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Martin Fourcade: Die Angst trieb ihn an

Biathlon-Legende Martin Fourcade: Egozentriker und Dominator, der seine Stärke verlor.

Martin Fourcade: Die Angst trieb ihn an Foto: © getty

Der letzte Schuss war ein Treffer.

So, wie man es von Martin Fourcade gewohnt ist. Der Franzose dominierte den Biathlon-Sport lange Zeit nach Belieben und hat ihn geprägt wie nur wenige andere.

Auf den Tag genau zehn Jahre nach seinem ersten Weltcupsieg am 14. März 2010 beendete er nun am selben Ort in Kontiolahti seine einzigartige Karriere – standesgemäß mit einem Sieg.

Bei der WM in Antholz gewann der 31-Jährige zuletzt noch einmal Gold im Einzel und in der Staffel sowie Bronze im Sprint. Das ist nicht viel, an den früheren Maßstäben gemessen.

Denn Martin Fourcade hat alles gewonnen, was es im Biathlon zu gewinnen gibt.

Fourcades Vorliebe für den Wettkampf

Als Fourcade fünf Jahre alt war, zog er mit seiner Familie – seine Mutter war Logopädin, sein Vater Bergführer – in die Pyrenäen, wo seine Eltern ein isoliert liegendes Ferienhaus übernahmen.

Zum Leben in den Pyrenäen gehörten Skifahren, Schneeschuh-Touren und Langlaufen dazu. Durch seinen vier Jahre älteren Bruder Simon kam Martin zum Biathlon.
Beim jungen Fourcade zeigte sich schnell: Er will immer der Erste sein und hat eine Vorliebe für den Wettkampf.

Dieser unbändige Ehrgeiz war bzw. ist es, der Fourcade zu einem der besten Biathleten der Geschichte werden ließ.

79 Einzel-Weltcupsiege, 7 Gesamt-Weltcupsiege, 13-WM-Titel und 5 Olympia-Goldmedaillen brachten ihn an die Spitze des Sports und vieler Bestenlisten.
Sieben Erfolge im Gesamt-Weltcup – noch dazu in Serie – hatte vor Fourcade noch niemand geschafft. Vier Mal gelang es ihm, sowohl die große Kristallkugel als auch alle vier Disziplinenwertungen in einer Saison zu gewinnen.

Mit 28 WM-Medaillen (13 Gold, 10 Silber, 5 Bronze) liegt er auf Platz zwei der ewigen Bestenliste. Bei Olympischen Winterspielen gewann Fourcade fünf Gold- und zwei Silbermedaillen, womit er Frankreichs erfolgreichster Olympiateilnehmer aller Zeiten ist.

„Die Angst, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen, trieb mich immer dazu an, mich auf neue Herausforderungen zu fokussieren, statt auf bereits erfüllte."

„Die Angst, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen, trieb mich immer dazu an, mich auf neue Herausforderungen zu fokussieren, statt auf bereits erfüllte. Dieser feste Willen, nicht in der Vergangenheit zu leben, mag mit dazu beigetragen haben, dass ich alle meine sportlichen Träume erfüllen konnte“, schreibt Fourcade in seinem Buch „Mein Traum von Gold und Schnee".

Zu den fünf Ringen hatte Fourcade seit jeher eine besondere Beziehung. 1996 im Familien-Urlaub in Quebec durfte der junge Martin mit seinen Brüdern die Sommerspiele in Atlanta im TV verfolgen. Laut Fourcades Mutter sei damals schon ein Funkeln in seinen Augen zu sehen gewesen – die Initialzündung für die Begeisterung zum Sport.

Als Fourcade seine Stärke verlor

Die vergangenen Olympischen Spiele in Pyeongchang 2018 stellten für Fourcade einen Knackpunkt in seiner Karriere dar.

Drei Goldmedaillen (Verfolgung, Massenstart, Mixed-Staffel) und der darauffolgende Trubel hatten im Weltcup ihre Folgen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Fourcade bis dahin Siege feierte, war verschwunden.

Das Gelbe Trikot, von dem er selbst sagt, dass es für ihn sieben Jahre wie eine zweite Haut war, musste er abgeben. Nach einer WM ohne Medaille und Rang zwölf im Gesamtweltcup beendete er die Saison 2018/19 vorzeitig. Der Dominator im Biathlon heißt nun Johannes Thingnes Boe.

"Ich habe viel gewonnen in meiner Karriere. Viel mehr, als ich gedacht habe. Wenn ich einen Tag nicht gewonnen habe, dann eben am nächsten. Letztes Jahr habe ich das verloren. Ich habe meine Stärke verloren. Und gemerkt, dass Biathlon schwierig ist", sagte Fourcade zuletzt in Antholz nach Gold im Einzel.

In diesem Winter hat der zweifache Familienvater seine Stärke langsam wiedergefunden. Die Siege stellten sich allerdings erst in Abwesenheit von Boe, der im Jänner eine Babypause einlegte, wieder ein. Mit vier Erfolgen in Oberhof und Ruhpoling übernahm Fourcade zwischendurch wieder das Gelbe Trikot des Gesamtweltcup-Führenden.

Von der wohl tiefsten Krise seiner Karriere wieder auf das oberste Podest. "Ich bin stolz, wieder zurück zu sein und gegen meine Zweifel und Albträume zu kämpfen“, kam mit den Siegen auch Fourcades Selbstbewusstsein zurück.

Der Egozentriker Fourcade

Die Überheblichkeit, die ihm oft zur Last gelegt wurde, gehört – so scheint es – der Vergangenheit an.

Unsympathisch, arrogant, provokant – nicht selten musste sich Fourcade diese Attribute vorwerfen lassen. Kein Wunder, mal jubelte er schon nach dem letzten Schießen mit geballter Faust, mal fuhr er rückwärts ins Ziel oder schnallte sich auf den letzten Metern die Skier ab.

Der Franzose machte seine Überlegenheit gerne deutlich. Gleiches gilt für seine Meinung, vor allem im Kampf gegen Doping.

Aber Fourcade kann auch anders. Seine sportliche Krise hat ihn etwas demütig gemacht.

Aus dem ehemaligen Egozentriker ist ein Teamplayer geworden. Er kann sich inzwischen auch für andere freuen, wie für seinen "Ziehsohn" Emilien Jacquelin, der ihn in der WM-Verfolgung in Antholz besiegte.

"Ich habe nie mit Biathlon angefangen, um in die Geschichtsbücher zu kommen."

Und er erkennt an, wenn jemand besser war. So sagte er nach seinem letzten Rennen, in dem er das Gelbe Trikot um zwei Punkte noch an Boe verlor: „Es hat schon seine Richtigkeit, dass Johannes den Gesamtweltcup gewonnen hat.“

„Ich habe mit Biathlon angefangen, um in der Natur zu sein, umgeben von Familie und Freunden“, sagt der Superstar. „Ich habe nie mit Biathlon angefangen, um in die Geschichtsbücher zu kommen.“

Am Ende seiner Karriere kann man sagen: Martin Fourcade hat die Geschichtsbücher neu geschrieben. 

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