Es sind besondere zwölf Monate, die Anna Gandler hinter sich hat. Als "Nachrückerin" aus dem IBU-Cup in die Vorsaison gestartet, ist sie mittlerweile die klare Nummer zwei im heimischen Frauen-Biathlon hinter Weltmeisterin Lisa Hauser.
Beim Heimweltcup in Hochfilzen nahm sich die 22-Jährige Zeit für ein Gespräch mit LAOLA1. Dabei wird ihre Entschlossenheit deutlich, mit der sie an ihren Beruf, der viel mehr eine Berufung ist, herangeht. Ebenso wie ihre Leidenschaft, die sie für den Biathlon hegt.
Gandler weiß genau, wo sie hin will und welche Schritte dafür nötig sind. Ihre bisherigen Leistungen, darunter eine WM-Goldene bei den Junioren, zeigen, dass die Tochter des früheren ÖSV-Rennsportdirektors Markus Gandler auch alles mitbringt, um in ihrer Heimat ein echter Star zu werden.
Zwar will sie den nicht gerade unerfolgreichen Papa übertrumpfen, dabei jedoch ihre ganz eigenen Fußstapfen hinterlassen. Sein Rat ist aber dennoch ein wichtiger Baustein auf ihrem bisher so erfolgreichen Weg. Stress macht sie sich dabei allerdings keinen: "Ich bin ja trotzdem immer noch jung", meint die 22-Jährige und zeugt dabei gleichzeitig von enormer Reife.
LAOLA1: Du hast in den letzten Jahren einen steilen Aufstieg hingelegt und wurdest in kurzer Zeit die Nummer zwei im Team. Wie soll dein Weg in dieser Saison weitergehen?
Anna Gandler: Natürlich wäre es schön, wenn es so weitergeht. Mein Ziel ist es, heuer regelmäßig in die Top 10 zu laufen. Ich habe gesehen, dass ich mittlerweile auch mit Lisa (Hauser, Anm.) läuferisch mithalten kann. Ich weiß, wo Lisa schon war, sie ist auf jeden Fall ein Riesen-Vorbild für mich. Ich weiß nicht, ob es dieses Jahr schon unbedingt sein muss, ich bin ja trotzdem noch immer jung. Im Biathlonsport ist der Durchschnitt bei etwa 25 Jahren, wo man die Topleistungen bringt. Von daher stresse ich mich da nicht, aber je früher es kommt, desto besser.
LAOLA1: Du hast im Vorjahr in Hochfilzen dein Weltcup-Debüt gegeben, bist im Verfolger, deinem zweiten Weltcup-Rennen, gleich auf Rang 30 gelaufen. Wie denkst du ein Jahr später daran zurück?
Gandler: Ich muss sagen, dass mir Hochfilzen dann gar nicht mehr so im Kopf geblieben ist, weil danach noch so viele Highlights gekommen sind. Es hat aber natürlich in Hochfilzen begonnen. Da war ich froh, dass ich mich überhaupt für die Verfolgung qualifizieren konnte. Der Sprint (Rang 51, Anm.) war für mich sogar eher ein schlechtes Rennen. Dass ich in der Verfolgung gleich in die Punkte gelaufen bin, habe ich zunächst gar nicht so richtig realisiert. Danach, in Le Grand Bornand, habe ich einen elften Platz geholt (in der Verfolgung, Anm.). Da habe ich gemerkt: 'Okay, Anna. Jetzt bist du wirklich in der Weltspitze angekommen.' Auch heuer war ich in Hochfilzen extrem nervös, das ändert sich anscheinend gar nicht. Aber es war trotzdem geil. Die Zuschauer haben mich so gepusht, das war wirklich mega.
LAOLA1: Du hast Le Grand Bornand angesprochen. Das heißt, das war bei dir der Moment, als du erstmals gespürt hast: Jetzt hab ich es geschafft. Ich kann, wenn alles passt, mit den Besten der Welt mithalten.
Gandler: Ja genau. Das hat mich total motiviert. Leider war danach die Weihnachtspause, wo es mich (gesundheitlich, Anm.) erwischt hat. Ich hab damals geglaubt, wenn ich jetzt gut trainiere, geht es vielleicht noch weiter nach vorne. Aber dann kam eben das Tief. Ich habe dann lange gebraucht, bis ich mich da wieder herausarbeiten konnte. Es ist natürlich dieses Jahr das Ziel, in dieser Phase fit zu bleiben.
LAOLA1: Im Februar steht die WM in Nove Mesto auf dem Programm. Was dürfen sich deine Fans von dir dort erwarten?
Gandler: Ich bin eher eine, die lieber Schritt für Schritt schaut. Fit zu bleiben, ist der unterste Teil der Pyramide. Aber ich liebe Nove Mesto, es ist eine Strecke, die mir total liegt. Letztes Jahr ist es mir dort mit dem Schießen nicht so aufgegangen, da hatte ich mental ein wenig Schwierigkeiten. Bis es soweit ist, bin ich aber froh, wenn ich regelmäßig Punkte mache und es in die Top 10 schaffe. Noch ist es ja ein wenig hin bis zur WM.
"Da vertraue ich ihm voll und ganz, auch wenn ich ihm davor oft den letzten Nerv raube."
LAOLA1: Vor allem in der Staffel habt ihr als Frauen-Team im Vorjahr stark aufgezeigt und zwei fünfte Plätze geholt (in Antholz und bei der WM, Anm.). Wie schätzt du die Chance ein, dass es heuer das erste Stockerl zu bejubeln gibt?
Gandler: Bei der Staffel gibt es immer Überraschungen, das hat man nie so in der Hand. Ich bin der Meinung, dass man da wenig voraussagen kann. Den ersten fünften Platz (in Antholz, Anm.) haben wir sogar ohne Lisa (Hauser, Anm.) geholt. Die Voraussetzung ist eben, fehlerfrei zu bleiben. In Antholz haben wir nur drei Nachlader gebraucht. Wenn das so funktioniert und alles zusammenpasst, könnte es schon bald passieren.
LAOLA1: Jemand, der das Gefühl, auf einem Weltcup-Stockerl zu stehen, gut kennt, ist dein Vater Markus. Er war als Langläufer erfolgreich und später lange Jahre im ÖSV als Rennsportdirektor eine prägende Figur. Welche Vorteile hat es für dich, jemanden mit dieser Expertise und Erfahrung zum Vater zu haben?
Gandler: Ich muss sagen, das hilft mir enorm. Er ist jemand, der mich in den richtigen Momenten zurückhält und sagt: 'Stop mit dem Training, keine Sorge.' Ich frage dann immer, ob er sicher ist und wir nicht zu wenig getan haben. Er hat da einfach ein tolles Gespür und ist sehr feinfühlig. Da vertraue ich ihm voll und ganz, auch wenn ich ihm davor oft den letzten Nerv raube.
LAOLA1: Wie wichtig ist dein Vater für dich heute noch als Ratgeber?
Gandler: Er ist sehr wichtig für mich. Ich trainiere jetzt zu 80 Prozent nur mit ihm. Mein Vater hat mich als erster auf die Ski gestellt und bis heute begleitet. Seit ich zwei Jahre alt bin, hat er mit mir trainiert. Deswegen ist es mir ganz wichtig, dass er mich weiterhin begleitet. Ich zähle wirklich zu hundert Prozent auf seine Meinung.
LAOLA1: Inwiefern war und ist dein Vater für dich ein Vorbild oder vielleicht sogar eine Art Idol?
Gandler: Das ist er auf jeden Fall. Er hat im Langlauf viel erreicht, man sieht ja wie schwierig das ist. Man selbst will dann natürlich auch da hin. Es ist ein kleines Tochter-Vater-Duell. Mal sehen, ob ich seine Leistungen toppen kann.
"Ich mache das, was ich liebe. Dass ich dadurch gleichzeitig andere inspirieren kann, ist schon richtig cool."
LAOLA1: Welche anderen Biathlon-Asse haben dich in deiner Jugend inspiriert?
Gandler: Ich bin ja durch Christoph Sumann zum Biathlon gekommen, er ist mein Firmpate. Unsere Familien sind schon ewig befreundet. “Sumi” ist ein cooler Typ, seine Interviews waren für mich immer ein Highlight. Aber auch Magdalena Neuner gehört dazu. Ich habe immer gesagt, ich möchte so sein wie sie.
LAOLA1: Heute bist du für aufstrebende Jung-Biathletinnen und -Athleten selbst schon zum Vorbild geworden. Was macht dieser Gedanke mit dir?
Gandler: Natürlich freut mich das total. Ich mache das, was ich liebe. Dass ich dadurch gleichzeitig andere inspirieren kann, ist schon richtig cool. Wir brauchen jede Athletin und jeden Athleten im Biathlonsport. Man merkt, dass Biathlon immer populärer wird. Trotzdem sind wir über jeden Nachwuchs froh. Man sieht beispielsweise bei den Austria Cups, dass es mehr wird. Aber natürlich: Je mehr, desto besser.
LAOLA1: Auf welchen Erfolg in deiner bisherigen Karriere bist du am meisten stolz?
Gandler: Immer noch auf meine Jugend-WM-Goldene (Lenzerheide 2020, Anm). Da hatte ich eine sehr schwere Zeit hinter mir, wo mir läuferisch und im Schießen nichts aufgegangen ist. Das ist ein Ereignis, an das ich heute noch denke. Das Rennen habe ich immer noch auf meinem Laptop abgespeichert und schaue es mir immer wieder an. Und natürlich vergangene Saison Platz sieben in Oslo. Das sind meine zwei großen Highlights.
LAOLA1: Es ist bald Weihnachten. Was wünscht sich Anna Gandler vom Christkind?
Gandler: Ein Stockerl wäre cool. Oder das Pony, das ich mir schon seit 20 Jahren wünsche (lacht).