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Kampf den Hass-Postings - Tennis-Österreich sucht Lösungen

Spielerbetreuung, Registrierungen, Klarnamenpflicht, Strafverfolgung - der ÖTV verfolgt viele Ansätze, um eine verwerfliche Entwicklung zu stoppen.

Kampf den Hass-Postings - Tennis-Österreich sucht Lösungen Foto: © MidjourneyGEPA

"Normalerweise müsste ich seit zehn Jahren tot sein, bei der Anzahl an Morddrohungen, die ich schon bekommen habe", meint ein abgebrühter Lucas Miedler zu einer vom heimischen Tennis-Verband bei einem Pressetermin am vergangenen Freitag gestarteten Diskussion über das Problem der Hass-Postings gegen Athleten, Betreuer und deren Familien.

"Schon nach meiner ersten verschnittenen Future-Partie habe ich welche bekommen. Ganz unten auf Future-Ebene sind eh die schlimmsten. Oben geht’s dann eh gediegener zu“, nimmt’s der Doppel-Spezialist mit Galgenhumor.

Wobei selbst dieser schwer fällt, wenn wegen verlorener Fünf-Euro-Wetten nahen Familien-Mitgliedern lebensbedrohende Krankheiten an den Hals gewünscht oder auch die Social-Accounts der Freundin angegriffen werden.

Kein neues Phänomen

Wie Miedler schon anmerken ließ, ist das Phänomen der Hass-Postings kein neues. Schon Jürgen Melzer, heute ÖTV-Sportdirektor und Davis-Cup-Kapitän, wurde in seiner aktiven Zeit mit zahlreichen Nachrichten bombardiert (Bericht>>>).

"Ich glaube nicht, dass es schlimmer geworden ist. Ich selbst bin zu meiner aktiven Zeit auch schon extrem beschimpft worden", so Melzer. "Es ist ein Problem, das behandelt gehört. Das sage ich eh schon seit zehn Jahren.“

Dementsprechend engagiert zeigt sich der mittlerweile 42-jährige Niederösterreicher bei diesem Thema auch. Noch Ende des vergangenen Jahres präsentierte der ÖTV seine neu gegründete Taskforce gegen Hass und Gewalt im Netz. Auslöser war die im Herbst von ihr selbst öffentlich gemachten Todesdrohungen an Tamira Paszek (Bericht>>>).

"Da werden Grenzen überschritten"

"Da werden Grenzen überschritten. Ich war selbst überrascht, wie tief die Beleidigungen sind", zeigte sich ÖTV-Geschäftsführer Thomas Schweda über die extremen Ausmaße derartiger Nachrichten überrascht.

"Es steht keinem das Recht zu, in so einer Art und Weise zu über andere Menschen herzuziehen. Ob das jetzt die Nummer 1 oder die Nummer 500 der Welt ist. Es darf niemand für seine Arbeit so diffamiert werden", so Schweda, der vor zwei Wochen auch noch das Social-Media-Posting initiierte, in dem Dominic Thiem nach dessen Erstrunden-Niederlage bei den Australian Open verteidigt worden ist und das für viel positive Resonanz in der heimischen Tennis-Welt sorgte.

"Das Posting ist von Tomi Schweda ausgegangen, der einfach mal 'enough is enough' gesagt hat", so Melzer, der aber auch aus eigener Erfahrung weiß: "Das ist ein zweischneidiges Schwert, weil sehr viel darüber berichtet worden ist. Oft ist es gescheiter, dass du den Wind vorbeiziehen lässt, weil du die Leute eh nicht ändern kannst."

ÖTV-Taskforce soll Betroffenen helfen

Vielleicht keine Veränderung, aber zumindest eine Hilfe für die Betroffenen soll in jedem Fall die neue ÖTV-Taskforce, die übrigens vom ÖTV-Hauptsponsor win2day finanziert wird, bewirken (Bericht>>>). Über 60 Spieler und Spielerinnen wurden vom Verband angeschrieben und zu Workshops eingeladen, wo sie im Umgang mit Hass-Nachrichten geschult wurden bzw. auch in Zukunft werden.

"Die Resonanz war sehr gut", so Schweda, der auch im Präsidium des Vereins "Play Fair Code" sitzt, der gemeinsam mit dem Sportministerium über eine "einheitliche Anlaufstelle für alle Sportarten" diskutiert.

Strafrechtliche Verfolgung von Hass-Postings?

Zudem stehe man mit einer Kanzlei in London in Kontakt, um eine technische Lösung zu finden, damit die Spieler erhaltene Hass-Nachrichten in einem einfachen Prozess weitergeben können. "Dafür müssten die Spieler uns Zugriff auf ihre Devices erteilen."

Die Betonung liege hier laut Melzer auf "einfach": "Wichtig ist, dass der Aufwand für den Spieler minimalst ist. Beim Wetten gibt es zum Beispiel eine Anlaufstelle, bei der man melden kann, wenn man von jemandem angesprochen wird. Ich habe das in meiner aktiven Karriere selbst zwei, drei Mal gemacht und das ist ein Husarenritt sondergleichen. Da musst du von Pontius zu Pilatus laufen und dementsprechend überlegst du es dir dann vier Mal, ob du dir das überhaupt antun willst."

"Das muss so ablaufen: 'Hier habt ihr meine Zugangsdaten. Holt’s euch den Dodel!' Und ich hab damit nichts mehr zu tun, außer, wenn ich vielleicht eine Aussage machen muss", so Melzer, der die Verfolgung der Übeltäter für unabdingbar hält.

SV- oder Pass-Nummer bei Registrierung?

"Das einzige Richtige wäre, wenn mal irgendeiner von denen auch zur Verantwortung gezogen wird und entweder eine richtig deftige Geldstrafe zahlen muss oder – falls er es sich nicht leisten kann – auch einmal im Gefängnis sitzt. Dann hätten wir das Thema ganz schnell erledigt", so Melzer, der dementsprechend auch dafür plädiert, dass man sich nur mehr mit der Angabe einer Sozialversicherungsnummer oder der Passnummer für Kommentar-Foren oder soziale Medien registrieren kann. "Dann hättest du etwas in der Hand, falls etwas passieren würde." Auch eine Klarnamenpflicht würde Sinn machen.

Schweda stimmt zu: "Am schönsten wäre es natürlich, wenn wir einmal einen erwischen und der sich wirklich vor einem Gericht verantworten muss und dafür 50.000 oder 100.000 Euro zahlen muss.“

Rechtsrahmen muss erst geschaffen werden

Dafür müsse freilich auch erst der notwendige Rechtsrahmen geschaffen werden. ÖTV-Vizepräsident Georg Blumauer, seines Zeichens ehemaliger Davis-Cup-Spieler und mittlerweile Chef seiner eigenen Anwaltskanzlei erklärt: "Das Recht hat bei diesen neuen Entwicklungen oft das Problem, dass es hinterherhinkt und reaktiv ist. Du musst einmal einen Rechtsrahmen schaffen, damit du diese unterschiedlichen Formen von vermeintlichen Gesetzesverletzungen auch zu echten Gesetzesverletzungen werden lässt."

Die Diskussion über die Hass-Postings beschäftigt die (Tennis-) Welt.
Foto: © GEPA

"Dann hast du das Problem der Umsetzung des Gesetzes und die Verfolgung dieses Vergehens ist ein weiteres Problem. Außerdem kannst du ja nicht jedes Posting angehen. Eine Todesdrohung ist klar, aber Beschimpfungen sind wieder eine andere Geschichte", gibt Blumauer einen kurzen Einblick in die komplexe Materie.

Melzer nimmt auch Medien in die Verantwortung

Melzer nimmt in dieser Diskussion aber auch die Medien in die Verantwortung. Schließlich herrsche auch in fast allen Kommentarbereichen ein oftmals rüder Umgangston, der nur schwierig unter Kontrolle zu bringen ist. Zudem würden die Medien manches Mal die User regelrecht zu negativen Kommentaren aufstacheln.

Wobei der ehemalige Weltranglisten-Achte aber auch durchaus Verständnis zeigt: "Das ist halt der Content, der die Klicks bringt. Ich versteh' schon das Problem und ich will auch nicht derjenige sein, der diese Fülle an Postings kontrollieren muss."

Nichtsdestotrotz: "Ich glaube, dass es da auch von Seiten der Medien ein Umdenken geben muss. Die Medien müssten sich da ganz offen dagegenstellen und alles raushauen, was irgendwie möglich ist."

Attacken auf Thiem – "Das zermürbt dich irgendwann"

Denn eines sei klar: Auch Spieler sind nur Menschen, die solche Anfeindungen erst einmal wegstecken müssen. Vor allem Dominic Thiem steht beispielsweise seit einem Comeback nach seiner schwierigen Handgelenksverletzung in der Öffentlichkeit extrem unter Beschuss. Bei fast jedem Artikel über den ehemaligen Weltranglisten-Dritten wird er beschimpft und ihm in unfreundlichen Worten der baldige Rücktritt nahegelegt.

"Es hängt extrem davon ab, wie du gebaut bist. Bei Spielern, die nicht der Dominic sind, ist es ja weniger. Wenn du aber in jedem Artikel, der über dich geschrieben wird, tausende Kommentare hast, wovon dir 50 Prozent 'den Tod wünschen' – und das jedes Mal - das zermürbt dich schon irgendwann. Das ist Mobbing", so Melzer, den bei solchen Fällen vor allem eine Aussage nervt: "Verdienst eh soviel. Das musst aushalten."

Denn zum einen sei es fast unmöglich, sich dem ganzen zu entziehen ("Selbst wenn du es nicht liest, es erzählen dir dann 68 Leute"). Zum anderen beträfe es die ganze Familie: "Wie kommt mein Vater dazu, so etwas über seinen Sohn zu lesen? Oder die eigenen Kinder über ihre Eltern?"

Thiem: "Gut, dass dieses Thema angesprochen wird“

Thiem selbst hält sich bei den Diskussionen um die Hass-Postings meist zurück. Wohl in dem Wissen, dass es bei einer Einmischung seiner Person wohl noch mehr Aufregung geben würde.

"Dominic will da normal keine Angriffsfläche bieten", zeigt Melzer für sein Verhalten Verständnis. Wobei auch Thiem die Initiative des ÖTV nicht verborgen blieb und er diese am Dienstag bei seiner Pressekonferenz in Schörfling auch lobte.

"Ich habe es generell gut gefunden, dass dieses Thema angesprochen wird, weil ja nicht nur ich davon betroffen bin, sondern jeder Tennisspieler - egal auf welchem Level. Von ganz jung – wo es ja viel schlimmer ist – bis ganz rauf, wo einer selbst dann beschimpft wird, wenn er in drei statt zwei Sätzen gewinnt", so Thiem, dem dieses Verhalten nicht nur im Sport sauer aufstößt.

"Es ist ein ziemlich weitgehendes Problem, dass man Sportler und auch Menschen in anderen Bereichen so beschimpft. Das einzige Wort, das mir dazu einfällt, ist 'unnötig'", meint der US-Open-Gewinner von 2020.

"Was geht in so einem Menschen vor?"

Das große Unverständnis über die Hass-Postings teilt Thiem mit Melzer: "Vielleicht bin ich dafür auch ein, zwei Jahre zu lang in die Schule gegangen: Ich kann’s mir einfach nicht vorstellen, was in einem Menschen vorgehen muss, damit mir das von meinen Fingern fällt."

Und Miedler fragt sich ebenfalls: "Was geht in so einem Menschen vor? Ich find's ja fast schockierender, wieviel Zeit die Leute haben. Die können ja sonst nichts haben in ihrem Leben."

Fragen, die die Betroffenen wohl nur für sich selbst beantworten können.

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