.

Deshalb sei es wichtig, sich selbst gut zu kennen und Menschen um sich zu haben, die einen stützen. "Im Sport wirst du Leute, die dich fördern und fordern, nicht vergessen", meint Antonitsch. Einen solchen habe er in den 80ern in Stan Franker gehabt.

Stan Franker sorgte bei Antonitsch für ein radikales Umdenken.
Foto: © GEPA

Der frühere Coach und spätere ÖTV-Sportdirektor habe bei ihm, Thomas Muster und Horst Skoff für ein radikales Umdenken gesorgt. "Er hat gesagt: Ihr könnt alles erreichen. Wir dachten: Was erzählt uns der für G’schichtln? Uns hat man immer gesagt: Ich kann das nicht, der kann das nicht. Und der sagt: Wir können alles erreichen", blickt Antonitsch zurück.

Antonitsch kritisierte bedenklich Nachwuchs-Entwicklung

Speziell bei jungen Sportlern sei eine positive, an sich natürliche Grundhaltung das Um und Auf. "Man sieht, wie viele mit Depressionen kämpfen. Das muss man ernst nehmen. Ich sage immer, dass vor allem junge Sportler beschützt werden müssen", gibt er zu bedenken.

Das sei aber nicht alleine die Aufgabe von Verbänden und Trainern, fügt er an. "Auch Eltern müssen Warnsignale wahrnehmen. Wir haben angefangen, weil wir Spaß hatten. Heute haben Kinder mit zwölf Jahren schon wenig Spaß und viel Druck", übt er Kritik am immer stärker leistungsorientierten System.

Speziell im Netz wird dies durch die zahlreichen gehässigen Kommentare eindrucksvoll sichtbar. Deswegen fordert Antonitsch, ähnlich wie Melzer und der ÖTV, ein Einschreiten in diesen Kreislauf: "Auf Dauer kann es so nicht weitergehen. Da muss die Politik was tun. Man muss dafür haftbar gemacht werden können."

Die ganze Sendung zum Nachsehen findet ihr bei ServusTV On.


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