Eine perfekte Tennis-Woche liegt hinter Dominic Thiem.
Mit seinem triumphalen Erfolgslauf in Peking, der im Gewinn des dortigen ATP-500-Turniers mündete, konnte er sein bisheriges „Asia-Trauma“ gekonnt ad acta legen.
„Das war insgesamt schon eine sehr gute Vorstellung. Auch wenn manchmal das nötige Quäntchen Glück dabei war“, ist auch Vater Wolfgang Thiem im LAOLA1-Interview mit der Leistung seines Sprösslings zufrieden.
Der Tennis-Coach ist erstmals in Asien mit dabei und spricht bei uns nicht nur über den nach der Virus-Erkrankung doch etwas überraschenden Triumphzug seines Sohnes, sondern er erklärt auch seine Beweggründe für das Ende seiner Arbeit in der Tennis-Akademie von Ex-Thiem-Coach Günter Bresnik.
Außerdem gibt Vater Thiem Einblick in die Zukunftsplanungen von Dominic. Was soll bzw. muss noch besser werden? Wie oft und wo wird er selbst dabei vor Ort sein und was hat Wolfgang Thiem eigentlich sonst noch beruflich geplant? Die Antworten auf alle Fragen:
LAOLA1: Wolfgang, deine erste Reise nach China wird dir wahrscheinlich gut in Erinnerung bleiben, oder?
Wolfgang Thiem: Ja, ich bin zum ersten Mal in China und es ist wirklich ein Erlebnis. Von Peking sind wir zwei Tage nach Wuhan gefahren und dann wieder zurück nach Peking und nun sind wir in Shanghai. Hier ist es wesentlich westlicher als in Peking, das sehr traditionell ist. Das Turnier war aber sehr gut organisiert und es waren auch zahlreiche Leute im Stadion. Das war schon ein gutes Turnier.
LAOLA1: Vor allem war es für euch ein gutes Turnier. Habt ihr am Sonntag noch Gelegenheit zum Feiern gehabt?
Thiem: Bis nach dem Finale alles erledigt war, war es schon eine halbe Stunde vor Mitternacht. Wir sind dann noch eine Kleinigkeit essen gegangen. Um halb zwei waren wir im Hotel, schließlich ging es am nächsten Tag am Vormittag um halb elf schon wieder zum Bahnhof. Um 17 Uhr waren wir in Shanghai und dann stand noch eine Stunde Training auf dem Programm – da war der ganze Montag ausgefüllt.
LAOLA1: Wie beurteilst du die Leistung von Dominic in der vergangenen Woche?
Thiem: Er hat von der ersten Runde weg sehr gut gespielt. Gegen Gasquet hatte er eine negative Bilanz und trotzdem hat er in der ersten Runde sicher gewonnen. Der chinesische Wild-Card-Spieler in Runde zwei ist gegenüber den anderen natürlich schon ein bisschen abgefallen. Danach war die Murray-Partie und da hat man gesehen, dass Murray schon wieder echt gut spielt. Ich glaube, dass er bald wieder unter den besten Spielern dabei sein wird beziehungsweise zumindest unter den Top 20. Er ist auf dem Weg zurück, man merkt kaum, dass er irgendwelche Einschränkungen hat. Khachanov und Tsitsipas waren hochklassige Matches, weil die beiden auch sehr gut gespielt haben. Das war nur zu gewinnen, wenn man selbst couragiert spielt und versucht, das Spiel an sich zu reißen. Das ist Dominic in den engen Situationen gut gelungen – auch wenn manchmal natürlich auch das nötige Quäntchen Glück dabei war. Das war insgesamt schon eine sehr gute Vorstellung.
LAOLA1: Die Virus-Erkrankung scheint damit endgültig abgehakt zu sein, oder?
Thiem: Er hat in Amerika nun mal zwei Wochen gar nichts gemacht und das dauert dann natürlich seine Zeit. Für den Davis Cup war die Vorbereitung noch zu kurz, es war aber trotzdem gut für ihn, dass er die beiden Matches in Finnland gespielt hat. Der Laver Cup hat ihm viel weitergeholfen. Zudem war dann die Vorbereitung für Asien gut: Wir hatten eine frühe Anreise, dann die Exhibition gegen Fognini in Wuhan, um etwas Spielpraxis zu sammeln – das hat alles sehr gut geklappt. Die Matches in Peking waren natürlich teilweise auf des Messers Schneide, er hat aber das nötige Glück gehabt, dass er die Partien zu seinen Gunsten drehen konnte. Und so ist es dann bis zum Turniersieg gegangen. Dominic ist fitnessmäßig sicher wieder bei 100 Prozent.
LAOLA1: In Shanghai trifft Dominic am Mittwoch in der ersten Runde auf den Spanier Pablo Carreno Busta. Im Head-to-Head führt er 5:0 - das sollte Dominic Selbstvertrauen geben.
Thiem: Er kennt ihn natürlich sehr gut. Die Bedingungen hier sind allerdings sehr zügig. Als Qualifikant hat Carreno Busta zudem schon drei Partien in den Beinen. Wenn Dominic seine Leistung bringt und den Schwung aus Peking mitnehmen kann, ist er natürlich zu favorisieren. Es geht am Mittwoch aber wieder bei Null los. Ich hoffe, dass er wieder voll durchstarten kann.
LAOLA1: Nach dem Finale hat Dominic gesagt, dass er in Peking viel öfter ans Netz gegangen ist, als es früher noch der Fall war. Ist das eine neue Stärke?
Thiem: Mit seinen Schlägen und Möglichkeiten muss er einfach öfter nachgehen. Das gelingt ihm auch immer besser. Speziell auf Hardcourt oder schnellen Sandplätzen wie Madrid, Paris oder in Kitzbühel mit der Höhenlage hast du viele Möglichkeiten, den Gegner mit dem Weg ans Netz unter Druck zu setzen. Er kommt vorne jetzt besser zurecht und das hat er in den Spielen gegen Khachanov und Tsitsipas gut und mutig umgesetzt. Außerdem muss er beim Aufschlag mehr variieren. Das sind die zwei, drei Schwerpunkte, an denen wir derzeit arbeiten müssen.
LAOLA1: In Shanghai werden diese Dinge aufgrund des schnelleren Belags noch wichtiger werden.
Thiem: Wir haben am Montag eine Stunde auf dem Außenplatz trainiert. Die Außenplätze sind aber ein bisschen schneller als der Center Court, dieser scheint aber auch relativ schnell zu sein. Die Aufschläge sind schärfer und umso schwieriger ist der Return. Deshalb ist es wichtig, dass er sich schnell auf die Bedingungen einstellt.
LAOLA1: Die Qualifikation für die ATP-Finals in London ist dank Peking mittlerweile ebenfalls bereits fix. So früh wie nie zuvor. Das Saisonfinish kann Dominic diesmal also ohne Druck bestreiten. Ein Vorteil?
Thiem: Eigentlich war das eh schon vor Peking relativ sicher. Da hätte schon sehr viel schieflaufen müssen. Es ist auf jeden Fall ein sehr schöner Erfolg, zum vierten Mal in Folge dabei sein zu können.
LAOLA1: Du hast vor Kurzem deine Tätigkeit in der Tennis-Akademie von Günter Bresnik beendet. Wie kam es dazu?
"Ich möchte soweit flexibel sein, dass ich mitfahren kann, wenn es nötig sein sollte. Deshalb habe ich die Arbeit in der Südstadt aufgegeben, weil das einfach nicht mehr miteinander zu verbinden gewesen wäre."
Thiem: Ja, ich bin jetzt weg von der Südstadt, weil ich mehr mit Dominic mitfahren möchte und mehr Zeit dafür investieren will. In Wien und London werde ich sicher mit dabei sein und natürlich auch in der Vorbereitung und in Australien. Ich schätze mal, dass es so um die zehn Wochen im Jahr werden, aber das kann man im Vorfeld eh nie genau sagen. Schauen wir mal, wie es läuft und was die nächste Saison bringt. Ich möchte soweit flexibel sein, dass ich mitfahren kann, wenn es nötig sein sollte. Deshalb habe ich die Arbeit in der Südstadt aufgegeben, weil das einfach nicht mehr miteinander zu verbinden gewesen wäre.
LAOLA1: Welche Spieler trainierst du jetzt noch neben Dominic?
Thiem: Mit Dennis Novak und Sebastian Ofner trainiere ich weiter. Dazu kommen ein paar junge Spieler wie auch – gemeinsam mit Riccardo Bellotti - Nico Langmann (Anm.: Rollstuhltennis-Spieler). Schauen wir mal, wie das alles anläuft. Ich will derzeit aber auch nichts Großes machen und habe auch kein Interesse, mir einen Stützpunkt zu suchen. Ich bin relativ entspannt, was das betrifft.
LAOLA1: Sind Novak und Ofner komplett bei dir oder gibt es da eine Kooperation mit Bresnik?
Thiem: Da gibt es schon noch eine Kooperation, aber meine tägliche Arbeit am Platz habe ich eingestellt, auch wenn es mir sehr leidtut, weil mir die Arbeit mit den vielen guten Spielern schon sehr viel Spaß gemacht hat. Speziell bei den Mädels sind ein paar sehr gute dabei.
LAOLA1: Da hattest du mit einer gewissen Kim Kühbauer (Anm.: 12-jährige Tochter von Rapid-Coach Didi Kühbauer) ja auch einen sehr prominenten Namen unter deinen Fittichen.
Thiem: Genau. Mit der habe ich sehr viel trainiert. Das ist ein super Mädel und eine meiner Lieblings-Spielerinnen. Solche Dinge sind sehr reizvoll und über die Entwicklung von solchen Spielerinnen hätte ich natürlich auch gerne weiterhin die Kontrolle gehabt. Kim hat natürlich gute Gene und einen ähnlichen Kampfgeist wie der Vater. Es sind aber auch einige andere Mädels dabei, die echt gut sind.
LAOLA1: Wie harmonierst du mit Coach Nicolas Massu?
Thiem: Das funktioniert sehr gut. Ich habe ja den Riesenvorteil, dass es bei mir keinen Brotneid gibt. Ich bin der Vater von Dominic und niemand anderem etwas neidig. Wenn zwei Trainer am Werk sind, passiert es oft, dass einer glaubt, er muss dem anderen etwas beweisen. Das ist bei uns überhaupt nicht der Fall. Ich stehe in keinem Konkurrenzkampf und das war auch vorher bei der Zusammenarbeit mit Günter so. Ich sehe mich nur als denjenigen, der gewisse Dinge abdeckt – sowohl im sportlichen Bereich als auch abseits des Platzes. Das wird mit dem Trainer koordiniert und das funktioniert ganz gut. Die Rolle des Vaters ist einfach ein Riesenvorteil, weil du ganz anders an die Sache herangehst.
LAOLA1: Wo habt ihr derzeit eure Schwerpunkte gesetzt?
Thiem: Er muss wie gesagt mehr dem Ball nachgehen. Der Übergang zum Netz muss besser werden. Der Return hat letzte Woche ganz gut funktioniert und ist überhaupt in den letzten Monaten besser geworden. Schauen wir mal, wie er das bei den schnelleren Belägen hinbekommt. Und bei den Aufschlägen wäre es wichtig, dass er nicht nur mit 220 km/h serviert, sondern gut abmischt. Federer und Djokovic machen das sehr gut. Mit einem Zverev oder Tsitsipas kannst du dich nicht vergleichen, weil die einfach 15 Zentimeter größer sind. Da musst du mit mehr Variation dagegenhalten.