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Thiem: "Die Freude ist zurückgekehrt"

Österreichs Tennis-Ass erklärt, warum es bei ihm jetzt endlich wieder aufwärts geht:

Thiem: Foto: © GEPA

Voller Zuversicht präsentierte sich Dominic Thiem am Donnerstagabend bei der Eröffnungsfeier der fertiggestellten Außenanlage des ATC in Traiskirchen.

"Seit Paris geht es echt aufwärts", erklärte der 28-jährige Niederösterreicher in einer kleinen Journalistenrunde, der auch LAOLA1 angehörte.

Nach dem bislang enttäuschenden Comebackverlauf mit sechs Niederlagen in sechs Spielen, versuchte der ehemalige Weltranglisten-Dritte mit einem großen Trainingsblock in der Heimat wieder in Schwung zu kommen.

"Es ist echt was weitergegangen"

"Es ist echt was weitergegangen und schön langsam sehe ich am Platz mein altes Selbst wieder. Die Schläge passen, ich bewege micht gut, bin fit und ich sehe jeden Tag gute Fortschritte", fühlt sich Thiem wieder bereit.

Nächste Woche will sich der US-Open-Sieger von 2020 in Barcelona mit einer weiteren Trainingswoche mit den Russen Andrey Rublev und Karen Khachanov den letzten Schliff holen. Danach könnte schon beim ATP-Challenger in Salzburg (4. bis 10. Juli) die Rückkehr auf die ATP-Tour erfolgen.

In den kommenden Zeilen erläutert Thiem seine Planung für die zweite Jahreshälfte und erklärt, warum er sowohl spielerisch als auch körperlich als auch mental wieder bereit für eine erfolgreiche Rückkehr in die Weltspitze ist.

Frage: Die wichtigste Frage gleich vorneweg: Wie geht's dir aktuell?

Dominic Thiem: Eigentlich geht's mir sehr gut. Seit Paris geht es echt aufwärts. Nach ein paar schweren Tagen kurz nach den French Open macht es wieder richtig Spaß. Es ist echt was weitergegangen und schön langsam sehe ich am Platz mein altes Selbst wieder. Die Schläge passen, ich bewege micht gut, bin fit und ich sehe jeden Tag gute Fortschritte. Ich habe nach Paris einen richtig guten Trainingsblock gebraucht. Eigentlich hätte ich das schon vor einiger Zeit gebraucht, aber ich habe nun mal irgendwann auf die Tour zurückkehren müssen. Im Nachhinein war es einfach zu wenig für dieses Level und nicht gut genug. Das muss man so ehrlich sagen. Aber wie gesagt, ich bin jetzt einfach froh, dass ich mich selbst wieder auf dem Weg zurück sehe  - zu meinem wahren Ich. Es war jetzt noch ein bisschen eine schwierige Entscheidung mit Wimbledon, weil ich natürlich spielen wollte. Aber im Hinblick auf das nächste halbe Jahr war es einfach die klügere Entscheidung rauszuziehen und dann in zwei Wochen zu beginnen.

Frage: Ist dieser letzte Drall beim Top-Spin wieder da oder gibt es noch Einschränkungen?

Thiem: Er ist jetzt wieder da. Teilweise war er auch schon in der letzten Zeit wieder da, es hat aber einfach die Konstanz gefehlt. Zu einem großen Teil habe ich mir den aber wieder zurückgeholt. Ich fliege nächste Woche nach Barcelona und werde dort unter anderem mit Rublev und Khachanov trainieren. In Traiskirchen hat es mit Spielern auf einem etwas niedrigeren Niveau super geklappt. Und jetzt werde ich es mit diesen beiden Weltklassespielern angehen, damit ich mein Spiel auf das nächste Level heben und bald wieder Topleistungen abrufen kann.

Frage: Du hast selbst gesagt, dass du mittlerweile wieder die Schläge so wie früher schlagen kannst. Das heißt also im Umkehrschluss, dass du damals beim Comeback schon gewusst haben musst, dass das möglicherweise noch nicht reichen könnte, oder?

Ich habe zu Beginn nicht einmal den Jugendspielern in Traiskirchen mit meinen Schlägen weh tun können. Ich sehe jetzt aber, dass ich mit meinen Schlägen immer mehr Schaden anrichten kann.

Thiem merkt, dass es wieder besser läuft

Thiem: Ja, sicher. Ich hab's selber im Training und auch in den Trainings-Partien gemerkt. Da habe ich von 35 Sätzen 34 verloren. Natürlich will ich das nicht kommunizieren, wie schlecht ich spiele oder wie schlecht ich mich wirklich fühle. Und natürlich hatte ich auch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass ich es im Match irgendwie rausfighten kann. Das ist aber unmöglich gegen solche Gegner. Da hast du keine Chance. Und so war das bei meinen bisherigen sechs Turnieren. Deshalb habe ich jetzt auch die richtige Entscheidung getroffen, dass ich hier noch einmal viel trainiere und durch dieses Tal gehe. Jetzt bin ich soweit, dass ich in der zweiten Jahreshälfte wieder diese Topleistungen bringen kann. Ich habe zu Beginn nicht einmal den Jugendspielern in Traiskirchen mit meinen Schlägen weh tun können. Ich sehe jetzt aber, dass ich mit meinen Schlägen immer mehr Schaden anrichten kann. Deshalb fliege ich jetzt auch am Montag nach Barcelona. Das Endziel ist, dass ich auch den Top-Spielern wieder weh tun kann.

Frage: War es trotzdem wichtig, auf die Tour zurückzukehren, um so eine Art Standortbestimmung zu bekommen?

Thiem: Für die Standortbestimmung war es nicht so gut, weil ich eh im Training gesehen habe, wo ich stehe. Ich wollte aber einfach wieder auf die Tour zurück. Ich war zehn Monate weg. Das war einfach zu lang. Ich wollte in den Wettkampf rein und Matches spielen. Deshalb bin ich zurückgekommen. Wahrscheinlich wäre es gescheiter gewesen, ich hätte genau das, was ich jetzt gemacht habe, damals schon gemacht. Dann hätte ich vielleicht schon früher besser gespielt. Aber ich bereue diese Entscheidung nicht.

Frage: Welche Rolle spielt die mentale Komponente?

Thiem: Das hängt alles zusammen. Viel Spaß hat es vor allem in Genf und Paris natürlich nicht gemacht. Selbst in den Trainings macht es ja keinen Spaß, wenn ich sehe, dass die Vorhand noch nicht so funktioniert wie früher. Ich habe mir das nur mit Training, Training, Training zurückholen können. Dadurch ist auch wieder die Freude zurückgekehrt, weil es nun wieder in die richtige Richtung geht. 

Dominic Thiem bei der Eröffnungsfeier der ATC-Außenanlage

Frage: Man hat den Eindruck, dass du jetzt wieder mehr Leidenschaft für den Tennis-Sport versprühst. Ist dieser Eindruck richtig?

Thiem: Tennis war immer schon meine große Leidenschaft. Nach den US Open habe ich die Liebe sicher ein bisschen verloren, was aber wohl auch normal ist, wenn man ein so großes Ziel einmal erreicht hat. Das passiert in jedem Beruf. Dann ist die Verletzung gekommen und auch in den letzten Wochen hat es sehr, sehr wenig Spaß gemacht. Irgendwann waren dann aber schon Leidenschaft und Wille da, dass ich es wieder schaffe. Irgendwo hat es in den letzten zwei, drei Wochen einen Punkt gegeben, wo die Freude extrem zurückgekehrt ist. Das hatte ich schon lange nicht mehr. Ich habe mich über gute Schläge und gute Trainingstage gefreut. Das war schon richtig schön. Ich freue mich schon, wenn ich das bei den Turnieren ummünzen kann.

Frage: Desöfteren wurde auch diskutiert, dass eine Operation am verletzten Handgelenk möglicherweise besser gewesen wäre. Ist das noch ein Thema?

Thiem: Nein, in dieser Sache habe ich dem Arzt 100 Prozent vertraut, weil er schon mehrere Spieler hatte, bei denen das gut verheilt ist und alles wieder gepasst hat. Da habe ich gewusst, dass das irgendwann wieder kommen wird. Die Vorhandtechnik war komplett anders durch die Schmerzen in der Hand. Ich habe aber nicht daran gezweifelt, dass der Verzicht auf die OP der bessere Weg war.

Frage: Du hast noch sieben Turniere mit Protected Ranking zur Verfügung. Wie sieht deine Turnierplanung aus?

Thiem: Das Challenger-Turnier in Salzburg (4. bis 10. Juli) ist eine Option. Ich muss noch überlegen. Ich würde gerne spielen, muss aber noch schauen wie die nächsten Tage laufen. Danach sind die ATP-Turniere in Bastad, Gstaad und Kitzbühel fix. Je nachdem wie ich dort gespielt habe, werde ich bei den 1000ern in Montreal und Cincinnati oder nur Cincinnati antreten. Und danach klarerweise die US Open. Danach habe ich eh nur mehr ein oder zwei Turniere. Ich weiß nicht, wie es in Asien ausschaut, aber in Europa bekomme ich dann vielleicht auch noch die eine oder andere Wild Card. Am Ende des Jahres ist das Ranking dann hoffentlich wieder so okay, dass ich bei den Australian Open im Hauptbewerb bin. Mit dem ersten Turnier wird auch mein Coach Nicolas Massu wieder zu mir zurückkehren.

Frage: Wie sieht deine Zielsetzung aus?

Thiem: Ich will mir jetzt auch selber wieder einen Druck auferlegen. Die Erwartungen bei den letzten Turnieren waren extrem niedrig, weil ich wusste, dass es im Match nicht reichen wird. Das ist jetzt aber anders. Sobald ich zurückkomme, will ich wieder liefern. Das ist auch der Anspruch an mich selbst. Das erste Ziel ist einmal ein Matchsieg. Australian Open 2023 ohne Hilfe im Hauptbewerb sind ein realistisches Ziel. Und beim Heimturnier in Kitzbühel würde ich gerne wieder richtig gut spielen und das Publikum begeistern. In Genf und Paris war es ja eher ein Trauerspiel.

Frage: Im September wird in Tulln der Davis Cup gegen Pakistan gespielt. Hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?

Thiem: Das hängt stark davon ab, wie es bei den Turnieren davor läuft. Sollte es gut laufen, spiele ich gerne Davis Cup. Wenn es nicht gut läuft, sollte ich eher schauen, dass ich woanders Punkte mache und andere spielen lassen. Bis jetzt habe ich mich aber noch nicht damit befasst.

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