Unglaublich eigentlich. Neunter nach der Regular Season, Siebenter nach der Zwischenrunde und dann der Titel. Das gab’s so noch nie – zumindest im heimischen Basketball.
Thomas Linzer, Geschäftsführer der Burgenländer, hat mit uns eine Runde gedreht – um die Achterbahnfahrt seiner Oberwart Gunners nochmal Revue passieren zu lassen. Wer mitfahren will, steigt ein.
Die Off- und Preseason war erfolgreich: Mit Daniel Köppel hatte man einen österreichischen Big-Man ins Südburgenland gelotst, der Renato Poljaks Lücke langfristig füllen soll. Vier Legionäre ergänzten den Stamm an Österreichern und Headcoach Horst Leitner begann eine Mannschaft zu formen, die in der Vorbereitung doch einen guten Eindruck hinterlassen hatte.
Von Ecken und Kanten und Verletzungen
Doch es eckte rasch: Die ersten drei Ligaspiele wurden zwar gewonnen, berauschend waren die (teilweise knappen) Erfolge über die vermeintlich schwächeren Teams aus Eisenstadt, Wien und Fürstenfeld nicht. Dann setzte es Niederlagen, deren fünf in Folge. Nach der Vierten kam es zum doppelten Legionärstausch: Lamar und Graham raus, Tutu und Brooks rein.
Es begann zu werden, ehe der Verletzungsteufel wütete – Shaquille Rombley (Meniskus), Edi Patekar (Ferse) oder Derreck Brooks (Hand) fehlten versetzt über mehrere Wochen – und das Gunners-Werkl nicht anspringen ließ. Tiefpunkt war dann der Start ins Jahr 2024: Sechs Niederlagen am Stück, die Top-6 waren dahin.
Die Mannschaft war aber nach wie vor intakt, schwor sich zu Beginn der Zwischenrunde nochmals ein – und plötzlich entwickelte sich eine Dynamik: Keine Niederlage in der Qualifikationsrunde, dadurch klarer Sieger und verdient in den Playoffs – und dann ging es mit der Bilanz von 9:3 zum Titel.
"Abgeschlossen habe ich nie - das tust du nicht!"
Es ist keine Seltenheit im Sport, bei langer Erfolglosigkeit gleich eine ganze Saison abzuhaken. Meist im Sinne von: Wir haben eh keine Chance mehr. Wir setzen auf den Nachwuchs. Wir wollen Spieler entwickeln und bereiten uns auf die nächste Spielzeit vor. Alles schon dagewesen.
Trotz der – nennen wir es – verhaltenen Performance hatte man in Oberwart nie mit der Saison abgeschlossen.
"Nein, abgeschlossen – im Sinne von: das Thema ist durch – habe ich nie. Das tust du nicht. Wenn du etwa 40 Jahre dem Basketball widmest, er neben deiner Familie der bestimmende Teil deines Lebens ist, dann bist du der Organisation und Aufgabe so verbunden, dass du damit nicht abschließt. Als erfahrener Realist habe ich aber gewusst, dass es schwierig werden kann, wieder in die Spur zu kommen. Aber ich hatte immer den Glauben daran, dass es funktionieren kann", erklärt Thomas Linzer.
Was er aber gemacht hat, war ein "Loslassen". Jede Woche, meistens montags, traf er Headcoach Horst Leitner zum Jour fixe. Dort erfolgte ein Austausch, wurden Erwartungshaltungen entgegengebracht. Jene von Linzer war das Erreichen der Top-6.
"Als ich dann gesehen hab, dass das nicht so geht, wie ich mir das vorstelle, habe ich zu Horst gesagt: Ich erwarte mir gar nichts mehr. Ich lasse dich jetzt arbeiten. Ich habe losgelassen. Es war kein Aufgeben, ich habe damit die Dinge einfach laufen gelassen und meine Aufgaben darauf beschränkt, mich um das Umfeld zu kümmern."
Trainerwechsel als letzte Konsequenz war nie ein Thema
Mit der Möglichkeit, Legionäre zu tauschen – das tat Oberwart ja doppelt – kann man gewisse Dinge während der Saison korrigieren. Eine andere Korrektur, so hat es etwa win2day Basketball Superliga-Konkurrent St. Pölten praktiziert, ist der Trainerwechsel.
Für Thomas Linzer war das aber nie ein Thema: "Die Trainerdiskussion gibt es immer, wenn sportliche Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden. Für mich gibt es eigentlich nur drei Gründe, warum man einen Headcoach vorzeitig beurlaubt: Man ist davon überzeugt, dass der Trainer nicht die nötige Kompetenz hat – das Gefühl hatte ich nicht. Oder es ist offensichtlich spürbar, dass die Verbindung zwischen Coach und Mannschaft nicht mehr existent ist, um positiv zu arbeiten – auch diesen Eindruck hatte ich nie. Oder der Trainer lässt sich etwas zu Schulden kommen, dass sich mit den Prinzipien des Vereins reibt. Das ist alles nicht passiert."
Aber der 59-Jährige gibt zu, dass es speziell im Jänner und Februar Druck von Seiten der Fans und auch Sponsoren gegeben habe.
"Als General Manager musst du dich mit den Anliegen deiner Stakeholder auch befassen. Das habe ich gemacht. Am Ende haben aber zwei Dinge dazu geführt, warum wir weiterhin auf Horsts Fähigkeiten gesetzt haben: Er ist ein 'Vollblut-Gunner', dessen Leistungen für den Verein über eine weitaus längere Periode zu definieren sind als im Zeitraum von November bis Jänner. Und meine Lebenserfahrung hat mich dem Druck standhalten lassen, weil ich auf mein Bauchgefühl vertraut habe. Ich bin froh und dankbar, schon so gereifte Entscheidungen treffen zu können – wäre ich 35 Jahre alt gewesen, hätte ich vielleicht anders entschieden", erwähnt Linzer.
Charakter der Mannschaft als Erfolgsgeheimnis
Dass die Gunners dann mit Beginn der Zwischenrunde die Kurve kratzten, führt Linzer auf den Charakter der Truppe zurück. Die Mannschaft hat sich im Februar in einem internen Meeting – ohne Trainer und Management – ausgesprochen. "Sie hat begonnen, alle persönlichen Befindlichkeiten auf null zu setzen. Es hat keine Ausreden mehr gegeben. Dadurch ist ein Reife- und Wachstumsprozess entstanden, den man von außen nie hätte initiieren können. Die Athleten haben begonnen, ihre Ziele von Spiel zu Spiel abzuarbeiten – quasi in Wochenetappen. Das haben sie, schlussendlich auch, weil Horst mit ihnen die richtigen Lösungen gefunden hat, super umgesetzt", beschreibt Linzer Oberwarts Erfolgsgeheimnis am Weg zum dritten Titel in der Vereinsgeschichte.
Veränderung bedeutet Wachstum
Erfolgstrainer Horst Leitner verkündete dann noch in der Meisternacht live im TV seinen Abschied. Der dreifache Champion muss also ab sofort ohne seinen "Vollblut-Gunner" auskommen.
Veränderung. Davor hat Thomas Linzer aber keine Angst: "Veränderung bedeutet immer Wachstum – auch wenn es manchmal etwas Zeit braucht, das zu verstehen. Für alle ist es wichtig, neue Schritte zu setzten, um neue Komponenten, neue Blickwinkel und neue Arbeitsweisen zu entwickeln. Alle werden davon profitieren. Horst selbst und der Klub. Es wird neue Impulse geben."
Matthew Otten folgt auf Horst Leitner
Der Neue auf der Gunners-Trainerbank heißt Matthew Otten und ist 42 Jahre alt. Der gebürtige US-Amerikaner spielte neun Saisonen in Europa, seine Coaching-Karriere startete er 2015 in den Niederlanden. Dort war er bis zuletzt auch im Verband als Nachwuchsnationaltrainer tätig.
Was ihn ausmacht? "In seiner bisherigen Trainerkarriere hat er sowohl bei einem mittelklassig strukturierten Team (Yoast United, Anm.), als auch bei einem hochprofessionellen Spitzenteam (Donar Groningen, Anm.) bewiesen, dass er mit beschränkten Ressourcen wie auch mit internationalem Niveau gut umgehen kann. In unseren Gesprächen wurde daher schnell klar, dass wir eine sehr gute Basis für einen gemeinsamen Weg haben", sagt Linzer.
Otten unterschrieb für zwei Spielzeiten und hatte mit Erik Braal – er war zwischen 2013 und 2015 in Oberwart Head Coach – einen Fürsprecher.
"Wir haben eine Gruppe an österreichischen Spielern, die den Unterschied ausmachen kann."
Beim Kader für die neue Saison gibt es eine klare Haltung: "Wir wollen das Team so gut es geht beisammenhalten – der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Weiterverpflichtung der Österreicher. Wir haben eine Gruppe an österreichischen Spielern, die den Unterschied ausmachen kann. Match-Ups bei den Legionären heben sich in der Regel auf. Entscheidend ist am Ende, wie tief deine Rotation ohne Qualitätsverlust ist. Gmunden hatte über Jahre diesen starken rot-weiß-roten Kern, aber – ich denke – sie sind am Zenit. Von unseren Österreichern ist Sebastian Käferle mit 27 Jahren der Älteste. Da ist eine große Perspektive da", hofft Linzer auf eine Art Goldene Generation.
Kapitän Sebastian Käferle und Daniel Köppel haben aufrechte Verträge, mit Edi Patekar und Florian Köppel wurden die Kontrakte erneuert, bei den weiteren Österreichern sei man "sehr weit", bei den Legionärspositionen wolle man ebenfalls "den einen oder anderen zurückholen".
Der Diskussion um Kontinuität als Erfolgsfaktur teilt Linzer aber von vornherein eine Absage und zeigt nach Athen: "Panathinaikos hat fast die komplette Mannschaft ausgetauscht und dann die Euroleague gewonnen. Es entscheidet nicht, wie lange jemand bei einem Verein spielt, sondern mit welcher Einstellung und Professionalität Spieler, Trainer und Betreuer arbeiten."