Einen Tag vor seinem 37. Geburtstag greift Oliver Marach am Samstag nach seinem mit Abstand größten Erfolg seiner Karriere.
Im Doppel-Endspiel von Wimbledon will sich der Steirer an der Seite des Kroaten Mate Pavic seinen langersehnten ersten Grand-Slam-Titel sichern (2. Partie nach 15 Uhr im LIVE-Ticker).
„Das Finale ist ein Wahnsinn. Das ist mein größter Erfolg und absolutes Highlight“, fiebert der 15-fache ATP-Turniersieger dem großen Finale gegen Lukasz Kubot und Marcelo Melo entgegen.
Ausgerechnet in Wimbledon
Dass es ausgerechnet in Wimbledon mit dem ersten Major-Endspiel klappte, ist aus zweierlei Gründen überraschend.
Zum einen kam Marach aufgrund einer bei den French Open erlittenen Handgelenks-Verletzung etwas angeschlagen nach London. Mehrere Wochen wurde der Grazer deshalb sogar von einer Physio-Masseurin begleitet, um die Blessur wieder in den Griff zu bekommen.
„Jetzt kann ich wieder voll spielen, zur Vorsicht nehme ich aber noch Schmerztabletten“, erklärt Marach, der sich – es folgt Punkt zwei – von allen Grand-Slam-Turnieren in Wimbledon wohl die wenigsten Chancen ausgerechnet hätte, einmal das Endspiel eines Majors zu erreichen.
Doch schon der gemeinsame Sieg von Marach/Pavic vor einem Monat in Stuttgart über die beiden Bryan-Brüder Bob und Mike ließ erkennen, dass die Zeit für Rasen mittlerweile reif ist. „Als ich noch Einzel gespielt habe, habe ich Rasen gehasst“, erzählte der ehemalige Sandplatz-Spezialist nach seinem Sieg über die Bryans in der „Kleinen Zeitung“.
„Aber ich habe meinen Aufschlag verbessert, das wirkt sich natürlich aus.“ Zudem harmoniere er mit dem 24-jährigen Pavic immer besser. Der Kroate, der im Vorjahr einige Monate mit Alexander Peya spielte, ist erst seit März an der Seite von Marach zu finden. Zuvor bildete er mit dem als etwas schwierig geltenden Franzosen Fabrice Martin ein Paar.
Gemeinsame Geschichte mit Kubot
Das Aufeinandertreffen im Endspiel mit Kubot entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Gemeinsam mit dem Polen startete Marach vor etwa zehn Jahren seine Doppel-Karriere nachdem er es im Einzel kurz zuvor nach jahrelanger harter Arbeit erstmals in die Top 100 schaffte, er danach aber einige Rückschläge einstecken musste.
Im Doppel lief es hingegen gleich nach Wunsch: Fünf ATP-Titel, zwei Teilnahmen beim World Tour Finale in London, wo die Top-8-Paare des Jahres um den Titel rittern, und Viertelfinal-Einzüge bei allen Grand-Slam-Events erspielte sich das Duo innerhalb von nur zwei Jahren.
Bei den Australian Open 2009 erreichte Marach mit Kubot mit dem Halbfinal-Einzug sogar sein bis heuer bestes Ergebnis bei einem Major-Turnier.
Kubot als Marach-Trauzeuge
Auch privat war er mit dem Polen, der viele Jahren in Österreich trainierte und fließend deutsch spricht, auf einer Wellenlänge. Als Marach im Jahr 2009 seine Jessie vor den Traualtar führte, fungierte Kubot sogar als Trauzeuge.
Doch im Gegensatz zur Marach-Ehe wurde die Doppel-Partnerschaft mit Kubot nicht von Gott zusammengeführt und konnte so relativ leicht wieder gelöst werden, als der Pole im Jahr 2011 sein Hauptaugenmerk wieder auf das Einzel legen wollte.
Ein Ausflug, der zwar nicht unerfolgreich blieb - Kubot schaffte kurzzeitig den Sprung in die Top 50 – auf Dauer aber nicht lebensfüllend war. Der Pole konzentrierte sich alsbald wieder auf seine Doppel-Karriere.
Eine Entscheidung, die sich spätestens mit der Partnerschaft mit Marcelo Melo im Herbst 2015 auszahlen sollte. Das Duo spielte sich bereits 2016 in die absolute Weltspitze, die es ein Jahr später sogar dominieren sollte.
„Heuer das beste Doppel der Welt“
„Sie sind heuer das beste Doppel der Welt“, anerkennt auch Marach die mit vier Titeln (zwei davon auf Rasen) bislang sehr starke Saison des Duos, das mittlerweile schon souverän das "Race to London" anführt. Und das, obwohl es bei den beiden ersten Grand-Slam-Turnieren in Melbourne (Achtelfinale) und Roland Garros (2. Runde) so gar nicht nach Wunsch lief.
„Das wird ein toughes Match. Aber wenn wir so spielen wie im Viertelfinale, dann haben wir eine gute Chance. Da haben wir unmenschlich gespielt“, ist Marach trotzdem davon überzeugt, als erster Österreicher seit Jürgen Melzers Mixed-Titel 2011 wieder im All England Club triumphieren zu können. Es wäre nach Julian Knowle (US Open 2007), und Jürgen Melzer (Wimbledon 2010, US Open 2011) der insgesamt vierte Herren-Doppel-Titel eines Österreichers bei einem Grand-Slam-Turnier.
Zu vergönnen wäre es dem sympathischen Grazer, der seit neun Jahren mit seiner panamaischen Frau und seinen beiden Töchtern Leah und Amelie in Panama City lebt, allemal, hatte er seit seiner Trennung von Kubot doch auch einige schwere Rückschläge zu verkraften.
Rechtsstreit mit Hamburg immer noch nicht geklärt
Allen voran sein unglücklicher Trainings-Unfall am Hamburger Rothenbaum im Jahr 2012, als er an ein aus dem Boden ragendes Metallrohr stieß und sich dabei so schwer verletzte, dass er mehrere Monate kein Turnier bestreiten konnte.
Zwei Jahre später klagte der Steirer den Veranstalter um Turnierdirektor Michael Stich auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Abgeschlossen ist der Rechtsstreit immer noch nicht, die Chancen für Marach sollen aber gut stehen.
Auch wenn der Sieg vor Gericht wahrscheinlich sogar lohnender wäre als jener am Tennis-Court, würde Marach den juristischen Erfolg wohl jederzeit gegen einen Final-Sieg am Samstag eintauschen.
Bei uns verpasst ihr keinen Ballwechsel des mit Spannung erwarteten Endspiels: