"Step by Step", postete Dominic Thiem Ende März kurz vor seinem Comeback nach neunmonatiger Verletzungspause auf seinem Instagram-Account.
Eine Prophezeiung, die sich der 28-jährige Niederösterreicher bei seiner schwierigen und mühevollen Rückkehr auf die ATP-Tour quasi selbst erfüllt.
Die Drei-Satz-Niederlage am Dienstag in Belgrad gegen den Australier John Millmann war der nächste kleine Schritt zurück zu alter Stärke.
Im Vergleich zu seinem Comeback-Match beim Challenger-Turnier in Marbella vor drei Wochen gegen den Argentinier Pedro Cachin zeigte sich Thiem bei seinem zweiten Auftritt schon in vielen Punkten verbessert.
Deutliche Steigerung zu Marbella
Der Lichtenwörther retournierte gegen den guten Aufschläger Millman deutlich stärker, die einhändige Rückhand erinnert immer mehr an alte Zeiten. Zudem agierte Thiem auch viel beweglicher als noch in Spanien.
Eine spielerische Steigerung, die sich gegen Millman, der im ATP-Ranking etwa 100 Plätze besser platziert ist als Cachin, immerhin schon mal in den ersten Satzgewinn ummünzen ließ. Auch die Chance auf den ersten Sieg seit dem Comeback waren durchaus gegeben. Am Ende schwanden dann aber doch die Kräfte.
Den größten Nachholbedarf hat Thiem aus spielerischer Sicht ausgerechnet weiterhin bei seiner bis dato wichtigsten Waffe: Der Vorhand. "Da fehlt mir noch einiges, aber das habe ich gewusst. Ich arbeite hart daran, dass sie jeden Tag ein paar Prozente besser wird. Momentan spiele ich sie halt irgendwie ins Feld."
Wie es wieder besser werden kann, darüber sind sich eigentlich so gut wie alle einig: Mehr Spiele, mehr Matchpraxis, mehr Turniere. "Bis zu den French Open will ich jede Woche ein Turnier spielen", gibt Thiem dementsprechend die Linie vor.
Bereits in viereinhalb Wochen beginnt das Grand-Slam-Turnier in Roland Garros. LAOLA1 hat sich Thiems Turnier-Fahrplan für die kommenden Wochen angesehen:
ATP 250 in Estoril, 25. April - 1. Mai
In der kommenden Woche wird Thiem erstmals in seiner Karriere beim traditionsreichen ATP-250-Turnier in Estoril an den Start gehen. Der Niederösterreicher entschied sich damit gegen ein Antreten beim zeitgleich stattfindenden Sandplatz-Event in München, wo er bei seinem letzten Antritt im Jahr 2016 im Endspiel hauchdünn gegen Lokalmatador Philipp Kohlschreiber mit 6:7 (4) im dritten Satz verlor.
Ein weiterer Vorteil neben dem wahrscheinlich besseren Wetter: Thiem hat in Estoril etwas mehr Abstand zur deutschsprachigen Presse, was ihm eine größere Konzentration auf den sportlichen Bereich ermöglicht.
Der ehemalige Weltranglisten-Dritte bekam von den Veranstaltern eine Wild Card zugeteilt und muss damit nicht sein Protected Ranking in Anspruch nehmen. Die Besetzung in Portugal kann sich durchaus sehen lassen: Mit Felix Auger-Aliassime, Cameron Norrie und Diego Schwartzman - einer der besten Freunde von Thiem auf der ATP-Tour - sind einige hochkarätige Namen am Start.
Estoril ist aus österreicher Sicht durchaus ein guter Boden: Thomas Muster gewann 1995 und 1996 jeweils den Titel und stand 1998 zudem im Endspiel des bereits seit 1990 ausgetragenen Sandplatz-Klassikers in der portugiesischen Hafenstadt, die sich vor allem für hochqualitativen Luxus-Tourismus einen Namen gemacht hat.
ATP 1000 in Madrid, 2. Mai - 8. Mai
Läuft alles nach Plan, steht für Österreichs Tennis-Ass in der ersten Mai-Woche in Madrid sein erstes ATP-1000-Turnier seit seinem Comeback auf dem Programm. Es wäre die erste ganz große Bewährungsprobe für den ehemaligen Weltranglisten-Dritten, ist bei der höchsten Turnier-Kategorie der ATP doch alles vertreten, was Rang und Namen hat.
In der madrilenischen Höhenlage hat sich Thiem in der Vergangenheit durchaus wohl gefühlt. 2017 und 2018 stand er im Endspiel, 2019 und 2021 erreichte er jeweils das Halbfinale.
Ein gutes Abschneiden in Madrid, wo es viele ATP-Punkte zu holen gibt, wäre auch aus ranglistentechnischer Sicht wichtig. Bereits in der kommenden Woche fallen ihm 250 Weltranglisten-Punkte von seinem Barcelona-Titel 2019 aus der Wertung - damit rutscht er im Ranking bereits auf einen Rang zwischen 93 und 100 zurück. Am 9. Mai verliert er weitere 360 Punkte von seinem Madrid-Halbfinale 2021. Der zumindest kurzfristige Rausfall aus den Top 100 scheint damit kaum zu verhindern zu sein.
Sollte sich Thiem übrigens kurzfristig gegen einen Start in Madrid entscheiden, könnte sich übrigens ein kleinerer Veranstalter in derselben Turnierwoche über einen möglichen Thiem-Lotterie-Gewinn freuen: Vom 2. bis 8. Mai geht in Mauthausen in Oberösterreich erstmals ein mit 90.280 Euro dotiertes Sandplatz-Challenger über die Bühne. Auch im französischen Aix-en-Provence steht ein gleich hoch dotierter Challenger auf dem Programm.
ATP 1000 in Rom, 9. Mai - 15. Mai
Gleich nach Madrid geht es für die Top-Stars weiter nach Rom zum nächsten und letzten ATP-1000-Sandplatz-Turnier in diesem Jahr. Ein Klassiker, der nicht unbedingt zu den liebsten Destinationen von Dominic Thiem zählt.
2017 erhielt er nach einem erinnerungswürdigen Viertelfinal-Sieg über Rafael Nadal im Halbfinale eine 1:6, 0:6-Klatsche von Novak Djokovic. Seitdem konnte er in Rom von vier Partien nur eine einzige gewinnen.
Die Erwartungen von Thiem werden sich in der italienischen Hauptstadt mit Sicherheit in Grenzen halten. Aber vielleicht kann sich gerade dieser Umstand am Ende als Vorteil herausstellen.
ATP 250 in Genf, 15. Mai - 21. Mai
Erst vor Kurzem gab Thiem sein Antreten beim ATP-250-Turnier in Genf bekannt, das als Generalprobe für die in der Woche darauf stattfindenden French Open dienen soll. Wie Estoril ist auch die Schweizer Diplomaten-Stadt ein bislang unbekannter Boden für den Niederösterreicher.
Das 250er-Turnier wird zwar erst seit dem Jahr 2015 als Ersatz-Event für den Düsseldorfer World Team Cup ausgetragen, in den 80er Jahren war Genf allerdings bereits ein beliebter Treff der ATP-Stars. Von 1980 bis 1991 trugen sich unter anderem Björn Borg, Mats Wilander oder Henri Leconte in die Siegerliste ein. Aber auch zwei Österreicher sind darauf zu finden: Horst Skoff rang 1990 im Endspiel den spanischen Top-Star Sergi Bruguera nieder, ein Jahr später verlor der Kärntner im Finale gegen Thomas Muster.
Die Besetzung überzeugt aber auch im Jahr 2022: Neben Thiem spielen heuer der Weltranglisten-Siebente Casper Ruud, US-Aufschlagriese Reilly Opelka und Spaniens Roberto Bautista Agut in Genf. Zudem wird wahrscheinlich Stan Wawrinka mit dabei sein. Der Schweizer kämpft sich derzeit ebenfalls nach langer Verletzungspause zurück und hat um eine Wild Card angesucht.
22. Mai - Beginn der French Open
"Das erste längerfristige Ziel ist, bei den French Open in Topform zu sein", kündigte Thiem nach seinem Comeback an. Das wäre selbst ohne der in Marbella erlittenen Coronavirus-Infektion ein ambitioniertes Projekt gewesen.
Doch auch wenn sich die Topform aller Voraussicht nach nicht ausgehen sollte, wird Thiem dank dem Konzept der kleinen Schritte in Roland Garros schon wieder in einer bedeutend besseren Verfassung zu sehen sein, als es noch in Marbella oder auch in Belgrad der Fall war.
Eines kann man nach Belgrad auf jeden Fall sagen: Der Fahrplan stimmt. Der Thiem-Express kommt langsam ins Rollen. Wir freuen uns nun auf die kommenden Stationen. Und Dominic Thiem mit Sicherheit auch.