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Schett: "Männer denken, Weibersport interessiert keinen"

Ex-Tennis-Ass Barbara Schett-Eagle kritisiert im LAOLA1-Interview den gesellschaftlichen Status des Sports in Österreich. Auch die Kinder bereiten ihr Sorgen.

Schett:

Sie war Nummer sieben der Welt, gewann in ihrer Karriere drei WTA-Titel und stand 1999 im Viertelfinale der US Open sowie insgesamt sieben Mal in einem Grand-Slam-Achtelfinale.

Barbara Schett-Eagle gehört zu Österreichs erfolgreichsten Spielerinnen aller Zeiten. Seit vielen Jahren arbeitet die Tirolerin, die mit dem ehemaligen australischen Doppel-Spezialisten Joshua Eagle verheiratet ist und mit ihrer Familie in Down Under wohnt, als Journalistin für Eurosport und ServusTV.

Für das Upper Austria Ladies Linz fungiert Schett-Eagle als Turnier-Botschafterin.

Im LAOLA1-Interview haben wir mit der 48-Jährigen über die aktuelle Situation im heimischen Frauen-Tennis ("Es ist traurig"), die Probleme im Nachwuchsbereich und die längere Karriere-Dauer der Spielerinnen ("Mit 30 warst du damals eine alte Schachtel").

LAOLA1: Madison Keys hat letzte Woche bei den Australian Open mit 29 Jahren ihren ersten Grand-Slam-Titel geworden. Vor 20 oder 30 Jahren wäre das wohl unvorstellbar gewesen, oder?

Mit 30 warst du damals eine alte Schachtel im Tennis, dann hast du aufgehört.

Die heutigen Tennis-Karrieren dauern deutlich länger als früher

Barbara Schett-Eagle: Das waren andere Zeiten, heute haben alle eine längere Karriere. Damals hast du gedacht, dass du mit 30 am Ende bist – vor allem als Frau. Da denkst du dann an Familie. Da dachte man nicht, dass es mit 35 noch möglich ist, solche Leistungen zu erbringen. So wie der Novak (Anm.: Djokovic) jetzt beieinander ist - das hat es nicht gegeben. Natürlich passen die Spieler mehr auf ihren Körper auf, es gibt vom Wissenschaftlichen neue Recherchen. Mit 30 warst du damals eine alte Schachtel im Tennis, dann hast du aufgehört. Das hat man nie hinterfragt, das ist auch interessant. Ich habe zwölf Jahre auf der Tour gespielt, jetzt sind es schon so 15. Wenn du auf deinen Körper achtest, warum nicht? Es ist eine lukrative Geschichte, wenn du weit vorne bist.

LAOLA1: Novak Djokovic ist jetzt 38 Jahre alt. Traust du ihm noch einen Grand-Slam-Titel zu?

Schett-Eagle: Ja, in Wimbledon hat er noch Chancen. Er spielt wahrscheinlich nur noch die größten Turniere, vielleicht noch ein, zwei 1000er. Hut ab, was er vom Körperlichen her leistet. Aber irgendwann muss es dem Ende zugehen. So fit er ist und alles – mit diesem Alter geht es fast nicht mehr im Sport. Er hat alles erreicht, was er erreichen wollte. Ich frage mich, was er jetzt mit 38 noch erreichen will? Es ist eh phänomenal, dass er bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr im Finale noch einmal Carlos Alcaraz geschlagen hat und in Australien so weit gekommen ist (Anm.: Halbfinale bei den Australian Open). Ich habe gehört, dass er bis zu den Olympischen Spielen in Los Angeles 2028 weitermachen will. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Man kann ihn mögen oder nicht, aber das, was er geleistet und erreicht hat, verlangt schon höchsten Respekt.

LAOLA1: Was sagst du zur aktuellen Situation im österreichischen Frauentennis? 

Sinja Kraus schaffte es über die Quali in den Linz-Hauptbewerb
Foto: © Upper Austria Ladies Linz/ Matthias Hauer

Schett-Eagle: Es ist traurig, wir wünschen uns natürlich Spielerinnen unter den ersten 100. Es ist schön, dass sich die Sinja Kraus in Linz für den Hauptbewerb qualifiziert hat. Julia Grabher befindet sich immer noch in ihrer Comeback-Phase. Die anderen haben in dieser Zeit aber auch nicht geschlafen. In einem Jahr entwickelt sich viel weiter im Tennis. Es ist schwierig, unter die ersten 100 zu kommen. Auch bei den Männern. Joel Schwärzler muss das Ganze auch erst bestätigen. Wichtig ist ein guter Trainer. Früher war der Idealismus anders als jetzt, viele Trainer stehen nur auf dem Platz und spulen ihre Stunden runter und haben dann die Kohle – wurscht, wie sich das Kind weiterentwickelt. Das ist mehr so Babysitting. Früher hat man sich bei 5-6-Jährigen Talenten mehr bemüht. Und ohne guten Trainer ist das alles sinnlos.

LAOLA1: Fehlt bei den Mädchen nicht überhaupt auch die Breite? Wenn man sich bei Jugendturnieren die Mädchen-Raster ansieht, schaut’s sehr übersichtlich aus.

Die Zeit ist generell so, dass Kinder weniger Sport machen und mehr auf Social Media abhängen und Videospiele spielen. Mädels haben immer schon weniger Sport gemacht als Burschen. Das ganze System mit der Schule ist bei uns halt nicht so gut.

Vor allem im Vergleich zu Australien stehe Österreich schlecht da

Schett-Eagle: Die Zeit ist generell so, dass Kinder weniger Sport machen und mehr auf Social Media abhängen und Videospiele spielen. Mädels haben immer schon weniger Sport gemacht als Burschen. Das ganze System mit der Schule ist bei uns halt nicht so gut. Ich vergleiche das gerne mit Australien. Du wirst dort jeden Sport erlernen, auch wenn die Eltern nichts damit am Hut haben. Jeden Tag gibt es Sport in der Schule. Und die Eltern sind heutzutage oft beide berufstätig und haben keine Zeit mehr, mit den Kindern Sport zu betreiben. Wie sollen die Kinder zum Sport kommen, wenn die Eltern dich nicht fördern? Und wie soll ein Kind zum Tennis kommen, wenn es keinen Sport macht? Das ist schwierig. In der Schule von meinem Sohn gibt’s einen großen Rugby-Platz, fünf Tennisplätze, ein Schwimmbecken – da gibt’s alles. Da kristallisieren sich die Talente dann eher heraus. Talente gibt’s, aber du musst sie finden.

LAOLA1: Das ist wahrscheinlich auch ein gesellschaftliches Problem, weil der Sport in Österreich nicht so einen hohen Stellenwert hat wie in Australien

Schett-Eagle: In Australien bist du als Trainer auch ganz anders angesehen. Bei uns wundert man sich bei einem Tennis-Trainer, dass der überhaupt damit ein Geld verdienen kann. Es hat wahrscheinlich auch etwas mit dem Wetter zu tun. Bei uns ist es im Winter schwierig, Sport zu betreiben, wenn du kein Skifahrer bist. Wenn du keine Halle hast, hast du ein Problem. Es hat aber sicherlich auch etwas mit der Gesellschaft zu tun. Sport ist teuer und vor allem Tennis ist teuer. Das kann sich nicht jeder leisten, das kostet.

LAOLA1: Hat Frauensport in Österreich grundsätzlich ein Problem?

Schett-Eagle: Frauensport wird in Österreich generell nicht so gepusht wie in Australien – auch von den Medien. Viele Österreicher sind allerdings auch einfach nicht interessiert daran, vielleicht muss man es ihnen schmackhaft machen und nahelegen, um das Interesse zu steigern. Du kannst nicht Frauen- mit Männerfußball vergleichen, das wirkt natürlich langsamer, aber es kann trotzdem spannend und attraktiv sein. Ich glaube, dass die Denkweise bei den Männern in Österreich immer noch so ist: Weibersport interessiert keinen. Das habe ich selbst erlebt, als ich Tennis gespielt habe und die Rede auf die Top 10 in Österreich gekommen ist. Da wurden eigentlich immer nur Männer genannt, mein Name fiel da weg. Es ist so eine Gesellschaftsgeschichte.

LAOLA1: Was sagst du zur Entwicklung des Linzer Turniers?

Schett-Eagle: Ich finde es unglaublich, freue mich, dass es ein 500er ist. Über eine Million Euro Preisgeld gibt es heuer erstmals. Das ist schon eine Auszeichnung – auch für die Sandra (Anm.: Turnierdirektorin Sandra Reichel). Es ist schön, so ein traditionelles Event in Österreich zu haben. Es gibt nicht viele Turniere bei den Frauen, die es schon seit 34 Jahren gibt. Darauf können wir schon stolz sein.

LAOLA1: Das Einzige, das derzeit fehlt, wären starke österreichische Spielerinnen. Seit 2013 konnte keine Österreicherin mehr ein Match im Hauptbewerb gewinnen. Ein Ausrufezeichen im heimischen Tennis-Nachwuchs hat vergangene Woche Lilli Tagger gesetzt. Die 16-jährige Lienzerin hat im Junioren-Bewerb der Australian Open mit starken Leistungen das Viertelfinale erreicht. Was hältst du von ihr?

Lilli Tagger gehört zu Österreichs größten Talenten
Foto: © getty

Schett-Eagle: Es freut mich zu sehen, wie sie sich entwickelt. Ich habe immer ein Auge auf sie und ich stehe auch in Kontakt mit ihrem Manager, der ja auch der Manager von Jannik Sinner ist. Sie hat ein unglaubliches Team um sich mit der Francesca Schiavone als Coach und ist in super Händen. Sie ist groß, muss noch ein bisschen in ihren Körper hineinwachsen. Sie ist sicherlich eine Spielerin auf die wir aufbauen können.

LAOLA1: Neben der 16-jährigen Tagger gibt’s mit Anna Pircher und Lea Haider-Maurer (beide jeweils 14) weiteren Anlass zur Hoffnung, dass es in den kommenden Jahren besser ausschauen könnte.

Schett-Eagle: Ja, diese Namen sind sicherlich die Zukunft. Wenn die Zeit passt, werden sie sicher da am Start sein. Es ist auch wichtig, dass man sie nicht zu früh verheizt. Vor allem auf Lilli Tagger freu ich mich schon. Die hat im Vergleich zur Pircher richtig Power. Die kann auch jemanden vom Platz schießen. Pircher hat einfach schon brutal viel Tennis gespielt, sie ist aber nicht die aggressivste am Platz. Aber schauen wir mal. Es ist immer noch ein weiter Weg an die Spitze.

LAOLA1: Als eine der wenigen Frauen auf der Tour spielt Lilli eine einhändige Rückhand. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Schett-Eagle: Ich bin jetzt aber nicht so ein Fan von der einhändigen Rückhand. Für Frauen ist die noch schwieriger von der Kraft her. Ich kenne nicht die Gründe, warum sie einhändig spielt, es wird aber sicherlich gute Gründe geben. Ich hoffe, dass es nicht einschränkend ist. Sie ist aggressiv, hat einen Spielwitz, kommt ans Netz, zudem sie ist total bodenständig und normal. Das taugt mir total. Ich habe gehört, dass die Eltern auch total lässig sind im Vergleich zu anderen.

LAOLA1: Tagger, Pircher, Haider-Maurer - das sind alles Einzelprojekte. Geht es nur so oder könnte es doch auch aus einem System heraus schaffbar sein?

Schett-Eagle: Die Zeiten ändern sich vielleicht. Früher war es so, dass alle aus der Südstadt gekommen sind. Jetzt macht halt jeder seine eigene Geschichte, vielleicht muss man das auch akzeptieren. Für mich war das motivierend und super, mit fünf, sechs anderen Mädels in der Südstadt zu sein. Weil ich einfach besser sein wollte als die anderen. Wir haben uns gegenseitig gepusht. Ich glaube schon, dass das wichtig ist, es geht aber anders auch.

LAOLA1: Ist es international ähnlich?

Schett-Eagle: Nicht unbedingt. Es kommt immer drauf an, wie viele Förderungen du hast. Die Länder mit Grand-Slam-Turnieren haben ganz andere Budgets. Die können natürlich mehr fördern als ein österreichischer Tennis-Verband, der gar nicht das nötige Geld zur Verfügung hat. Je größer das Land, desto leichter ist es, Talente herauszubringen. Wobei in Deutschland ist es auch schwierig. In Italien boomt das Tennis voll, da kommt sicher auch einiges nach. Tschechien ist ein Wahnsinn – gerade bei den Männern: Mensik, Machac, Lehecka.

LAOLA1: Kann eine Tennis-Karriere nur funktionieren, wenn auch genügend finanzielle Mittel vorhanden sind? Ist es eine Geldsache?

Schett-Eagle: Viele können sich Tennis nicht leisten. Wenn du keinen Sponsor oder Verband hinter dir hast oder die Eltern nicht reich sind, dann ist es unmöglich.  Meine Eltern haben damals einen Jahresbeitrag von glaub ich 5.000 Schilling gezahlt – eher für die Hallensaison. Dann bin ich in die Südstadt gegangen, weil ich nur so die Förderung bekommen habe. Der ÖTV hat alles bezahlt, meine Eltern haben nur das Internat bezahlt (so 2.000 Schilling im Jahr), ich habe alle Preisgelder abgeben müssen. Am Anfang habe ich 80 Prozent abgeben müssen. Je weiter ich nach vorne gekommen bin, umso weniger musste ich abgeben. Da habe ich das Prozentrechnen gelernt (lacht). Mit 18 haben sie gesagt: Jetzt musst auf deinen eigenen Beinen stehen. Da war ich Gottseidank schon erste 100, hatte aber totale Existenzängste. Das war Panik, wie finanziere ich mir das alles. Du musstest damals schon mit 100.000 Euro pro Jahr rechnen. Es war für mich sehr belastend. Es kostet alles Geld.  Das ist in anderen Sportarten nicht so. Wenn du wirklich gut bist, sind die Preisgelder mega. Aber bei den Damen erste Runde zu sein, reicht nicht. Die Grand-Slams helfen dir irrsinnig. Gäbe es die Grand Slams nicht, wäre es schwierig für eine Frau, sich zu finanzieren.

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