Als vor einem Jahr die Champions in Wimbledon ermittelt wurden, saß Marketa Vondrousova als Zuschauerin auf der Tribüne.
Den linken Arm in einen Gips gehüllt, verfolgte die nun 24-jährige Tschechin ein paar Partien ihrer Freundin Miriam Kolodziejova. Ansonsten war sie überwiegend in den Shopping-Malls von London anzutreffen. "Wir waren ganz normale Touristen, haben das London Eye besucht und waren ansonsten viel shoppen. Ich glaube fünfmal", sagte Vondrousova.
Ein Jahr später blieb dafür keine Zeit. Denn Vondrousova spielte sieben Matches beim Rasen-Klassiker - und krönte sich am Samstag völlig überraschend zur Königin von Wimbledon. "Das ist einfach unbeschreiblich", sagte Vondrousova.
"Vor einem Jahr hatte ich einen Gips um den Arm, jetzt habe ich Wimbledon gewonnen", sagte sie nach dem 6:4,6:4 gegen die Tunesierin Ons Jabeur, die damit ihr zweites Wimbledonfinale in Serie verlor und danach am Boden zerstört war.
Kontrahentin Jabeur mit royaler Umarmung getröstet
So zerstört, dass sie sogar eine Umarmung von Prinzessin Kate, der Ehefrau von Thronfolger Prinz William, fast einforderte. "Sie wusste offenbar nicht, ob sie mich umarmen soll oder nicht", berichtete Jabeur später über die Szene mit der Prinzessin. "Ich habe ihr gesagt 'Umarmungen sind immer willkommen'." Die Umarmung durch Kate sei "ein sehr schöner Moment gewesen", fügte die 28-Jährige hinzu.
Vondrousova dagegen trug stolz und ungläubig zugleich die Siegestrophäe, die Venus Rosewater Dish, über den Rasen. Als erste ungesetzte Spielerin der Turniergeschichte gewann sie das wohl populärste Tennis-Event der Welt und fügte der erfolgreichen tschechischen Wimbledon-Geschichte damit ein weiteres Kapitel hinzu.
"Vondrousova reiht sich in die Legenden-Riege ein", schrieb "Sport.cz". "Eine Fantasie wird wahr!", titelte "MF Dnes". Vor Vondrousova hatten bereits die Tschechinnen Jana Novotna (1998) und Petra Kvitova (2011) im All England Lawn Tennis and Croquet Club gewonnen. So überraschend wie der Triumph von Vondrousova war aber keiner dieser Siege. Und natürlich war auch die 1981 zur US-Amerikanerin gewordene Martina Navratilova gebürtige Tschechin (und ist es seit 2008 wieder).
Vondrousova: "Jetzt ist es einfach passiert"
Vondrousova war zuvor nicht gerade als Rasenspezialistin bekannt. "Es war das unwahrscheinlichste Grand-Slam-Turnier für mich zu gewinnen. Und jetzt ist es einfach passiert", sagte die Linkshänderin, die 2019 bereits das Finale bei den French Open erreicht hatte.
2021 holte sie Olympia-Silber in Tokio. Und dennoch reiht sie sich in die Riege von Grand-Slam-Siegerinnen ein, mit denen niemand gerechnet hatte. Wie zum Beispiel Jelena Ostapenko (French-Open Siegerin 2017), Emma Raducanu (US-Open-Siegerin 2021) oder Vondrousovas Landsfrau Barbora Krejcikova (French-Open-Siegerin 2021).
Von vielen hörte man danach nicht mehr viel, auch Vondrousova könnte so ein One-Hit-Wonder sein. Doch das war ihr im Moment ihres größten Erfolges herzlich egal. "Ich werde erst einmal ein paar Bier trinken", sagte Vondrousova.
Fürs Finale war extra ihr Ehemann Stepan Simek eingeflogen, der vorher noch auf die gemeinsame Katze Frankie hatte aufpassen müssen. Am (heutigen) Sonntag feiern die beiden ihren ersten Hochzeitstag. Einen schöneren Ort dafür hätte sich das Paar wohl kaum aussuchen können.