Das Thema "Cybermobbing" geistert zwar schon seit vielen Jahren durch den Raum bzw. den Tennis-Zirkus, am Donnerstag brachte es Tamira Paszek jedoch neuerlich wieder aufs Tapet.
Die Vorarlbergerin zeigte eine nach einer knappen Niederlage erhaltene Morddrohung auf ihrem Instagram-Account. Absender war ein Sportwetter, der auf einen Sieg von Paszek gesetzt hatte und damit Geld verlor.
"Das ist leider gang und gäbe", sagte Jurij Rodionov emotionslos nach seiner knappen Drei-Satz-Niederlage im Davis-Cup-Auftaktmatch gegen den Portugiesen Nuno Borges in Schwechat. "Viele Spieler sind negativ betroffen."
Auch Top-Spieler nicht geschützt
"Ihr könnt gerne mal den Ofi (Anm.: Sebastian Ofner) fragen, was der alles nach seiner Niederlage in Kitzbühel bekommen hat. Vor seinem Einzel gegen Molcan (Ofner führte bereits mit 6:4, 5:0, verlor dann aber noch) hatte er 30 Kommentare unter seinem letzten Posting, nach der Partie waren es 330 Kommentare. Innerhalb von zwei Stunden haben 300 Wetter wegen der verlorenen Partie auf ihn geschimpft."
Ofner bestätigte nach seinem Davis-Cup-Match gegen Sousa (Spielbericht>>>) den Vorfall. Auch die aktuelle Niederlage gegen den Portugiesen sorgte für eine gut gefüllte Inbox. "Da raschelt's dann immer rein", lächelte der Steirer, der alleine 200 direkte Nachrichten nach Kitzbühel bekam, die Sache weg.
Auch absolute Top-Spieler seien laut Rodionov vor derartigen Angriffen nicht geschützt. "Selbst ein Medvedev bekommt nach seiner Final-Niederlage gegen Djokovic bei den US Open über 1.000 Kommentare."
"Ich fürchte mich nicht, es kann aber weh tun"
Für den 24-jährigen Niederösterreicher sei so etwas zwar klar und deutlich zu verurteilen, er selbst habe damit aber nur bedingt Probleme.
"Ich habe das Glück, dass mir das mehr oder weniger egal ist. Ich fürchte mich nicht. Ab und zu kann es sehr weh tun, wenn man eine ganz bittere Niederlage kassiert hat und eh schon am Boden zerstört ist. Solche Kommentare helfen einem natürlich nicht, aber es gehört einfach dazu", sieht es Rodionov locker.
Ofner stimmt seinem Landsmann zu: "Mich persönlich trifft's jetzt nicht so, aber ich weiß, dass es anderen Spielern mehr am Herzen liegt. Außer es schreibt jemand, dass mich jemand beim nächsten Turnier von mir besuchen will. Das melde ich dann aber auch der ATP." Die ATP verfolge dann den Account und gibt die Daten auch an die jeweilige Landespolizei weiter. Viele dieser Beschimpfungen kommen freilich von Fake-Accounts, eine Verfolgung ist dadurch oft nur schwer möglich.
"Man muss es akzeptieren, weil es keinen anderen Weg gibt", zeigt sich Rodionov pragmatisch. "Wenn man sein Konto privat macht, muss man entscheiden, wer einem folgt und wer nicht. Den Account habe ich aber ja für die Fans und die Medien. Social Media gehört in der heutigen Zeit einfach dazu."
"Für Frauen ist es schlimmer als für Männer"
Rodionov streicht allerdings heraus, dass sich Männer seiner Meinung nach mit diesen Situationen deutlich leichter tun als Frauen. "Für Frauen ist es auf jeden Fall schlimmer als für Männer, weil sie viel persönlicher angegriffen werden. Niemand sagt zu mir: 'Ich weiß, wo du wohnst und ich vergewaltige dich!' Das ist eine Stufe höher als das, was ich bekomme. Die Angriffe auf Männer sind nicht persönlich auf den Spieler, sondern auf das Umfeld. Ich bekomme selten 'Ich finde dich' oder 'ich weiß, wo du wohnst'.“
Bei seinem Einstieg in sein Leben als Tennis-Profi suchte Rodionov sogar noch die Interaktion mit den Cyber-Mobbern. "Als ich 17, 18 Jahre alt war, war ich noch ein bisschen naiver", blickt er schmunzelnd zurück.
"Da habe ich manchen einfach zurückgeschrieben. Wenn jemand mich als "Arschloch" beschimpft hat, habe ich ihm zurückgeschrieben, dass er herkommen soll und wir prügeln uns. Oft ist dann zurückgekommen, dass es ihnen leid tut und sie gesagt haben: 'Tut mir leid. Ich habe so viel Geld verloren und ich musste das irgendwie wegbekommen.' Zwei, drei von denen sind jetzt sogar Fans von mir. Aber das ist natürlich trotzdem kein Grund, so etwas zu machen."
Rodionov versteht Zorn auf Spieler nicht
Für Rodionov sei es sowieso unverständlich, warum ausgerechnet die Spieler vom Frustabbau der Sportwetten-Zocker betroffen sind. "Ich verstehe sowieso nicht, warum man auf Spieler wettet und danach die Schuld beim Spieler sucht und nicht bei sich selbst. Es gibt auch Wiederholungstäter, die mir schon zehn Mal oder öfter geschrieben haben."
Eine Besserung der Situation erwartet Rodionov nicht: "Es gehört leider dazu. Was sollen Instagram, die ATP oder die FIFA unternehmen? Das sind große Konzerne, die nur an Geld interessiert sind und der Wettsport bringt einfach zuviel Geld ein. Ich sehe auch keinen gesetzlichen Weg, wie man das umsetzen könnte."
Für ihn selbst sei es auf jeden Fall kein Grund, auf soziale Medien zu verzichten. "Ich glaube, dass soziale Medien zum Alltag gehören. Sowohl für Ältere als auch für Jüngere als mich. Social Media sind die moderne Zeitung. Ich hole mir dort ja auch die Nachrichten, wie zum Beispiel, dass die Halep gesperrt ist."
Wobei es diese Informationen freilich auch auf Sportportalen wie LAOLA1 gibt. Und wer hier im Kommentarbereich wütet, wird gesperrt. Versprochen!