Für ein gehöriges Rauschen im medialen Blätterwald sorgte in dieser Woche die von Novak Djokovic mitbegründete Spieler-Gewerkschaft PTPA.
Die seit dem Jahr 2020 bestehende Organisation kündigt Klagen gegen die großen Tennis-Verbände ATP, WTA und ITF an.
Die PTPA wirft dem Trio in einer Mitteilung vor, ein "Kartell" sowie ein "korruptes, illegales und missbräuchliches System" zu bilden (Die Vorwürfe im Detail >>>).
Klage umfasst 163 Seiten
163 Seiten umfasst die Klage. Es geht um mangelnde finanzielle Transparenz der ATP und WTA, eine angeblich zu niedrige prozentuelle Gewinnbeteiligung für die Spieler und die zu geringen Erholungspausen in einem Tennis-Jahr aufgrund einer elf Monate langen Saison.
Außerdem werden die teilweise zu spät angesetzten Matches kritisiert, wodurch die Spieler manchmal bis drei Uhr nachts spielen müssen.
Ebenso wirft die PTPA der ATP und WTA vor, dass manche Regelungen die Preisgelder künstlich klein halten würden, da die verschiedenen Turnier-Kategorien Preisgeld-Limits hätten.
Plakativ fasst das die PTPA auf ihren Social-Media-Kanälen so zusammen:
- Reform-Struktur
- mehr Geld für die Spieler
- eine "echte" Spieler-Beteiligung
- eine kürzere Saison
- mehr Erholungszeiten bei den Turnieren
- mehr Preisgeld
Den einzelnen Punkten wird man als aktiver Tennis-Spieler kaum widersprechen können. Schließlich würden sich alle Vorschläge recht positiv auf einen selbst auswirken. Allerdings fühlt man sich bei solchen Parolen auch stark an die heutzutage stark in Mode gekommenen populistischen Parteien beider Seiten des politischen Spektrums erinnert.
Reform-Struktur, weniger Steuern, kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaub und höhere Gehälter hätten wir wahrscheinlich alle gerne.
Spitzenspieler würden von Forderungen profitieren
Dass sich die Umsetzung solcher Forderungen als eher unrealistisch herausstellen sollte, liegt auf der Hand.
Beinahe schon perfide mutet die Argumentation der PTPA an, wenn sie davon spricht, dass mehr Geld an die Spieler fließen müsse, weil sich viele Athleten auf der Tour das Leben nicht leisten können.
Das ist grundsätzlich nicht falsch. Während man in den Top 100 richtig gutes Geld verdienen und in den Top 200-300 zumindest mit einem kleinen Plus bilanzieren kann, kämpfen die meisten anderen Spieler in den Rankings oft ums finanzielle Überleben.
Da die angetragenen Vorschläge der PTPA aber beinahe ausnahmslos erst recht wieder den Spitzenspielern zugutekommen würden, fühlt man sich auch hier erneut an so manche populistische Partei erinnert.
Aufwertung von Exhibitions?
So beklagt die PTPA unter anderem die fehlende Freiheit der Spieler, bei lukrativen Exhibitions teilzunehmen. Zudem ist die PTPA der Meinung, dass auch bei solchen Events – wie etwa dem letztjährigen "6 Kings Slam" in Riad - Weltranglisten-Punkte verteilt werden sollen. Was das komplette Ranking-System durcheinanderwirbeln und manche Turnier-Kategorien entwerten würde.
Außerdem tritt die PTPA dafür ein, dass sich die Spieler bei ihrer Sponsoren-Auswahl mehr am freien Markt bedienen und auch Werbung für Sportwetten machen dürfen.
Es gilt zu bezweifeln, dass in diesen Fällen vor allem die im Ranking weiter hinten platzierten Spieler mit dem Genuss dieser Sponsor-Millionen rechnen dürfen.
Starke Spieler-Beteiligung auf ATP-Entscheidungsebene
Zum Thema "Spieler-Beteiligung" sei noch erwähnt, dass des bei der ATP ein "ATP Player Advisory Council" gibt, bei dem zehn aktive Spieler in die Entscheidungsebene, das ATP-Board, eingebunden sind. Es gibt sogar gleich viele Spieler- wie Turniervertreter.
"Die PTPA hat konsequent Spaltung und Ablenkung durch Fehlinformationen dem Fortschritt vorgezogen", kommentiert die ATP am Mittwoch in einer ersten Stellungnahme die PTPA-Klage.
Den stärksten Punkt hat die Djokovic-Gewerkschaft damit wohl bei der Kritik bezüglich der aktuellen Handhabung der Anti-Doping-Regeln. Die Farce um Jannik Sinner gilt nun wirklich nicht als weltweites Vorzeige-Beispiel, wie man einen derartigen Fall abwickeln sollte.
Niemand braucht ein Verbands-Chaos
Es wäre allerdings bitter, wenn diese Geschichte als Aufhänger benutzt werden würde, um für ein Chaos zu sorgen, das dem Tennis-Sport auf Dauer schaden würde.
Niemand braucht einen Wettstreit einzelner Verbände wie im Box- oder Golf-Sport. Vor allem den jungen, im Ranking noch weiter zurückliegenden Spielern würde ein derartiger Konflikt kaum helfen, ihren Lebensunterhalt künftig leichter verdienen zu können.
Es stellt sich allerdings sowieso die Frage, ob diese Athleten im primären Interesse der PTPA liegen.