Die österreichischen Tennis-Herren sind seit dieser Woche ohne aktuellen Top-100-Spieler. Bei den ÖTV-Damen herrscht dieser Zustand schon seit über fünf Jahren an.
Doch es herrscht Licht am Ende des Tunnels: Julia Grabher setzte Ende April beim WTA-Turnier in Istanbul ein ordentliches Ausrufezeichen.
Mit ihren ersten beiden Siegen auf der WTA-Tour überhaupt zog die 25-jährige Vorarlbergerin in ihr erstes Viertelfinale bei einem großen WTA-Turnier ein.
"Das hat sich richtig gut angefühlt"
"Das hat sich richtig gut angefühlt. Das war natürlich etwas ganz Besonderes", erinnert sich Grabher, die unter anderem die Weltranglisten-37. Jill Teichmann (SUI) schlug, im Gespräch mit LAOLA1 zurück.
"Ich habe schon beim Billie Jean King Cup richtig gut gespielt und eine Top-30-Spielerin (Anm.: Tamara Zidansek) geschlagen. Dementsprechend bin ich mit einem guten Gefühl und mit viel Selbstvertrauen nach Istanbul gekommen. Ich habe gewusst, dass ich allen gefährlich sein und alle schlagen kann. Und so hab ich dann auch gespielt."
Aktuell ist Grabher die Nummer 152 der Welt. Mit ihren 430 WTA-Punkten ist sie noch gute 230 Punkte von den Top 100 entfernt. Geht es nach heimischen Experten, sollte ihr dieser Sprung aber in absehbarer Zeit gelingen.
Melzer und Bresnik schwärmen von Vorhand
Vor allem mit ihrer Vorhand hat Grabher nämlich eine echte Waffe zur Verfügung, die ihr den Sprung zu höheren Weihen ermöglichen sollte. So meinte Jürgen Melzer gegenüber LAOLA1 schon im Vorjahr: "Sie hat eine unglaubliche Vorhand. Ich glaube nicht, dass es viele Mädels auf der WTA-Tour gibt, die mit so einem Spin und so einer Schnelligkeit eine Vorhand spielen können."
Darauf angesprochen, wollte Grabher dem amtierenden ÖTV-Sportdirektor nicht widersprechen. "Mein Spiel ist es, dass ich viel mit der Vorhand spiele und die Rückhand oft umlaufe", erklärt sie.
"Meine Gegnerinnen versuchen natürlich, mir auf die Rückhand zu spielen und die Vorhand vermeiden. Meine Vorhand macht mich aber auch so gefährlich und deshalb versuche ich, dass noch weiter auszubauen. Sie ist sicher meine größte Waffe, da ich damit sehr schnell und auch mit viel Spin spielen kann."
Coach Günter Bresnik, bei dem Grabher seit gut zweieinhalb Jahren in der Südstadt trainiert, bestätigt im Gespräch mit LAOLA1 diese Aussage: "Ganz richtig. Die Vorhand ist außergewöhnlich gut. Die wird natürlich viel trainiert, aber für solche Leute ist es dann immer schwierig, eine vernünftige Balance zwischen Vorhand und Rückhand spielen zu können."
Kein Unterschied zwischen Svitolina und Grabher?
Nicht nur deshalb sieht Bresnik bei Grabher deshalb noch extrem viel Potenzial schlummern: "Der Knoten ist bei der noch nicht einmal geplatzt. Die sollte nicht nur den Sprung in die Top 100 schaffen, die spielt auch schon das Niveau dafür. Die hat zuletzt richtig gute Leute geschlagen und ich weiß, wie gut die spielen kann."
So habe Grabher im Winter in der Südstadt auch einmal die Möglichkeit bekommen, mit der ehemaligen Weltranglisten-Dritten Elina Svitolina zu trainieren. Die Ukrainerin ist Ehefrau von Gael Monfils und der Franzose ist schon seit über einem Jahr Schützling von Bresnik.
"Da habe ich schon gesehen, dass wenig bis gar kein Unterschied zwischen den beiden ist. Außer natürlich im Ranking und im Auftreten im Match. Spielerisch hat sie dieses Niveau aber auf jeden Fall drauf", traut der erfahrene Ex-Thiem-Betreuer seinem Schützling einiges zu.
Konstanz fehlt noch
Woran es meistens noch scheitere? Die nötige Konstanz sei einfach noch nicht da. Melzer: "Sie muss einfach die Fehlerquote minimieren. Sie hat immer wieder Matches dabei, wo sie sich selber schlägt. Wenn sie das schafft, dann ist sicher einiges Potenzial da."
Sie nutzt jede Minute und ist nicht eine, die minutenlang herumsitzt und Griffband wickelt oder mit lauter gerissenen Saiten zum Training kommt. Die ist hochprofessionell. Und das taugt mir natürlich.
Grabher bestätigt: "Fehler sind natürlich nie gut, deshalb versuchen wir auch im Training, dies zu stabilisieren. Die Quote bei den unerzwungenen Fehlern muss sinken", ist die Marschroute klar.
Mit dem Training unter Bresnik in der Südstadt ist Grabher sehr zufrieden. Schon seit einiger Zeit wohnt die Vorarlbergerin in Wien. Im heimischen Ländle ist sie nur mehr "ganz, ganz selten. Die Zusammenarbeit mit Günter funktioniert super und ich bin auch voll zufrieden damit. Er weiß auch, was ich noch verbessern muss, um meine Ziele zu erreichen."
Bresnik lobt Einstellung Arbeitseifer
Bresnik gibt das gerne Lob zurück. Er hebt besonders Grabhers Arbeitseifer und ihre Einstellung hervor: "Die macht einfach das, was man ihr sagt. Die kommt in der Früh und bevor sie noch trainiert hat, sagt sie schon drei Mal 'Danke'. Sie sagt schon 'Danke', dass sie überhaupt kommen darf."
"Sie nutzt jede Minute und ist nicht eine, die minutenlang herumsitzt und Griffband wickelt oder mit lauter gerissenen Saiten zum Training kommt. Die ist hochprofessionell. Und das taugt mir natürlich", schwärmt der 61-jährige Niederösterreicher.
Training mit Spezialbrille
Grabher versucht auch abseits der normalen Trainingsmethoden noch das eine oder andere Prozent aus sich herauszuholen. Seit Mitte des vergangenen Jahres arbeitet sie an ihrer "Neuroathletik". Dabei trainiert sie mit einer Spezialbrille, die simuliert, als ob sie mehrmals pro Sekunde blinzeln würde. Nimmt sie die Brille wieder ab, sieht Grabher alles vorübergehend wie in Zeitlupe.
"Ich trainiere viel mit der Brille. Das stärkt meine Reaktionsfähigkeit. Ich habe dadurch eine bessere Übersicht auf dem Platz bekommen, weil man dadurch auch die Augen mittrainiert. Zum Beispiel ist es beim Return sehr wichtig, weil man da schnell reagieren muss. Wenn man da früh erkennt, wo der Ball hingeht, hat man da einen Riesenvorteil", so Grabher, die durch ihren Bruder Alexander auf diese noch recht neue Trainingsmethode gestoßen ist.
Unterstützung vom Bruder
"Mein Bruder ist mein Athletik- und Konditionstrainer. Der hat sich viel mit diesen Sachen auseinandergesetzt und hat nach einer Analyse gesehen, dass ich da noch viel Potenzial nach oben habe", so Grabher, die auch sonst stark auf die Unterstützung ihres Bruders bauen kann.
"Er hat früher auch sehr viele Tennis und auch einige Future-Turniere gespielt, bis er gesehen hat, dass die Spitze doch zu weit entfernt ist. Er spielt selbst richtig gut und ist für mich auch bei den Turnieren ein perfekter Sparring-Partner. Er begleitet mich sehr oft auf der Tour und das ist für mich natürlich sehr wichtig, dass ich da jemanden mithabe, dem ich voll vertrauen kann und der nur das Beste für mich will", so Grabher.
Ziele: Grand-Slam-Hauptbewerb und Top 100
Wie es für die ehrgeizige Dornbirnerin nun weitergehen soll? "Die beiden große Ziele sind sicherlich ein Grand-Slam-Hauptbewerb und der Einzug in die Top 100. Wenn ich die Sachen mache, die ich im Training mache, dann werde ich das auch schaffen, wenn ich weiter konsequent bleibe und diszipliniert jede Woche das spiele, was ich in Istanbul gespielt habe. Das ist die große Herausforderung, dass ich das jede Woche so abrufen kann. Wenn mir das gelingt, dann habe ich gute Chancen diese Ziele zu erreichen."
Am Montag startet Grabher mit einer Trainingswoche in der Südstadt in den Beinen in die Qualifikation für die French Open. Dort scheiterte sie im Vorjahr in der letzten Runde hauchdünn in drei Sätzen.
Heuer soll es erstmals mit dem Hauptbewerb klappen. Und dann wären die Top 100 auch schon wieder ein Stückchen näher.