"Ich glaube selber nicht, dass ich noch in die Top Ten komme", meinte Sebastian Ofner im vergangenen Herbst im Rahmen der Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle.
Eine Aussage, für die der sympathische Steirer von manchen kritisiert wurde. Denn warum solle man sich selbst Grenzen setzen, meinte etwa Spieler-Kollege Alexander Zverev.
In einem speziellen, aber auch nicht gänzlich unerheblichen, ATP-Statistik-Ranking hat sich Ofner mittlerweile selbst Lügen gestraft: Bei den sogenannten "Pressure Leaders" findet sich der Schützling von Wolfgang Thiem aktuell sogar in den Top 5!
Darin wird bewertet, wie gut sich Spieler in den letzten 52 Wochen bei den sogenannten "Big Points" geschlagen haben. Wie viele Breakchancen konnten verwertet, wie viele abgewehrt werden? Wie viele Tiebreaks und Entscheidungs-Sätze wurden gewonnen?
Ofner in bester Gesellschaft
Überlegener Spitzenreiter in diesem Ranking ist wenig überraschend der "King of Pressure" Novak Djokovic. Der für seine mentale Stärke weltberühmte Serbe führt in dieser Tabelle vor den beiden aufstrebenden Jungstars Jannik Sinner und Carlos Alcaraz – knapp dahinter rangiert aktuell schon Sebastian Ofner - sozusagen als "Prince of Pressure".
Und der Steirer verweist damit immerhin einen ebenfalls nicht gänzlich unbekannten Daniil Medvedev auf Platz fünf. Der Rest der Weltelite folgt auf den hinteren Plätzen. Es gibt schlechtere Gesellschaften, in denen man sich im heutigen Weltklasse-Tennis befinden könnte.
Under Pressure Leaders - ATP-Statistik
Platz | Spieler | Under Pressure Rating | Breakbälle verwertet | Breakbälle abgewehrt | Tiebreaks Siegquote | Entscheidungssatz Siegquote |
---|---|---|---|---|---|---|
1. | Novak Djokovic | 256.8 | 43.1% | 66.5% | 75.8% | 71.4% |
2. | Jannik Sinner | 242.7 | 42.1% | 69.6% | 57.1% | 73.9% |
3. | Carlos Alcaraz | 242.1 | 40.2% | 64.8% | 70.4% | 66.7% |
4. | Sebastian Ofner | 239.3 | 40.1% | 58.6% | 71.4% | 69.2% |
5. | Daniil Medvedev | 236.3 | 46.4% | 66.2% | 50.0% | 73.7% |
50. | Dominic Thiem | 195.7 | 34,9% | 66,1% | 47,6% | 47,1% |
Aufstieg im ATP-Ranking geht weiter
Im ATP-Ranking ist Ofner zwar freilich noch in anderen Regionen beheimatet, der im letzten Jahr begonnene Aufstieg geht aber auch im Jahr 2024 munter weiter.
Der letztwöchige Halbfinal-Einzug in Hongkong spülte Ofner in dieser Woche erstmals in die Top 40. In Auckland ließ er in dieser Woche einen beeindruckenden Zwei-Satz-Erfolg über den ehemaligen Top-10-Spieler Denis Shapovalov folgen.
Starke Aufschlagleistungen als Grundstein
Vor allem die Aufschlagstärke des ÖTV-Daviscuppers ist aktuell bemerkenswert. Alleine in Hongkong schlug er in seinen vier Matches 54 Asse und machte 77 Prozent seiner Punkte beim ersten Aufschlag. Damit übt Ofner bei seinen Service-Games einen gewaltigen Druck auf seine Gegner aus.
Auch bei seiner Achtelfinal-Niederlage in Auckland gegen den Spanier Roberto Carballes Baena lief es für den Steirer lange Zeit gut. Der Iberer nützte jedoch am Ende des ersten Satzes eine kleine Schwächephase zum entscheidenden Break und nahm das Momentum in den zweiten Durchgang mit.
Da aber auch die Leistung gegen Carballes Baena, abgesehen von dieser kleinen Schwächephase, mehr als ordentlich war, kann Ofner mit breiter Brust die Reise nach Melbourne antreten.
Umstellung auf Melbourne
Möglicherweise ist es sogar von Vorteil, dass es in Auckland nicht mehr weiter nach vorne ging. Durch das Aus im Achtelfinale konnte Ofner schon am Donnerstag zum ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres reisen, um sich am Freitag und Samstag im Training auf die dortigen Bedingungen anzupassen.
"Ich schaue, dass ich gut zurecht komme, gute Trainingseinheiten habe. Dann kann es eh schon sein, dass ich am Sonntag spiele. Deswegen ist nichts Spezielles geplant. Deswegen ist es ganz simpel, dass ich dann topfit für die erste Runde bin", meinte der Steirer.
Erstmals überhaupt in seiner Karriere wird Ofner bei den Australian Open im Hauptbewerb mit dabei sein. Im Vorjahr scheiterte er in der letzten Qualifikationsrunde am Franzosen Laurent Lokoli.
Pikanter Auftakt gegen Publikumsliebling Kokkinakis
Heuer erwartet ihn der australische Lokalmatador Thanasi Kokkinakis. Das frühere Super-Talent ist mittlerweile wie Ofner auch schon 27 Jahre alt und konnte vor allem aufgrund vieler Verletzungen bislang nicht seine großen Versprechungen erfüllen. In den letzten Jahren etablierte er sich aber trotzdem in den Top 100. Aktuell nimmt er mit Rang 65 sogar sein Career High ein.
"Es hätte definitiv einfachere Lose gegeben", weiß Ofner. "Er spielt richtig gut und unangenehm. Zudem werden in Australien alle Fans gegen mich sein. Nichtsdestotrotz ist alles drin, wenn ich gut spiele. Er hat ein ähnliches Spiel wie ich. Das wird sicher ein gutes Match."
Einziges bisheriges Duell gewann Kokkinakis
Bereits vor fünf Jahren trafen Ofner und Kokkinakis schon einmal in der Qualifikation aufeinander. Damals nutzte der "Aussie" seinen Heimvorteil und siegte in zwei Sätzen. Vor allem die Unterstützung des Publikums macht Kokkinakis in "Down Under" doppelt gefährlich.
Vor heimischer Kulisse lieferte der extrovertierte Youngster immer wieder seine denkwürdigsten Leistungen ab. Unvergesslich bleibt vor allem sein sensationeller Triumph im Doppelbewerb der Australian Open an der Seite seines guten Freundes und Tennis-Bad Boy Nick Kyrgios.
Ofner-Match vor großer Kulisse?
Spätestens seit diesem Erfolg hat Kokkinakis bei den australischen Tennis-Fans ein dickes Stein im Brett.
Gut möglich, dass die Partie zwischen Ofner und Kokkinakis auf einem der großen Show-Courts gespielt wird, wo der Funke schnell auf die Fans überspringen und das Tennis-Stadion zur kleinen Hölle werden kann.
Sebastian Ofner wird sich also bei seinem Auftaktspiel auf einiges gefasst machen müssen. Angst muss der Steirer davor aber keine haben. Schließlich ist er ja der "Prince of Pressure".