Iga Swiatek ist drauf und dran, dem seit Jahren unberechenbaren Frauen-Tennis ihren Stempel aufzudrücken.
Mit erst 21 Jahren hat die polnische Nationalheldin nun auch die US Open gewonnen und damit bereits ihren dritten Grand-Slam-Titel nach zwei French-Open-Triumphen (2020, 2022) in der Tasche.
Nach dem 6:2,7:6(5)-Erfolg über die Tunesierin Ons Jabeur, die nach dem Wimbledon-Finale auch jenes in New York verlor, hat sie sich an der Spitze des WTA-Rankings einzementiert.
Unglaublicher Run zu Jahresbeginn
Swiatek hat allein dieses Jahr schon sieben Turniere gewonnen. Nach dem überraschenden Rücktritt von Ashleigh Barty nach dem Sieg bei den Australian Open, ihrem dritten Major, übernahm Swiatek die Rolle der Leaderin mühelos.
Sie startete sensationell ins Jahr und triumphierte der Reihe nach in Doha, Indian Wells und Miami bei drei WTA-1000-Turnieren auf Hartplatz, dann in Stuttgart, Rom und bei den French Open. Ihre 37:0-Siegesserie endete erst in der dritten Wimbledon-Runde.
In New York hatte Jabeur das Unheil vor dem Finale kommen sehen. "Iga verliert nie in Endspielen", sagte sie. Sie sollte recht behalten. Swiatek ließ ihr eineinhalb Stunden lang keine Chance.
Wie immer war die Polin in einem Finale punktgenau bereit. Erst am Ende geriet die geölte Maschinerie mit blitzschnellen und doch zentimetergenauen Grundlinienbällen noch leicht ins Stocken. Doch Swiatek behielt die Nerven und machte im Tiebreak des zweiten Satzes alles klar.
Cool geblieben - auch als ruhiger Mensch in turbulentem Umfeld
Ihre Finalbilanz ist in der Tat beeindruckend. Nur ihr erstes Endspiel auf der WTA Tour - im April 2019 in Lugano als 17-Jährige - verlor sie. Seither gewann Swiatek alle zehn Finali, die sie bestritt - und dies ohne einen einzigen Satzverlust.
Vor New York hatte Swiatek große Kritik an den Veranstaltern geübt. Die US Open stellen als einziges Major eigene Bälle für Frauen und die Polin hatte sich neben einigen anderen Spielerinnen bitter darüber beschwert. Dies spielte dann aber keine Rolle, Swiatek passte sich an die Bedingungen an.
Die Tochter eines olympischen Ruderers führt in der Weltrangliste nun mit mehr als doppelt so vielen Punkten wie die ab Montag zweitplatzierte Jabeur. Diese Dominanz auch bei den US-Turnieren überraschte Swiatek selbst.
"Ich dachte, ich könnte auch auf Hartplatz bei einigen Turnieren um den Sieg spielen, aber hier, auf diesen schnellen Plätzen in New York, war ich mir nicht sicher", verriet sie nach dem Sieg. "Dieses Turnier war eine große Herausforderung. Es ist laut, es ist verrückt, es gibt so viele Ablenkungen."
Dies musste die eher stille und zurückhaltende Polin auch im Finale feststellen, als die rund 23.000 Zuschauer alles unternahmen, um der zunächst krass unterlegenen Jabeur Rückenwind zu geben und auch während der Ballwechsel immer wieder lautstark störten.
Doch Swiatek blieb cool, wie in allen heiklen Situationen im Turnier. Anders als in Roland Garros, wo sie als Topfavoritin fast unbedrängt durchmarschiert war, gab es davon einige. Im Halbfinale gegen Aryna Sabalenka stand sie beim Stand von 2:4 im dritten Satz kurz vor dem Aus.
Belohnungs-Musical für den AC/DC-Fan
Swiatek, bekennender von Fan von AC/DC, könnte die Frauentour noch auf Jahre hinaus rocken. Sie macht mit ihrem professionellen Umfeld um Coach Tomasz Wiktorowski noch laufend Fortschritte.
Vorerst gönnte sich Swiatek aber am Sonntag einen Musical-Besuch. Welches, wollte sie nicht verraten. Im lauten New York wünschte sie sich etwas Ruhe und Privatsphäre.
Die wird sie in Polen nach dem nächsten Coup kaum noch finden. "Wenn du in Polen aufwächst, dann ist es gar nicht sicher, dass man einmal ein Tennis-Superstar sein wird", sagte sie im ESPN-Interview in Flushing Meadows, während im Hintergrund polnische Fans mit "Iga, Iga"-Rufen auf sich aufmerksam machten.
"Als ich jünger war, dachte ich natürlich, dass ich eine von 40 Millionen Menschen im Land bin. Was war die Chance, dass ich die eine davon sein werde?", fragte sich Swiatek und gab die Antwort darauf gleich selbst. "Ich habe einfach jeden Tag hart gearbeitet."