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Wolfgang Thiem wünscht sich Struktur-Änderung

Österreichs Tennis-Zukunft, Ofner-Comeback, Doppel-Aufsteiger. Thiem im LAOLA1-Interview:

Wolfgang Thiem wünscht sich Struktur-Änderung Foto: © GEPA

Während Sohn Dominic aufgrund seines schwierig verlaufenden Comebacks nach langer Verletzungspause zuletzt kaum Erfolgsmeldungen für sich verbuchen konnte, läuft es für Vater Wolfgang Thiem derzeit recht ordentlich.

Seine Schützlinge Sebastian Ofner, Lucas Miedler und Alexander Erler konnten in den letzten Wochen mit positiven Schlagzeilen aufhorchen lassen.

Ofner feierte nach siebenmonatiger Verletzungspause ein starkes Comeback, holte bereits bei seinem dritten Turnier-Start den Challenger-Titel in Prag. Zudem qualifizierte sich der Steirer für die French Open.

Miedler und Erler sorgten gemeinsam für Furore: Die Kitzbühel-Sieger des vergangenen Jahres zogen im Doppel-Ranking erstmals in die Top 100 ein.

Im LAOLA1-Interview spricht Thiem über den positiven Aufwärtstrend des Trios und auch über die aktuelle Top-100-Abstinenz des österreichischen Tennis in den Einzel-Weltranglisten.

Außerdem erklärt der 49-jährige Niederösterreicher seinen Lösungsansatz, wie es im rot-weiß-roten Tennis künftig wieder aufwärts gehen könnte.

LAOLA1: Sebastian Ofner, einer deiner Schützlinge in Traiskirchen, hat nach seiner Fuß-Operation im vergangenen Jahr ein tolles Comeback hingelegt. Wie beurteilst du seine letzten Wochen?

Wolfgang Thiem: Ofi war 6-7 Monate außer Gefecht. Den Aufbau haben wir ganz gut hinbekommen, aber dass es so schnell geht, dass er gleich bei seinem dritten Challenger-Turnier den Titel holt, war natürlich nicht zu erwarten. Es hat der Sache gutgetan, weil er dadurch keine Zweifel bekommen hat und gleich wieder richtig in Schuss war. Er hat auch in Paris sehr gut gespielt und ist als ganzer Spieler gereift. Es ist nicht mehr so fahrig wie früher und wertschätzt es mehr. Er ist sich mehr bewusst, was es bedeutet Tennis-Profi zu sein und das wird ihm auch künftig in engen Situationen helfen. Er ist grundsätzlich demütiger geworden und schätzt seine eigene Leistung mehr.

LAOLA1: Wie seid ihr mit der langen Verletzungspause umgegangen?

Thiem: Er hat sich spielerisch weiterentwickelt, weil wir durch seine Pause mehr Zeit zum Trainieren hatten. Das war das Positive an der ganzen Geschichte, dass wir an den technischen Sachen relativ uneingeschränkt trainieren konnten. Beim Arm hatte er ja keinerlei Einschränkungen. Wenn du eine Verletzung in der Hand hast, dann kannst du nicht voll spielen und musst erst langsam mit Softbällen anfangen. Ofi war mit der Hand aber immer voll einsatzfähig, deshalb war das für ihn kein Problem, dass er gleich wieder voll im Schlag drinnen war. Wenn man mit Softbällen anfangen muss, dauert das immer, bis man mit normalen Bällen spielen kann. Das hat die Sache vereinfacht.

LAOLA1: Ist die Verletzung wieder vollständig geheilt?

Thiem: Er hat noch ein bisschen ein Knochenmarksödem im Fuß drin, aber das löst sich hoffentlich von selbst. Wenn nicht, muss man das raussaugen, was auch nicht die große Tragödie wäre. Aber das muss man noch abwarten. Das wissen wir erst am Ende der Saison.

LAOLA1: Wie kann es für Ofner in Zukunft weitergehen?

Thiem: Ich sehe keinen Grund, warum er es nicht in die Top 100 schaffen sollte. Vorhand, Aufschlag, Rückhand – sein ganzes Paket ist einfach so gut, dass er auf alle Fälle die Voraussetzungen für die ersten 100 hat. Ich hoffe, dass er durch diesen Reifeprozess der letzten Monate das auch umsetzen kann. Das trau ich ihm zu 100 Prozent zu.

LAOLA1: Lucas Miedler und Alex Erler sind ebenfalls zwei Schützlinge von dir. Sie bilden ein sehr starkes Doppel und haben jeweils den Sprung in die Top 100 geschafft. Im Einzel sind sie um Rang 300 bzw. 400 zu finden. Wie schätzt du ihre Lage ein?

Thiem: Es im Doppel in die ersten 100 zu schaffen ist ein Riesenerfolg. Die beiden haben sich dort innerhalb eines Jahres reingespielt. Vor Kitzbühel im letzten Jahr waren sie noch auf einem Platz um die 300 zu finden. Das finde ich richtig gut, wie sie sich da nach vorne gespielt haben. Wenn sie beispielsweise nur in Kitzbühel gewonnen hätten und dann nichts mehr, dann hätte das das Bild verfälscht. Aber die beiden haben ja wirklich Woche für Woche so weitergespielt. Auf Challenger-Ebene haben sie vier Titel gewonnen und zwei Finali erreicht. Deshalb haben sie sich die ersten 100 wirklich verdient. Bei einem Turniersieg wie in Kitzbühel muss immer alles zusammenlaufen und da haben sie sicher auch ein bisschen Glück gehabt, aber solche Leistungen über das ganze Jahr zu beweisen, ist schon eine andere Geschichte.

LAOLA1: Wobei sich die beiden jetzt natürlich mit ihren Einzel-Starts schwertun, weil vor allem bei Erler die Rankings von Einzel und Doppel auseinanderklaffen.

Thiem: Dieser Spagat ist immer schwierig. Auf der einen Seite hast du das Doppel-Ranking mit dem du bei den Challenger-Turnieren drin bist, aber im Einzel nicht reinkommst. Luci kann zumindest alle Challenger spielen, aber wenn du nicht mal mehr in der Quali drin bist, dann zerfetzt es dein Einzel-Ranking natürlich. Ich hoffe, dass sie beim Einzel dabeibleiben. Wenn es im Doppel sehr weit nach vorne geht, dann ist es natürlich irgendwann so, dass du dich für eine Richtung entscheiden musst. Derzeit verfolgen sie ihre Ziele aber noch mit dem gleichen Einsatz.

LAOLA1: Was traust du Erler im Einzel zu?

Thiem: Erler hat definitiv auch das Potenzial für die Top 100. Er muss nur selbst daran glauben. Mit seinen 25 Jahren ist er noch gut dabei. Ein Karatsev ist auch erst mit 27 Jahren ganz nach vorne gekommen und stand davor bei 300-350 herum. Das kann schon gehen, wenn du die nötige Reife mitbringst. Alex ist jemand, der von seinem Spiel und seiner Anlage auf jeden Fall auf Challenger-Ebene hingehört. Der hat letztes Jahr in der ersten Runde von Kitzbühel immerhin noch den Alcaraz geschlagen. Der hat ihm damals auch nicht die Partie geschenkt. Alex muss im Single aber noch das gleiche Selbstvertrauen wie im Doppel bekommen. Dann kann er dort genauso weit vorkommen. Er hat wie auch der Ofi ein gefährliches Spiel.

LAOLA1: Und Miedler?

Thiem: Luci ist eher einer, der sehr schlau und an den Gegner angepasst gespielt. Die beiden anderen spielen ein ganz anderes Tennis, mehr über den Aufschlag und dieses Power-Tennis. Luci hat einen guten Schritt gemacht, weil er durch Challenger-Siege Selbstvertrauen bekommen hat und weiß, wo er hingehört. Der traut sich das jetzt auch zu. Er hat kürzlich in Prostejov eine super Partie gegen Andujar (Anm.: Top-100-Spieler und ehemalige Nummer 32 der Welt) gespielt, die er nur ganz knapp verloren hat.

LAOLA1: Aktuell ist Österreich leider ohne Top-100-Spieler. Wie konnte es deiner Meinung nach zu dieser Situation kommen? Warum kam da in den letzten Jahren so wenig nach?

Thiem: Der Anspruch sollte natürlich sein, dass wir überall zumindest einen Top-100-Spieler haben. Diese Situation ist aber natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass Dominic fast ein Jahr nicht spielen konnte. Dennis Novak war schon mal Top 100 und mit Ofner und Jurij Rodionov haben wir noch zwei weitere Spieler, die auf einem guten Weg sind. Auch bei den Damen kommt etwas nach. Julia Grabher ist am Sprung unter die ersten 100. Sinja Kraus spielt ganz gut. Da kommt schon was nach. Grundsätzlich müsste man aber etwas an den Strukturen ändern.

Es müsste eine Trainer-Ausbildung geben, die ausschließlich auf den Leistungssport abgestimmt ist. Wo Leute Ausbilder sind, die auch im Leistungssport tätig sind.

Thiem fordert bessere Ausbildung für Trainer

LAOLA1: Was genau?

Thiem: Es muss Verbandszentren geben, wo es eine Qualitätssicherheit gibt. Zwischen 10 und 14 Jahren muss sich der Landesverband um die Ausbildung kümmern. Dafür benötigen wir sehr gute Technik-Trainer in den Landesverbänden, die die Kinder dort ausbilden. Dann brauchen wir gute Trainer, die die Kinder für den Übergang zu den Junioren vorbereiten und dann Trainer, die den Übergang vom Junioren-Tennis zum Herren-Tennis begleiten sollen. Das sind meiner Meinung nach drei verschiedene Paar Schuhe. Dafür muss es in den jeweiligen Kategorien Experten geben, die darauf spezialisiert sind und die Kinder in den jeweiligen Altersklassen optimal ausbilden.

LAOLA1: Wie kommen wir zu diesen Experten?

Thiem: Das ist ein Ausbildungsproblem. Es müsste eine Trainer-Ausbildung geben, die ausschließlich auf den Leistungssport abgestimmt ist. Wo Leute Ausbilder sind, die auch im Leistungssport tätig sind. Leute, die den angehenden Trainern das nötige Handwerk beibringen und die Erfahrung weitergeben. Derzeit gibt es Ausbildungen zum Tennis-Instructor, Tennis-Lehrer und Tennis-Trainer. Aus meiner Sicht sollte es auch eine Ausbildung speziell für den Leistungssport geben, die von echten Experten gestaltet wird. Zudem müssen auch Touring-Coaches da sein, wenn die Jugendlichen mit 17, 18 Jahren zu Reisen beginnen. Da müsste es viel mehr Unterstützung von Seiten des Verbandes geben. Ich weiß, dass das aus Budgetgründen schwierig ist. Es ist in Österreich sehr schwer, passende Touring Coaches zu finden. Die kannst du an einer Hand abzählen, die du mit guten Gewissen mit deinen Spielern mitschicken kannst.

LAOLA1: Wie würde deiner Meinung nach ein optimales Szenario für die Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr ausschauen?

Thiem: Nach der Ausbildung in den Landesverbänden bräuchte man in Österreich zwei, drei, vier Zentren, wo eine Top-Ausbildung gewährleistet ist. Das müsste aus meiner Sicht logistisch so aufgeteilt sein, dass die Fahrtwege nicht zu weit sind. Dort müssen dann Top-Trainer arbeiten. Das wäre ein optimales Szenario. Dort könnte man auch den Spielern zwischen Top 100 und 200 erfahrene Touring-Coaches anbieten. So etwas haben wir momentan definitiv nicht in Österreich.

LAOLA1: In der Vergangenheit wurde öfter auf Individualförderung gesetzt. Wie ist deine Einstellung zu diesem Thema?

Thiem: Ich bin kein Freund von der Individualförderung, weil es das Ganze einfach zu sehr verwässert. Es ist besser, wenn es konzentriert ist und die Besten gemeinsam trainieren können und sich gegeneinander messen können.

Zwischen Melzer und Thiem besteht ein "freundschaftliches Verhältnis"
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LAOLA1: Du hast erst kürzlich in Oberpullendorf gemeinsam mit dem burgenländischen Verband eine zweite Akademie eröffnet. Was waren die Beweggründe für diese Entscheidung?

Thiem: Wir wollten den Burgenländern ermöglichen, dass sie eine kostengünstige Ausbildung zum Tennis-Profi bekommen. Wenn einer von einem benachbarten Bundesland kommt, ist er aber natürlich auch gerne gesehen. Schön wäre es, wenn wir so vier bis fünf solcher Zentren in Österreich hätten. Ich habe das jetzt mit der ATC in Traiskirchen und in Oberpullendorf. Wenn ich jetzt noch vier andere Ausbildungsstätten hätte, wären wir in Österreich schon einen Riesenschritt weiter.

LAOLA1: Gibt es denn schon Pläne für weitere Akademien?

Thiem: Ich habe mit Traiskirchen und Oberpullendorf meinen Teil dazu beigetragen. Es wäre aber natürlich schön, wenn es auch andere Ausbildungsstellen geben würde. Ob derzeit noch andere derartige Akademien geplant sind, weiß ich nicht. Das wäre nur mal mein Ansatz bei dieser Sache. Deshalb habe ich mich auch mit dem Projekt in Oberpullendorf anfreunden können, weil auch das Land dahintersteht. Ohne der Unterstützung des Landes würde es nicht gehen. In Traiskirchen läuft es über Sponsoren und Gönner. Das ist auch eine Möglichkeit.

LAOLA1: Zusätzlich gibt es auch weiterhin das ÖTV-Bundesausbildungszentrum in der Südstadt. Wie ist dein Kontakt zu ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer?

Thiem: Ich habe mit Jürgen ein freundschaftliches Verhältnis. Wir arbeiten definitiv nicht gegeneinander, sondern versuchen, gemeinsam das österreichische Tennis voranzubringen. Ich würde mir grundsätzlich mehr ein Miteinander im österreichischen Tennis wünschen, damit wir alle gemeinsam gute Tennis-Spieler schaffen. Es geht darum, dass wir in Österreich gute Spieler herausbringen, denn die helfen dem ganzen Tennis in Österreich. Und davon haben wir ja alle etwas. Wir müssen nur gemeinsam an einem Strang ziehen. Das wäre viel produktiver.

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