Julia Grabher hat es geschafft. Die 26-jährige Dornbirnerin, die seit über 20 Jahren tagtäglich mit dem Racket bewaffnet auf den Tennisplatz schreitet, knackt nach ihrem Premieren-Titel im Zuge der Challenger-Serie in Bari (Alle Infos>>>) die Top 100.
Während bei anderen nach zwei erreichten Meilensteinen dieser Größenordnung erst einmal die Sektkorken knallen oder der Wechsel in den Konsolidierungs-Modus folgt, will Grabher den Aufwind umgehend in ihr zweites Zuhause mitnehmen - den Tennisplatz.
"Die Top 100 waren zwar ein Riesenziel für mich, aber die Reise startet erst jetzt. Ich habe noch so viel vor", so die Österreicherin. LAOLA1 hakt bei der Zielsetzung genauer nach. "Jetzt möchte ich mich erst einmal in den Top 100 etablieren und kontinuierlich raufarbeiten. Deswegen werde ich genau so weitermachen und mich nicht auf den Lorbeeren ausruhen."
Dass dies für die mittlerweile in Wien ansässige und in der Südstadt trainierende Grabher Programm ist, zeigen schon die letzten 48 Stunden. Trotz des 6:4, 6:2-Finaltriumphs über die Italienerin Nuria Brancaccio samt anschließenden Feierlichkeiten am Sonntag weilt die Vorarlbergerin bereits in Bukarest, wo am Montag, bei einem Event der gleichen Turnierkategorie, wieder fleißig Bälle geschlagen werden.
Top 100? "Im Tennis besonderer Stellenwert"
Siebeneinhalb Jahre ist es her, genauer gesagt war es am 24. Jänner 2015, dass mit Yvonne Meusburger letztmals eine ÖTV-Dame in den Top 100 der Weltrangliste geführt wurde.
"Ich bin so glücklich. Dafür habe ich die letzten Monate und Jahre so hart gearbeitet. Im Tennis hat das einfach einen besonderen Stellenwert", freut sich Grabher, die auch um die Bedeutung des Erreichten weiß. "Auch für das österreichische Tennis ist das, denke ich, ein wichtiger und guter Schritt."
Das letzte fehlende Puzzle-Teil, der Auftritt im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, soll unmittelbar folgen. "Das ist auf jeden Fall das nächste große Ziel, dass ich in Melbourne meinen ersten Main Draw spiele. Bis Jänner heißt es diesbezüglich noch fleißig Punkte sammeln", gibt Grabher die Marschroute vor.
Bresnik und zwei Touring-Coaches
"Sie nutzt jede Minute und ist nicht eine, die minutenlang herumsitzt und Griffband wickelt oder mit lauter gerissenen Saiten zum Training kommt. Die ist hochprofessionell. Und das taugt mir natürlich."
In der Südstadt trainiert Grabher mit Ex-Thiem-Coach Günter Bresnik. Auf Turniere begleiten die Nummer 97 der WTA-Weltrangliste zwei Touring-Coaches, die sich im Turnus abwechseln. Einer der beiden ist Alexander Grabher, der seiner drei Jahre jüngeren Schwester zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Touring-Coach auch noch als Athletiktrainer zur Seite steht. In Bari war Philip Lang, der erst seit wenigen Monaten in Amt und Würden ist, an der Seite der rot-weiß-roten Nummer eins.
"Sie wechseln sich immer ab. Das klappt eigentlich ganz gut, der Günter hat die Kontrolle", gibt Grabher die Hackordnung preis.
Mit dem 61-jährigen Wiener verbindet die Vorarlbergerin ein gemeinsames Lebens-Leitbild. "Er ist der beste Trainer, den ich mir vorstellen kann und genau der Richtige für mich. Ein harter Arbeiter. So jemanden brauche ich. Deswegen bin ich dort, wo ich jetzt bin."
Auch Bresnik weiß, was er an der Vorarlbergerin hat: "Sie nutzt jede Minute und ist nicht eine, die minutenlang herumsitzt und Griffband wickelt oder mit lauter gerissenen Saiten zum Training kommt. Die ist hochprofessionell. Und das taugt mir natürlich."
Durch die Kontakte des Szenekenners kommen immer wieder einige hochkarätige Sparringpartnerinnen in die Südstadt. Eine einwöchige Traingseinheit mit Elina Svitolina absolvierte Grabher Anfang diesen Jahres: "Das hat mir viel gebracht. Mir hat das gezeigt, dass bis zu den Topspielerinnen gar nicht mehr so viel fehlt. Ich kann da mithalten und sie jederzeit schlagen. Dieses Selbstbewusstsein, das ich dadurch getankt habe, hat auch mein Auftreten auf dem Platz ins Positive beeinflusst", so die 26-Jährige.
"Meine Vorhand ist eine Waffe"
Jürgen Melzer beschrieb den Paradeschlag der Dornbirnerin einst als "unglaublich", sagte sogar, dass es nicht viele Frauen auf der WTA-Tour gäbe, die den Grundlinienschlag mit ähnlich viel Geschwindigkeit und Spin auf die andere Seite des Feldes jagen könnten.
Auch Grabher ist sich ihrer Stärken wohl bewusst: "Die Vorhand ist meine absolute Waffe. Jede Gegnerin weiß, dass ich ihr mit der Vorhand große Probleme bereiten kann."
Besonders in den Weltranglistenregionen, in die es für die rot-weiß-rote Nummer eins gehen soll, wird man aber auch anderweitig an der Feinmotorik schrauben müssen. "Nichtsdestotrotz will man facettenreicher werden und auch daran arbeiten wir in der Südstadt sehr intensiv. Die Rückhand soll stabiler werden", verrät die 26-Jährige.
Dass die Rückhand dann doch des Öfteren während eines Matches umlaufen wird, will sich die Vorarlbergerin nicht als Schwäche oder Nachteil ankreiden lassen. "Ich sehe das nur positiv, dass ich mich da ein wenig vom Rest der WTA-Tour abhebe", meint Grabher.
"Sehe Tennis immer noch als Hobby"
Die Einstellung zum Tennissport sei bei der Nummer 97 der Welt "hochprofessionell", wie Günter Bresnik noch vor einigen Monaten behauptete. Die 26-Jährige liebt den Sport - noch genauso sehr wie am ersten Tag. "Ich genieße jede Minute am Tennisplatz, denn ich sehe den Tennissport immer noch als Hobby an. Es macht mir Spaß, mich jeden Tag weiterzuentwickeln", bestätigt Grabher den Ruf als "Arbeitstier".
Auch ihr Tennis-Idol Rafael Nadal stehe für dieselben Werte jede Sekunde auf dem Court ein. "Ich bewundere seine Einstellung. Er arbeitet jeden Tag an sich, kämpft auf dem Platz um jeden Punkt und gibt nie ein Match verloren. Ich versuche, mit derselben Einstellung am und neben dem Platz ans Werk zu gehen."
Eines ist aber klar. Wenn der Österreicherin auch nur einer der 22 Grand-Slam-Titel des Iberers gelingt, liegt ihr wohl bald die ganze Alpenrepublik zu Füßen.