Österreichs Tennis hat an diesem Wochenende ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben.
Durch den 4:0-Erfolg über Finnland gehören die ÖTV-Männer im Davis Cup in diesem Jahr immerhin zu den 15 besten Nationen der Welt.
In der zweiten Qualifikationsrunde kämpft die Truppe von ÖTV-Kapitän Jürgen Melzer nun im September in Ungarn um die Teilnahme am Finalturnier der besten Acht in Bologna.
Gastgeber Italien ist dafür bereits fix qualifiziert. 14 andere Nationen kämpfen um die restlichen verbliebenen sieben Startplätze.
Keine Top-100-Spieler, aber potenzielle Kandidaten
"Die Dramaturgie hat gepasst. So eine Woche zeigt auch, dass Tennis in Österreich lebt", freut sich Melzer über die in Schwechat geschaffenen positiven Vibes. "Es ist sehr wichtig, dass wir unseren Sport im Heimatland gut präsentiert haben."
Natürlich ist die aktuelle Weltranglisten-Situation aus rot-weiß-roter Sicht nicht unbedingt zufriedenstellend. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen gibt es derzeit keinen Top-100-Spieler. Nur bei den Doppel-Männern spielen Alexander Erler und Lucas Miedler ganz vorne mit.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass sich gleich einige Akteure in Angriffsreichweite befinden, um zumindest mittelfristig den Sprung in diesen erlesenen Kreis schaffen zu können.
Sebastian Ofner (ATP 120), Jurij Rodionov (ATP 155), Lukas Neumayer (ATP 219), Filip Misolic (314) und Youngster Joel Schwärzler (ATP 320) haben allesamt das erklärte Ziel, die Top 100 erstmals bzw. erneut zu knacken.
Vor allem Lukas Neumayer, der in Schwechat mit seinem Drei-Satz-Sieg über Top-100-Mann Otto Virtanen überzeugen konnte, ist zuversichtlich, was die nahe Zukunft betrifft.
"Wir fünf können nächstes Jahr sicher alle unter die Top 100 kommen. Dann hätten wir im besten Fall sogar vier, fünf Top-100-Spieler", sieht der 22-jährige Salzburger "Tennis-Österreich schon ganz gut aufgestellt, auch wenn wir jetzt nicht mehr diesen einen Top-10-Spieler haben".
Ofner stand sogar schon in den Top 40, ehe der Steirer wegen seiner Fuß-Operationen im September vergangenen Jahres wieder zurückgeworfen wurde. Im März will er mit einem Protected Ranking sein Comeback feiern.
"Spieler haben noch nicht den Plafond erreicht"
Ähnlich wie Neumayer sieht es Melzer, der allen Genannten die Fähigkeit bescheinigt, im Ranking weiter nach oben rücken zu können. Rodionov und Ofner haben dies ja sogar bereits einmal geschafft.
"Wir haben im Moment keinen Top-100-Spieler, aber wir haben Leute, die das Potenzial haben, dorthin zu kommen", meint der ehemalige Weltranglisten-Achte, der neben Schwärzler auch auf das Potenzial des 18-jährigen Nico Hipfl und des 16-jährigen Thilo Behrmann verweist. Letzterer bestritt vor Kurzem in Melbourne bei den Australian Open sein erstes Grand-Slam-Turnier im Juniorenbewerb.
"Die Spieler, die wir aktuell im Davis-Cup-Team haben, haben alle noch nicht den Plafond erreicht", so Melzer, der darauf hofft, dass die positiven Erlebnisse beim Davis Cup in Schwechat einen kleinen Beitrag dazu geben können.
"Die Burschen können aus solchen Wochen Selbstvertrauen mitnehmen. Man sieht in der Halle, dass das Tennis heute gelebt hat."
Diese 20 Österreicher knackten die Top 100 des ATP-Rankings
Hilfreich sei der gute Teamspirit bei den ÖTV-Männern. Laut Neumayer würden sich alle auf dem gleichen Level begegnen. Keiner der Akteure stelle einen Führungs-Anspruch oder fordere Extrawürste: "Es gibt keinen wirklichen Leader im Team. Wir verstehen uns alle extrem gut."
Rodionov und Misolic wollen zurück zu alten Stärken finden
So wichtig die gemeinsamen Erfolge als Team sind, am Ende des Tages steht man im Tennis freilich alleine auf dem Platz. Dementsprechend muss auch jeder Spieler selbst schauen, wie es für ihn am besten nach oben gehen könnte.
Laut Rodionov freue man sich natürlich über die Erfolge der Landsleute mit, echte Gedanken über deren Entwicklung könne man sich aber auch nicht machen.
"Es gibt viele Spieler, die das Potenzial haben", sagte der Niederösterreicher, als er auf die Möglichkeiten seiner Teamkollegen angesprochen wurde.
"Ich bin aber zu dem Entschluss gekommen, dass Tennis ein Einzelsport ist, und ich habe selbst schon genug Sorgen, da muss ich mich nicht auf alle anderen konzentrieren. Da würde ich wahrscheinlich in der Klapse landen, wenn ich mir über jeden Gedanken mache. Ich habe mit mir schon genug zu tun."
"Ich habe viele Punkte, wo ich noch besser werden muss. Und an denen muss gearbeitet werden", weiß Rodionov, der es im ATP-Ranking schon einmal auf Rang 87 schaffte.
Auch Misolic ist derzeit als 314. weit von seinem Career High von 126 entfernt. Nach einem verpatzten letzten Jahr will aber auch der Steirer bald wieder durchstarten.
"Mein hauptsächliches Ziel sind weiter die Top 100, aber da bin ich vom Ranking natürlich weit entfernt. Jetzt fokussiere ich mich wieder auf mein Spiel, dass ich wieder bessere Ergebnisse kriege", so Misolic, der derzeit noch auf der Suche nach einem neuen Trainer ist.
Hoffnungsschimmer auch bei den ÖTV-Frauen
Es tut sich also etwas im heimischen Tennis. Vergessen wir auch nicht, dass in derselben Woche ein WTA-500-Turnier in Linz über die Bühne ging. Mit Top-Spielerinnen und diesmal sogar – erstmals nach zehn Jahren – wieder mit zwei Österreicherinnen im Hauptfeld.
Auch wenn weder Julia Grabher noch Qualifikantin Sinja Kraus für den ersten Hauptbewerbs-Sieg einer Österreicherin seit 2013 sorgen konnten, keimt auch bei den ÖTV-Frauen leichte Hoffnung auf, dass sich bald wieder etwas rot-weiß-rote Farbe in die Top 100 mischen könnte.
Mit Lilli Tagger (16), Anna Pircher (14) und Lea Haider-Maurer (14) gibt es zudem wie bei den Männern einige hoffnungsvolle Talente, die in den kommenden Jahren weiter nach vorne rücken könnten.
"Feiern wir die, die wir haben und jammern nicht dem nach, was fehlt", meinte Melzer im Rahmen des Davis-Cup-Wochenendes bezüglich der aktuellen Situation.
Zumindest an diesem Wochenende ist Feiern auf jeden Fall erlaubt.