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Muster: "Die Spieler jammern mehr und verdienen mehr"

Österreichs Filzball-Legende Thomas Muster spricht über die Generationsunterschiede im Tennis und das Potenzial von Top-Talent Joel Schwärzler.

Muster: Foto: © Florian Rogner

Nach dem bevorstehenden Rücktritt von Top-Star Dominic Thiem ruhen die Hoffnungen der österreichischen Tennis-Fans nur mehr auf wenigen Schultern.

Mit seinen gerade einmal erst 18 Jahren steht Joel Schwärzler zwar erst am Beginn seiner Reise, mit dem Sprung an die Spitze der Junioren-Weltrangliste und seinem Challenger-Titel in Skopje vor ein paar Monaten hat der Vorarlberger aber bereits bewiesen, dass einiges Potenzial in ihm steckt.

Vor Kurzem gab Schwärzler die Trennung vom ÖTV und seinem Trainer Jürgen Melzer bekannt. Der Youngster wolle sich ein eigenes Team aufbauen.

Aufgrund des spanischen Managers Galo Blanco ist es durchaus wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein internationales Team handeln könnte.

Geht es nach Österreichs Tennis-Legende Thomas Muster, wäre das eine durchaus vernünftige Entscheidung: "Wenn du in Österreich der Beste werden willst, musst du weg. Du musst dir deine Hörner woanders abstoßen und andere Quellen anzapfen - das hab ich auch gemacht", meinte Muster bei der Eröffnung der Ausstellung "Official Tennis Experience" in der Wiener Stadthalle gegenüber einer kleinen Journalistenrunde.

Was die Vorteile an einem Sprung ins Ausland sind, worin die Unterschiede zu früheren Zeiten liegen und wie er zum Fall "Jannik Sinner" steht, lest ihr in den kommenden Zeilen. Zudem verrät Muster auch einige private Familienangelegenheiten.

Frage: 50 Jahre Stadthalle - und du bist seit vielen Jahrzehnten ein nicht wegzudenkender Teil von diesem österreichischen Tennis-Klassiker. Wie hat sich dieses Turnier in den letzten Jahrzehnten verändert? Was war das für eine Reise?

Thomas Muster: Das Turnier war immer schon eines der größten. Fast alle großen Stars haben hier gespielt. Von den Besten der Besten haben eigentlich nur Jim Courier, Björn Borg und Rafael Nadal gefehlt. Diese Halle hat also schon ein paar Spieler gesehen. Deshalb gibt's ja auch heuer diese Ausstellung in der Stadthalle, damit man in die Zeit zurückschauen kann. Natürlich hat sich vieles im Umfeld verändert. Es ist ein bisschen elitärer geworden. Früher war alles ein bisschen einfacher. Es hat kein Player Gym gegeben, hast für das Essen einfach nur ein Essens-Markerl bekommen, mit dem dir du vielleicht eine Käsekrainer holen hast können. Die haben damals aber auch hart gespielt. Aber so entwickelt sich nun mal der Sport. Es war damals großartig und heute ist es das auch noch.

Frage: Wie sieht es in Zukunft mit österreichischen Erfolgen in der Stadthalle aus?

Muster: Der eine (Sebastian Ofner) ist leider verletzt und der andere (Joel Schwärzler) geht jetzt einen neuen Weg ohne Jürgen Melzer. Über Schwärzler kann ich wenig sagen. In der Jugend waren schon viele gut. 

Muster und Schwärzler lernten sich letztes Jahr kennen
Foto: © GEPA

Frage: Ist der ausländische Weg gut für Joel Schwärzler?

Muster: Ja, weil wenn du in Österreich der Beste werden willst, musst du weg. Du musst dir deine Hörner woanders abstoßen und andere Quellen anzapfen - das hab ich auch gemacht. Obwohl die meisten immer behauptet haben, dass ich als Steuerflüchtling nach Monaco gezogen bin - das stimmt nicht. Ich habe mir damals gerade mal mit Ronnie Leitgeb ein gemeinsames Zimmer teilen können. Das war aber ein smarter Move. Borg, Wilander, Becker - die waren damals alle in Monaco. Das Beste, was ich machen konnte, war, dort zu lernen. Du kannst dort das ganze Jahr Tennis spielen. Früher gab es noch nicht so viele Tennishallen und in Monaco konntest du das ganze Jahr über trainieren. Wenn man der Beste im Land ist, muss man das Weite suchen. Ich habe mit 16 Jahren die Staatsmeisterschaften gewonnen und habe damals Peter Feigl und den Kandler geschlagen.

Frage: Du hattest mit Ronnie aber einen österreichischen Coach. Birgt ein ausländischer Trainer nicht auch Gefahren, vielleicht etwas verloren zu gehen, wenn er eine andere Sprache spricht?

Muster: Erfolgreiches Tennis ist international. Natürlich ist das dann nicht so greifbar. Aber das ist bei einem internationalen Sport nun mal so.

Frage: Wenn Joel dich um Hilfe bitten würde, würdest du ihm helfen?

Muster: Ja, ich würde ihm helfen. Mit bestem Wissen und Gewissen. Ich würde mich aber nie anbieten. Ich will ihn auch nicht coachen. Wenn er eine Frage hat, werde ich sie ihm aber beantworten. Wir haben uns letztes Jahr bei Tom's Talk kennengelernt. Tennis ist Tennis - der Sport bleibt der Gleiche. Es gibt Gesetzmäßigkeiten, die sich nicht verändern werden.

Frage: Was ist der größte Unterschied zwischen der Generation von heute zu jener von damals?

Muster: Die Spieler jammern mehr und verdienen wesentlich mehr (lacht). Was aber okay ist, es ist ein harter Sport. Das ist aber bei jeder alten Generation so. Uns hat damals die alte Generation auch schon erzählt, dass wir es jetzt schön haben. Dieser Trend geht bis zur Generation, als es in Wimbledon noch keine Sessel für die Spieler gab und deshalb die ATP gegründet wurde, damit sich die Spieler während dem Seitenwechsel niedersetzen können. Das wissen viele Spieler heutzutage gar nicht mehr.

Frage: Was für einen Tipp kannst du einem jungen Spieler heute geben?

Muster: Kämpfen, beißen und den Hintern aufreißen. Einfach etwas tun. Es wird dir nichts geschenkt und es gibt hunderttausende Spieler, die das Gleiche vorhaben. Es haben aber nur zehn Spieler Platz unter den ersten Zehn.

Frage: Das wirft Erinnerungen auf: Du hast bei deinem Comeback damals mit über 40 Jahren um Mitternacht in der Stadthalle trainiert und dir danach noch eine Käsekrainer bringen lassen. Davor war die Intensität aber so hoch, wie in vielen anderen Trainings nicht. 

Wenn du heute bei einem 500er in Barcelona fragst, ob du um 5 Uhr in der Früh einspielen kannst, fragen sie dich, ob du einen Vogel hast.

Früher war eben doch nicht alles besser

Muster: Damals war ja sonst kein Trainings-Platz zu bekommen. Du musstest entweder um 6 Uhr in der Früh oder nach dem letzten Match trainieren. Ich habe immer so intensiv trainiert. Ich kann das gar nicht anders. Das machen die heutzutage aber anders. Das findest du nicht mehr. Witzigerweise findest du heute auch immer einen Trainingsplatz. Wir haben früher damals teilweise zu sechst auf einem Platz gespielt. Warm-Up in Barcelona - 1,2,3 in der Mitte. Wenn du heute bei einem 500er in Barcelona fragst, ob du um 5 Uhr in der Früh einspielen kannst, fragen sie dich, ob du einen Vogel hast. Heute wollen manche Spieler auch nicht mit anderen trainieren. Früher habe ich mich auf Platz 1 mit "Muster" eingetragen und dann hat sich halt einer dazu geschrieben. Zu viert war ganz normal. Du hattest keinen Anspruch auf einen Platz für dich alleine. Du musstest weite Wege gehen. Das macht heutzutage ja keiner mehr.

Frage: Was ist deine Meinung im Fall "Jannik Sinner", dem nach seinen positiven Dopingproben nun eine Sperre droht, obwohl er ursprünglich schon freigesprochen worden ist?

Muster: Das ist eine schwierige Frage. Ich mag den Sinner und würde ihm nie Vorsätzlichkeit unterstellen. Wie die geringe Menge in seinen Körper gekommen ist, hat er uns erklärt. Wenn du das durchgehen lässt, öffnest du allerdings Tür und Tor für andere Fälle. Wo ziehst du eine Grenze? Ich unterstelle ihm aber gar nichts. Ich bin der Erste, der sagt: "Bitte sperrt's ihn nicht!" Aber es gibt eben Regeln und es sind Leute für so etwas auch schon gesperrt worden. Wo fängst du an und wo hörst du auf? Es ist sehr, sehr schwierig und ein unglaublicher Grenzfall. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss.

Frage: In den letzten Jahren wurde die heimische Turnierlandschaft stark ausgebaut, so haben wir beispielsweise mittlerweile vier Challenger im Land. Wie wichtig ist das deiner Meinung nach?

Muster: Das ist total wichtig und das sieht man auch bei den Spaniern und Italienern. Die machen ganz viele Turniere im unteren Bereich. Dadurch können die heimischen Spieler viele Matches und Turniere bestreiten, was ganz wichtig für deren Entwicklung ist. Der Weg nach oben ist nicht leicht und wir sind damals unter anderem noch nach Lagos geflogen, um Punkte für die Weltrangliste zu sammeln. Das ist dann natürlich super, wenn man im eigenen Land Punkte holen kann. Dafür brauchst du natürlich ein Umfeld bzw. einen Verband, der so etwas auch unterstützt. Wichtig ist es auch, eine gewisse Breite zu haben - sonst bringen dir die Turniere auch nichts.

Frage: Die Sozialen Medien sind für die Spieler gewissermaßen Fluch und Segen zugleich. Zum einen fördern sie natürlich die Popularität, zum anderen sorgen sie natürlich für regelrechte Hass-Attacken. Bist du froh, dass du damals keine Sozialen Medien hattest?

Muster: Ich habe immer noch kein Social Media und finde das perfekt. Ich möchte es mir gar nicht ausmalen oder darüber nachdenken, was damals gewesen wäre, wenn wir das schon gehabt hätten.

Frage: Wie schaut es bei dir derzeit in deinem privaten Umfeld aus? Man munkelt, dass du einen Umzug planst? 

Muster: Da habe ich schon viel Blödsinn über dieses Thema gelesen in der letzten Zeit. Ich habe weiterhin meinen Hauptwohnsitz in Graz, plane aber einen Umzug an den Wörthersee in Kärnten. Meine Tochter geht in die Sport-HAK in Schladming ins Internat und deshalb ist die Nähe zur Riesner Alm auch gegeben. Sie fährt sehr gerne Skier, deshalb bewegen wir uns im Dreieck Riesner-Alm, Kärnten und Graz. Mein Sohn ist gerade beim österreichischen Bundesheer und dabei abzudienen.


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