"Gras ist nur etwas für Kühe", meinte einst Thomas Muster angesichts seiner eher bescheidenen Vorstellungen auf Rasen. Gerade mal acht von 18 Spielen konnte der Steirer in seiner Karriere auf diesem Belag gewinnen.
Auf dem "Heiligen Rasen" von Wimbledon blieb er gar ohne Sieg – als einziger Weltranglisten-Erster der Geschichte!
Wer damals schon regelmäßig das Geschehen im Tennis-Zirkus verfolgte, wusste also, dass sich rot-weiß-rote Erfolge nach der oft glanzvollen Sandplatz-Zeit in der Rasen-Saison in Grenzen halten würden.
Österreich war und ist eine Sandplatz-Nation, wodurch die meisten heimischen Spieler immer schon so ihre Probleme auf dem ungewohnten Untergrund hatten.
Neben kleinen Achtungserfolgen von Alex Antonitsch gelang es erst im Jahr 1999 Jürgen Melzer stärkere Duftnoten zu setzen: Der Niederösterreicher gewann den Junioren-Bewerb und sollte später auch noch im Doppel (2010 mit Philipp Petzschner) und Mixed (2011 mit Iveta Benesova) triumphieren.
Extrem kurze Ballwechsel in den 90ern
In diesem Zeitraum vollzog sich aber auch ein grundsätzlicher Wandel im Tennis-Sport: Nach der Dominanz der Aufschlag- und Volley-Spezialisten in den 90ern, versuchten die Verantwortlichen das Spiel auf Rasen jenem der anderen Beläge anzugleichen.
Denn viele hatten genug von nur wenigen Sekunden währenden Ballwechseln, die sich durch den flachen Ball-Absprung auf Rasen und den immer höher werdenden Geschwindigkeiten ergaben. Ein Großteil der Punkte war bereits nach dem Aufschlag entschieden, die meisten gespielten Sätze wurden von einem einzigen Break entschieden, oft musste erst ein Tiebreak die Entscheidung bringen.
Starke Aufschläger wie Goran Ivanisevic, Richard Krajicek, Pete Sampras oder Patrick Rafter bestimmten in Wimbledon das Geschehen. Das Finale 1994 zwischen Sampras und Ivanisevic hatte kaum Ballwechsel von mehr als drei Schlägen zu bieten. Grundlinien-Spezialisten wie Muster oder die zahlreichen Spanier und Südamerikaner blieben auf Rasen außen vor.
Jahrtausendwechsel brachte neues Zeitalter
Spätestens mit dem Jahrtausendwechsel brach ein neues Zeitalter im Rasen-Tennis an. Die Bälle wurden weicher, die Plätze langsamer (die Schnittrichtung wurde beispielsweise geändert) gemacht. Der Aufschlag hat auf Rasen zwar immer noch eine höhere Bedeutung als auf anderen Belägen, trotzdem haben nun auch die "Baseliner" eine Chance auf große Titel.
Die schönsten Momente in der Karriere von Dominic Thiem
Das bewies spätestens im Jahr 2008 Rafael Nadal, als der damals vierfache French-Open-Gewinner und ausgewiesene Sandplatz-Spezialist aus Mallorca mit seinem Finalsieg über Rasen-König Roger Federer plötzlich auch in Wimbledon triumphierte. Auch ein Dominic Thiem sicherte sich in Stuttgart 2016 bereits früh in seiner Karriere einen Rasen-Titel – was mit seiner Spielanlage mit dem extremen Topspin in den 90ern wohl unerreichbar gewesen wäre.
Unterschiede zu Sand- und Hartplatz sind zwar immer noch gegeben - so ist vor allem der Ballabsprung deutlich flacher - trotzdem sind die spielerischen Unterschiede auf den ersten Blick nur mehr marginal. Teilweise wirkt es bei TV-Übertragungen wie bei einem Computerspiel aus den 90ern, bei dem man nur den farblichen Hintergrund wechselte, die Spielmechanik aber unverändert blieb.
Kritik an fehlenden Belagsunterschieden
Ein Umstand, der allerdings auch teilweise für Kritik sorgt. Denn gerade die Unterschiede der verschiedenen Beläge haben im vergangenen Jahrhundert auch für ein besonderes Flair gesorgt. Die verschiedenen Spielstile der Akteure brachten mehr Abwechslung ins Spiel. Zudem beeindruckte es umso mehr, wenn ein Allrounder wie Andre Agassi auf allen Belägen in der Weltklasse mitmischen konnte.
Auf der anderen Seite steht auch außer Frage, dass die aktuellen Grundlinien-Duelle nicht umsonst für Begeisterung sorgen und einen erheblichen Anteil am Tennis-Boom der letzten Jahre beigetragen haben. Das "Bumm-Bumm-Tennis" der 90er Jahre sorgte am Ende vielleicht auch für Spannung, auf Dauer brachte es aber auch eine gewisse Eintönigkeit mit sich.
Klar ist, dass das Rasen-Tennis auf jeden Fall eine Zukunft haben sollte. Alleine schon deshalb, weil das moderne Tennis auf diesem Belag Ende des 19. Jahrhunderts seinen Ursprung hatte. Durch die Verlängerung der Rasen-Saison um eine Woche, wodurch nun drei Wochen Vorbereitungszeit auf Wimbledon möglich sind, wurde diesbezüglich schon vor einiger Zeit ein wichtiger Schritt getan.
Was jetzt noch fehlt, wäre ein ATP-1000-Turnier auf Rasen. Aufgrund der aufwändigen Pflege eines Rasen-Courts wird dies aber nur schwer umsetzbar sein. Schön wäre es irgendwie trotzdem.