Bei Dominic Thiem und seinem Trainer Günter Bresnik ist der Blick nach dem Gruppen-Aus bei den ATP World Tour Finals in London nach vorne gerichtet.
Niederlagen, ob knapp oder nicht, müssen für Bresnik abgehakt und nicht Wochen lang besprochen werden. Von irgendwelchen Ausflüchten hält der Niederösterreicher nichts. "Das mentale Gequassel geht mir auch auf die Nerven. Es geht um eine reine Konzentration und es ist Disziplinsache."
Mit Disziplin meint Bresnik, ein Spielkonzept durchzuziehen, ohne dabei auf den Stand zu schauen. Und nicht das (Zwischen-)Ergebnis zu verwalten. Der Coach kritisiert schon seit längerem, dass Thiem zu oft nach Spielstand agiert. "Ich verstehe einfach nicht wie man 15 Punkte in Serie verlieren kann, wenn ich so Tennis spielen kann wie er. Und nichts ändere und den gleichen Stiefel weiterspiele."
Thiem wisse eigentlich ganz genau, was er auf dem Platz zu tun habe. "Er hat alle Möglichkeiten in der Hand und er ruft es nicht ab." Bresnik vergleicht Thiem aktuell mit einem 5.000-m-Läufer, der einmal 20 m allen davonläuft "und sich dann die Schuhbänder bindet".
Keine große Erholung notwendig
Eine Chance wie jene gegen Goffin zu vergeben, hält Bresnik für leichtfertig: "Der war angeschlagen, das hat man gesehen. Selbst wenn ich einen Satz verliere, bin ich dem körperlich haushoch überlegen."
Völlig unverständlich ist für Bresnik auch, warum man sich Monate lang mit einem Misserfolg wie der Del-Potro-Niederlage bei den US Open beschäftigen kann. "Er wird ständig gefragt zu dem Schwachsinn. Wie kann ich mich jetzt mit Niederlagen im August und September beschäftigen?"
Mehr Zeit zur Erholung als jene rund zehn Tage Urlaub, die Thiem nun vor Beginn der Vorbereitung auf Teneriffa ab Ende November erwarten, hält Bresnik nicht für notwendig: "Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der Leistungen körperlicher Art erbringen muss, der durch Nichtstun besser wird. Er ist ja körperlich nicht 'angepeckt', für mich wirkt er extrem unsicher bei den Schlägen."
Bresnik hat "kein Mitleid"
Auch wenn sich Thiem nach seinem Saisonende ratlos und geknickt zeigt: Bresnik wird seinen Star fragen, warum er geknickt sein soll. "Nach einer Niederlage kann man angefressen sein. Aber er ist nicht krank, es ist niemand gestorben - er hat ein Match verloren. Ich kann Leute zu Mimosen erziehen: Wenn ich ständig die Wehwehchen anspreche und pflege, werden sie größer."
Die positive Entwicklung im Ranking und das Erklimmen der Top 5 ist für Bresnik zum Saisonschluss kein Grund zum Feiern. "Was mir taugt, sind gute Leistungen. Ob die jetzt vom Ergebnis her erfolgreich sind, ist mir relativ wurscht."
Mitleid verspürt der Coach vielleicht mit einer Nummer 270, die nicht weiß, was sie zum Essen hat. "Mit denen (hier) habe ich kein Mitleid. Die sollen schauen, dass sie besser werden und aus."
Geld spiele für die Stars hier in London keine Rolle mehr und Bresnik führt ein anderes Beispiel an: "Ob ein (David) Alaba jetzt 8 oder 10 Millionen verdient, wird ihn nicht mehr interessieren. Für uns ist die Differenz ein Lebensverdienst. Aber wenn ein Sportler sich am Geld orientiert, ist er eh falsch am Platz."
Viel wichtiger sei, dass sich Spitzenleute darum kümmern, dass sie besser werden. Und die Dinge, die sie verstanden haben, auch durchziehen.