Das Tennisjahr 2023 ist, zumindest für Österreichs beste Tennisspieler, vorbei.
Während die acht Saisonbesten in Turin bei den ATP-Finals um den inoffiziellen Weltmeistertitel spielen, heißt es für die heimische Elite Akkus wieder aufladen, fleißig trainieren und in der Off-Season die Basis für einen guten Start ins Jahr 2024 legen. Kleiner bitterer Beigeschmack: Zum dritten Mal in Folge geht das Jahresabschlussturnier der Tennis-Elite ohne rot-weiß-rote Beteiligung über die Bühne.
Dennoch hatte die abgelaufene Saison aus österreichischer Sicht auch ihre Lichtblicke.
LAOLA1 wirft einen Blick zurück und nimmt die Leistung der fünf besten heimischen Tennisspieler in einer Saisonanalyse genauer unter die Lupe.
Sebastian Ofner
Rangliste 1. Jänner 2023: 193
Rangliste November 2023: 43
Größte Erfolge 2023: 4. Runde French Open, 1 Challenger-Titel, 4 Challenger-Finals.
ATP-Bilanz 2023: 13-13
Sebastian Ofner war die positive Überraschung des Tennisjahres 2023. Dabei deutet noch Anfang des Jahres nichts darauf hin, dass der 27-jährige Rechtshänder sich in die Top 100, geschweige denn die Top 50, spielen könnte. Noch im Oktober 2022 unterzog sich Ofner wegen seiner lädierten Ferse einer Operation, verpasste deshalb das Stadthallenturnier in Wien und den Saisonendspurt. Schon ein Jahr zuvor hatte sich der Steirer einem ähnlichen Eingriff unterzogen - ohne schmerzfrei zu werden.
"Von Mai, Juni 2021 bis Jänner 2023 war kein Tag, wirklich kein Tag, an dem ich auf der Ferse schmerzfrei war", sagte Ofner dazu im Juni. Zu diesem Zeitpunkt schien das alles nur noch ein ferner, böser Traum zu sein. Bei den French Open zeigte der Brucker seine beste Saisonleistung und ließ an seinen Auftritt in Wimbledon (2017, 3. Runde, Anm.) vor sechs Jahren erinnern. Aus der Qualifikation kommend besiegte Ofner Maxime Cressy, Sebastian Korda und Fabio Fognini bevor er sich Stefanos Tsitsipas am Court Phillipe Chatrier im Achtelfinale in drei Sätzen beugen musste.
Aus dem Nichts kam diese Leistungsexplosion freilich nicht. Ofner hatte zu diesem Zeitpunkt bereits vier Endspiele auf der Challenger Tour erreicht, jedoch alle Finals verloren. Nach einer weiteren Final-Niederlage in Ilkley sollte es beim heimischen Challenger-Event in Salzburg Mitte Juli dann auch mit dem ersten Saison-Titel klappen. Danach spielte Ofner mit einer Ausnahme nur noch auf der ATP-Tour, wo er bis Saisonende eine ausgeglichene Bilanz (13S, 13N) hielt.
Ins Jahr 2024 geht Ofner als Top-50-Spieler, beinahe für alle Turniere wird er fix qualifiziert sein. Abzuwarten bleibt, wie der Steirer mit der gestiegenen Erwartungshaltung umgeht. Seinen Ambitionen nach oben setzte Ofner vor wenigen Wochen selbst Grenzen. "Ich glaube selber nicht, dass ich noch in die Top Ten kommen werde, vielleicht in Richtung 20 oder 30, das schon", sagte Ofner nach seinem Aus in Wien.
Dominic Thiem
Rangliste 1. Jänner 2023: 102
Rangliste November 2023: 95
Größte Erfolge 2023: Finale Kitzbühel, Viertelfinale München, Astana & Estoril
ATP-Tour-Bilanz 2023: 19-22
Für Dominic Thiem lässt sich die zweite volle Saison nach seiner schwerwiegenden Handgelenksverletzung im Juni 2021 leider als "verlorenes" Jahr einstufen. Der Lichtenwörther, der 2022 noch knapp außerhalb der Top 100 beendete, muss zwölf Monate später konstatieren, dass er in den ATP-Charts kaum vom Fleck kam.
Für mehr hatte der erste österreichische Grand-Slam-Sieger seit Thomas Muster über den Jahresverlauf einfach zu viele Durchhänger. Bis Anfang April hatte Thiem erst ein Match auf der Tour gewonnen. Im April selbst waren es dann gleich sechs Matchsiege, nur um dann bis Juli wieder eine Talsohle ohne Erfolg zu durchschreiten. In der Zwischenzeit gab es auch auf Challenger-Ebene schmerzliche Pleiten gegen unbekannte Namen wie Stefano Travaglia (ATP/211) oder Pedro Martinez (ATP/115).
In Kitzbühel erreichte Thiem das erste ATP-Finale seit seinem Comeback. Im Anschluss wurde der 30-jährige Rechtshänder von einer hartnäckigen Gastritis im Vorlauf der US Open ausgebremst. Trotz dieser Widrigkeit war das letzte Saison-Drittel Thiems stärkstes. Ein Viertelfinale in Astana und drei Siege in Paris ließen alte Brillanz aufblitzen. Eine weitere positive Entwicklung des Jahres: Der Lichtenwörther konnte 2023 erstmals seit seinem Comeback wieder auf Masters- und Grand-Slam-Ebene gewinnen.
Aller Voraussicht nach wird Dominic Thiem als Top-100-Spieler in die neue Saison gehen. Gut für ihn: Bis April verteidigt der US-Open-Champion von 2020 gerade einmal 20 Punkte, hier sind also bei guten Leistungen auch große Sprünge in der Rangliste möglich. 2024 wird in vielerlei Hinsicht ein Jahr der Wahrheit für den "Dominator".
Jurij Rodionov
Rangliste 1. Jänner 2023: 122
Rangliste November 2023: 107
Größte Erfolge 2023: Astana Viertelfinale, 1 Challenger Titel, 1 Challenger Finale
ATP-Tour-Bilanz 2023: 5-6
Über weite Strecken des Jahres war Jurij Rodionov im Race unter den Top 100 gelistet. Dass es am Ende doch knapp nicht reichen könnte, ist einer für den Wiener fast schon typischen schwächeren zweiten Saisonhälfte geschuldet. Auch ein Faktor war der Umstieg von der Challenger- auf die ATP-Tour nach dem einzigen Turniersieg des Jahres in Biel im März. Aufgrund seiner Weltranglistenplatzierung um Position 100 war Rodionov gezwungen, immer wieder hin- und herzuwechseln.
Zahlen lügen aber nicht. 2023 war das bisher beste Jahr in Rodionovs Profi-Karriere. Ende August stand der Wiener erstmals für zwei Wochen in den Top 100 der ATP-Weltrangliste, Anfang Oktober noch einmal für weitere 14 Tage. Im Vergleich zum Vorjahr bewies er auf Tour-Ebene zudem deutlich mehr Konstanz. Fünf Spiele gewann der Wiener heuer auf der ATP-Tour (2022 nur eines). Besonders in Erinnerung bleiben wird der Einzug ins Viertelfinale von Astana (Oktober) aus der Qualifikation heraus.
In Sachen Australian-Open-Hauptfeld für klare Verhältnisse sorgen, will der 24-jährige Linkshänder in den nächsten Wochen. Bei drei Challenger-Events in Japan versucht Rodionov noch die nötigen Punkte zu sammeln, um das Jahr als Top-100-Spieler zu beenden. Dabei sollte die Winterpause aber nicht zu kurz geraten, denn Anfang des Jahres hat der Wiener einige Punkte zu verteidigen.
Filip Misolic
Rangliste 1. Jänner 2023: 149
Rangliste November 2023: 156
Größte Erfolge 2023: Viertelfinale Bastad, 1 Challenger Titel, 1 Challenger Finale
ATP-Tour-Bilanz 2023: 3-5
2023 verlief für Filip Misolic nicht nach Wunsch. Dem Hype, der im Vorjahr nach dem Finaleinzug in Kitzbühel um den 22-jährigen Grazer entstanden war, konnte er diese Saison nur in Ansätzen gerecht werden. Ende April bzw. Anfang Mai waren auf der Challenger-Tour mit dem Titel in Roseto und dem Finale in Mauthausen die erfolgreichsten Wochen, davor und danach lief es für den Steirer eher schleppend.
Auch das dritte Saisonhighlight gelang Misolic auf Sand. Im schwedischen Bastad kämpfte sich der Jungstar aus der Qualifikation bis ins Viertelfinale. Anschließend versuchte sich der 22-Jährige bis Saisonende mehrheitlich auf der ATP Tour (3S, 5N), in Wien gelang immerhin der Sprung ins Hauptfeld. Die 150 Kitz-Punkte aus dem Vorjahr zu verlieren war vor allem im Hinblick auf die Rangliste schmerzhaft. Einziger Trost: 2024 baut das Punktekonto zumindest auf einem breiteren Fundament auf.
Erstmals in seiner Karriere gewann Misolic 2023 ein ATP-Hauptfeld-Spiel auf einem anderen Belag als Sand. Ein erfreuliches Zeichen. Um im nächsten Jahr näher an die Top 100 heranzukommen, muss der Grazer sein Spiel besser auf die anderen Tour-Beläge anpassen. Ab einer gewissen Ranglistenposition kann man den großen Hartplatz- und Rasenturnieren nicht mehr aus dem Weg gehen. Das haben schon weitaus bessere Spieler als Misolic auf die harte Tour gelernt.
Dennis Novak
Rangliste 1. Jänner 2023: 180
Rangliste November 2023: 167
Größte Erfolge 2023: 1 Challenger Titel, 2 Challenger Finals
ATP-Tour-Bilanz 2023: 0-2
Dennis Novak wird sein 2023 schnell abhaken wollen, viele Vorwürfe kann sich der Niederösterreicher aber nicht machen. Novak erwischte von allen ÖTV-Spielern den besten Saisonstart (11S, 2N), gewann gleich im Jänner sein erstes Challenger-Turnier seit 2019. Den Strich durch die Rechnung machte dem 30-Jährigen ein doppelter Bänderriss im Knöchel, der Novak drei Monate (von Februar bis Mai) außer Gefecht setzte.
Nach dem Comeback kam der Klosterneuburger nur langsam wieder in Fahrt, bei Wimbledon und in Kitzbühel gelang immerhin die Qualifikation für das Hauptfeld. Die großen Erfolge erzielte Novak aber auch in der zweiten Jahreshälfte erneut auf der Challenger-Tour. Beim Heimspiel in Bad Waltersdorf (September) und in Hamburg ging es jeweils bis ins Endspiel.
Für Novak, der von Jänner 2020 bis Jänner 2021 unter den Top 100 stand, wäre bei ausbleibender Verletzung 2023 ziemlich sicher einiges mehr dringewesen. Hoch anzurechnen ist dem Routinier, dass er sich im Vorjahrsvergleich trotz dreimonatiger Zwangspause dennoch um einige Plätze verbessern konnte. Der gelungene Start ins Jahr 2023 macht dem Niederösterreicher aber gleichzeitig Druck für 2024. Einen großen Teil seiner Punkte muss er gleich zu Jahresbeginn verteidigen.