Es läuft nicht für Österreichs Biathlon-Asse in diesem Winter - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn insbesondere in der Loipe hinken die heimischen Athlet:innen hinterher, was dazu führt, dass man - trotz starker Performance am Schießstand - derzeit nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft für Spitzenplätze zu sorgen.
Mit Lisa Hauser, Anna Gandler, Simon Eder, David Komatz und Felix Leitner verfügt man über Personal, welches aber von seinen Voraussetzungen her dazu im Stande wäre und dies in der Vergangenheit bereits bewiesen hat.
Das ist Österreichs Team für die Biathlon-WM>>>
Kurz gesagt: Es ist ein Winter, wie man ihn sich beim ÖSV so nicht gewünscht haben kann. Woran krankt es also?
Wo wir stehen
Die WM in Nove Mesto steht vor der Tür und in Einzelbewerben ist Rot-Weiß-Rot heuer bei den Männern ohne jeden Top-Ten-Platz, bei den Frauen gab's erst deren zwei. Einzig Lisa Hauser und Simon Eder konnten in Antholz aufzeigen, landeten nach starker Leistung in der Single-Mixed-Staffel auf dem Podest.
Ein Abwärtstrend, der sich in diesem Ausmaß nicht zwingend abgezeichnet hat, aber auch keine große Überraschung ist.
Insbesondere das Männer-Team kommt in der Loipe nicht auf Touren. Womit wir auch schon beim wichtigsten Punkt angekommen wären: Es gilt bei der Betrachtung grundsätzlich zwischen Männer- und Frauen-Team zu unterscheiden.
Das liegt an den Saisonverläufen, am vorhandenen Personal, aber auch an den "Krankenakten" der diversen Athletinnen und Athleten. Und: In der Analyse muss man über die aktuelle Saison hinausdenken. Denn man hat es mit einem Problem zu tun, das zwar heuer besonders sichtbar wird, sich aber über Jahre entwickelt hat.
"Vom Training her haben wir heuer aber sehr viel richtig gemacht. Dass es jetzt noch so schlecht ausschaut, verstehen wir alle nicht."
Im Schießen zählten Simon Eder, Lisa Hauser & Co. schon in den vergangenen Jahren zu den Top-Nationen, dieser Trend setzt sich erfreulicherweise auch heuer fort, überdeckt dadurch aber auch ab und an die schwache Lauf-Performance.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Felix Leitner: Er landete beim Einzel in Östersund auf dem guten elften Rang - weil er alle (!) 20 Schüsse ins Ziel brachte. Leitner wies aber nur die 51. Laufzeit auf, verlor in der Loipe 3:35,2 Minuten auf den Schnellsten. Dies war der Schwede Sebastian Samuelsson, der im Ziel trotz dreier Fehler fast 40 Sekunden vor ihm lag.
"Vom Training her haben wir heuer aber sehr viel richtig gemacht. Dass es jetzt noch so schlecht ausschaut, verstehen wir alle nicht", meinte Leitner in Hochfilzen im Gespräch mit LAOLA1.
Wichtig zu betonen ist aber, dass Leitner nur eines von vielen Beispielen ist und hier keineswegs negativ herausgehoben werden soll. Auch von anderen, wie etwa Weltmeisterin Lisa Hauser und dem im Vorjahr bärenstarken David Komatz, kommt bisher zu wenig.
Die Gründe für das "Loipen-Leiden" der ÖSV-Asse sind vielfältig und einerseits allgemeiner, andererseits auch individueller Natur. Folgend wollen wir Männer und Frauen gesondert unter die Lupe nehmen.
Männer-Team: Der "Oldie" gibt nach wie vor den Ton an
Bezeichnend ist, dass mit dem bald 41-jährigen Simon Eder bei den Männern nach wie vor der "Oldie" läuferisch über allen anderen steht. Die Leistung des Routiniers kann nicht hoch genug geschätzt werden, dass er aber in der Loipe nach wie vor so klar den Ton angibt, wirft Fragen auf. Er ist auch der einzige im Team, der sich auf dem Niveau der letzten Jahre bewegt.
Mit Felix Leitner (27) verfügt der ÖSV über einen früheren Junioren-Weltmeister, der im Weltcup bereits am Stockerl stand. Er weiß also, wie es geht. In den vergangenen beiden Jahren entwickelt sich aber auch seine Laufleistung zurück. War er früher stets ein bis zwei Prozent schneller als der durchschnittliche Weltcup-Athlet, bewegte er sich letzte Saison um die Null, heuer ist er sogar zwei Prozent langsamer.
Aktuell befindet er sich damit jenseits der Top 50 und damit im Bereich von Koreanern, Japanern und Polen. Also Nationen, die weit weg von den Top acht (Nationencup) sind, zu denen Österreich in den letzten Jahren stets gehörte.
David Komatz, der speziell im Vorjahr gute Laufleistungen zeigte, sind die Gründe anders gelagert, bei ihm muss man relativieren. Den 32-Jährigen plagt schon seit der Vorbereitung ein Bandscheiben-Problem. Bei längeren Laufdistanzen macht bei ihm der Rücken zu und die Beine werden taub. Da eine ähnliche Loipen-Performance wie im Vorjahr zu zeigen, würde beinahe einem Wunder gleichen. Im Gegenteil: Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er sich fürs Team aufopfert und für diese Umstände dennoch immer wieder gute Teilleistungen bringt. Wie etwa in der Ruhpoldinger Staffel, als er (bestimmt nicht schmerzfrei) die drittbeste (!) Schlussrunde zeigte.
Mit Dominic Unterweger (24) und Magnus Oberhauser (25) hat man zwei Athleten im Team, die schon fast Eders Kinder sein könnten und in der Laufzeit aber deutlich hinter ihm liegen. Bei Patrick Jakob (27) sieht es nicht besser aus.
Das zeigt ein Problem auf, wie auch aus dem ÖSV-Umfeld zu hören ist: Athleten, die aus den Nachwuchsschmieden in den Nationalkader kommen, fehlt es teilweise an der entsprechenden Basis, um zumindest in die erweiterte Weltspitze vorzustoßen. Ist man einmal im Nationalkader angekommen, lässt sich das aber nur noch schwer aufholen.
Ein junger Mann, der Hoffnung weckt
Hoffnung macht hier Fabian Müllauer. Der frisch 21 Jahre jung gewordene Salzburger zeigt im Junior- und IBU-Cup mit Top-Laufzeiten auf. Seine Durchschnitts-Laufzeit ist sechs Prozent schneller als das Mittel des Gesamtfeldes. Ein Wert, den kein anderer Österreicher in den ersten beiden Biathlon-Ligen derzeit aufweisen kann.
Auch bei Lukas Haslinger (20) sieht es gut aus, dass er in den kommenden Jahren die nötigen Schritte macht. ÖSV-Biathlon-Chef Franz Berger: "Wir haben dort durchaus Leute. Das Potenzial ist da, wir hoffen, dass sie den Anschluss schaffen." Dafür sei kontinuierliche Arbeit wichtig, es mangle aber an der sozialen Absicherung durch Posten bei Polizei, Zoll oder Heer (zum ganzen Interview>>>).
"Wir wollen allen zeigen, dass mehr in uns steckt, als wir bisher gezeigt haben."
Die bisher dürftige Saison bei den Männern ist aber auch dem Thema Krankheiten geschuldet. Denn speziell im Dezember erwischte es Rot-Weiß-Rot hart: Das Männer-Team glich einem Lazarett, als eine Krankheitswelle das Team erfasste (Hier nachlesen>>>). Auch das bremste die Leistungsfähigkeit und verhinderte bessere Ergebnisse. Das darf aber keine Ausrede dafür sein, dass die Laufleistungen in dieser Saison nicht ausreichend sind und insgesamt eine Rückentwicklung stattfindet, an der es (durch Veränderungen in der Ausbildung?) anzusetzen gilt.
Cheftrainer Vegard Bitnes ist für die WM aber dennoch positiv gestimmt. Er habe "das Gefühl, dass wir in dieser Saison noch nicht zeigen konnten, was in unserer Mannschaft steckt", so der Norweger gegenüber LAOLA1. "In der Vorbereitung haben wir uns auf Maximalgeschwindigkeit fokussiert", erklärt er weiter. Von seinen Schützlingen kamen dazu erfreuliche Signale. Bei den Einheiten habe es gut ausgesehen. "Die Athleten sagen selber, dass sie die volle Kraft auf die Strecke bekommen", betont er.
Die Herausforderung bleibt aber die Komplexleistung. "Die hohe Geschwindigkeit in Kombination mit der Schießleistung wird unsere Challenge sein", weiß auch Bitnes. "Ich hoffe und glaube, dass wir das umsetzen können. Wir wollen allen zeigen, dass mehr in uns steckt, als wir bisher gezeigt haben", gibt sich der Norweger kämpferisch. Man werde sehen, wozu es am Ende reicht, das Ziel ist klar: "Wir wollen bei der WM eine Verbesserung schaffen."
Warum es bei den Frauen besser ausschaut
Lisa Hauser, in den vergangenen Jahren das große Zugpferd, läuft ihrer Form heuer noch hinterher. In der Vorsaison holte sie noch zwei Siege, heuer steht erst ein Top-Ten-Platz zu Buche. Ausgerechnet vor der WM hatte sie mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Deshalb muss sie auch den Auftakt-Mixedbewerb auslassen >>>
Hauser, die die Vorbereitung in Obertilliach sausen lassen musste, will bei der WM aber starten. Optimale Voraussetzungen sind dennoch anders. Dass dies gerade bei ihr aber nichts heißen muss, zeigte sie im Vorjahr. Da war ihre Saison-Vorbereitung krankheitsbedingt stark eingeschränkt, dennoch gewann sie entgegen aller Erwartungen den Sprint beim Auftakt in Kontiolahti. Womöglich ist eine angeschlagene Hauser bei der WM sogar am gefährlichsten. Dass sie es kann, steht bei einer Massenstart-Weltmeisterin und fünffachen Weltcupsiegerin ohnedies außer Diskussion.
Auch Chefcoach Markus Fischer glaubt daran: "Der Schießstand (in Nove Mesto, Anm.) ist sehr windanfällig und daher denke ich, dass es auch die ein oder andere Überraschung geben könnte."
Bei Anna Gandler ist es heuer ein stetes Auf und Ab, bei einer jungen Athletin aber kein Grund zur Sorge. Die 23-Jährige war zum Jahreswechsel außerdem gesundheitlich angeschlagen. Davor zeigte sie in Hochfilzen mit den Rängen elf (Sprint) und zehn (Verfolgung), was möglich ist. Auch sie selbst ist guter Dinge: "Ich fühle mich fit und bin guter Dinge, dass es jetzt wieder besser funktionieren wird."
Erfreulich ist der Weg, den Gandlers Namensvetterin Anna Juppe hinlegt. Die 24-Jährige krallte sich heuer im Weltcup-Team fest. Im Laufen ging ihre Form vor der WM immer weiter nach oben. Bei ihrem bisher letzten Individual-Rennen, dem kurzen Einzel in Antholz, brannte Juppe die 15. Laufzeit in den Schnee und distanzierte etwa Hanna Öberg und Lena Haecki-Gross um fast 30 Sekunden.
Ihr Manko ist (noch) das Schießen, aber auch hier geht ihr Trend heuer nach oben, in Hochfilzen blieb sie im Sprint erstmals im Weltcup fehlerfrei und holte mit Rang 13 auch ihr bestes Karriere-Ergebnis. Bei ihr stimmt also die Grundlage, was besonders erfreulich ist. Denn am Schießen lässt sich auf Weltcup-Niveau wesentlich einfacher feilen, als an einer fehlenden Basis in der Loipe.
Einzig bei Tamara Steiner und Dunja Zdouc ist im Frauen-Team in der Loipe ähnlich viel Luft nach oben, wie bei ihren männlichen Pendants. Die beiden haben ihre Stärken am Schießstand. In der Gesamtlaufzeit liegen sie derzeit zwei bzw. vier Prozent über dem Weltcup-Durchschnitt. Ihre Kolleginnen Gandler, Hauser und Juppe dagegen liegen zwei Prozent darunter.
Andexer: Ein Super-Talent, das bald jeder kennt?
Berechtigte Hoffnung wecken bei den Frauen Lea Rothschopf, Anna Andexer und Lara Wagner. "Super-Talent" Andexer (21) startete heuer erstmals im IBU-Cup und untermauerte dort ihr großes Potenzial eindrucksvoll. In ihrem erst dritten Rennen in der "zweiten Biathlon-Liga" schaffte sie es Anfang Jänner als Zweite sogleich aufs Stockerl. Die starken Leistungen blieben keine Eintagsfliege, seither war sie nie schlechter als Zwölfte. Was bei ihr besonders hervorzuheben ist: Ihre Gesamtlaufzeit ist sieben Prozent schneller als der Durchschnitt. Mit einem solchen Wert hat sie Top-Platzierungen in der eigenen (Schuss-) Hand.
Die 22-jährige Rothschopf wurde überraschend für die WM nominiert, hat sich dies mit ihren Leistungen aber redlich verdient. Bei der WM-Generalprobe in Arber sprintete sie als Dritte erstmals im IBU-Cup aufs Podest. Auch sie bringt die läuferischen Grundlagen mit, um auf Sicht im Weltcup reüssieren zu können.
Lara Wagner (21) zeigte bereits im Junior-Cup auf und tastet sich derzeit über den IBU-Cup heran, in dem sie heuer bereits zwei Top-15-Plätze zu Buche stehen hat. Auch sie wird, wenn ihre Entwicklung so anhält, in den nächsten Jahren eine ernsthafte Option sein.
Es zeigt sich also: Bei den Frauen ist man auf einem wesentlich besseren Weg, als bei den Männern. Hier muss einem um die Zukunft deutlich weniger bang sein, weil man über ausreichend Talente verfügt, welche die notwendigen Anlagen mitbringen, um auf Weltcup-Niveau zu kommen. Bei den Etablierten scheint zudem die Grundlage zu stimmen, hier funken aktuell einfach Formkrisen und/oder die Gesundheit dazwischen.
Fluorwachs-Verbot: Eines, das für den ÖSV zur Unzeit kommt
Was seit dieser Saison erschwerend hinzukommt, ist das Verbot von Fluorwachs, welches die Spreu vom Weizen noch deutlicher trennt - was wichtig zu betonen ist. Denn diese Komponente wird von Fans (und auch Kritikern) oftmals unterschätzt, weil sie für das bloße Auge nicht sichtbar, aber äußerst relevant ist.
Die großen Nationen wie Norwegen, Schweden oder Deutschland haben hier einen klaren Vorteil. Ihnen stehen im Servicebereich schlichtweg umfassendere Möglichkeiten zur Verfügung. Diese haben kleinere Nationen nicht. Österreich als Biathlon-Nation ist nicht klein, aber eben kleiner. So gesehen kommt das Verbot für Österreich zur Unzeit, weil die Distanz zu den Top-Nationen dadurch noch größer wird. In den vergangenen Jahren konnte man durch das Material noch die eine oder andere Sekunde wettmachen, was nun ungleich schwieriger ist.
Denn Fluorwachs zögert im Rennen den Abbau des Belags hinaus, was die Kluft zwischen Spitzenläufern und dem Rest des Feldes in der Vergangenheit ausglich, nun aber nicht mehr der Fall ist.
Der ÖSV ist im Servicebereich gut aufgestellt. Mit den Möglichkeiten der drei genannten Nationen lässt sich aber einfach schwer mithalten. Und es ist ja nicht so, dass dies beim ÖSV gar nicht gelingt. Das widerlegen schon allein die guten Teilleistungen von David Komatz, Simon Eder oder Anna Juppe im Weltcup und den Youngsters um Andexer, Müllauer & Co. in den Ebenen darunter.
Personal: Ohne Eder und Komatz wirds dünn
Personell zeigt sich auf Strecke bei den Frauen ein positiver Trend. Bei den Männern dagegen ist die Personaldecke an potenziellen Nachrückern dünn.
Bei Simon Eder kann es jedes Jahr soweit sein, dass er einen Schlussstrich unter seine erfolgreiche Karriere zieht. Auch David Komatz deutete im Dezember an, dass für ihn aufgrund seiner Rücken-Beschwerden im Sommer womöglich Schluss sein könnte.
Stand jetzt würde man in diesem Fall mit Felix Leitner, Patrick Jakob, Dominic Unterweger und Magnus Oberhauser nur noch über vier Athleten mit Weltcup-Erfahrung verfügen, die derzeit allesamt keine Laufwunder sind. Die drei letzteren haben zusammengenommen in ihrer Karriere keine 35 Weltcuppunkte zu Buche stehen. Auch die Anzahl an Einsätzen ist nicht berauschend: Jakob (35) ist vor Unterweger (20) und Oberhauser (11) noch der erfahrenste "Rookie". Es bleibt also zu hoffen, dass Müllauer, Haslinger & Co. besser heute als morgen den Anschluss schaffen.
Fällt einer der Etablierten aus, könnte es eng werden. Es droht die Gefahr, wie heuer bereits geschehen, dass Österreich einen oder gar mehrere seiner Startplätze nicht besetzen kann.
Fazit: Es braucht neue Ideen und ein wenig Geduld
Wenn man ein Hoch hat, so sagt man gerne, dass nicht alles Gold sei, was glänzt. In die andere Richtung gedacht, kann man in diesem Fall festhalten: Es ist nicht alles Pech, was schwarz schimmert. Ja, Österreichs Biathlon-Asse bringen in der Loipe nicht das zuwege, was ihnen zuzutrauen ist. Das hat Gründe und an denen gilt es zu arbeiten - was in einigen Bereichen ja durchaus geschieht. Gleichzeitig kommen erschwerende Komponenten hinzu, wie der Fluorbann und die immer wieder auftretenden gesundheitlichen Probleme.
Dennoch wäre es auf Sicht wohl kein Fehler, den Ansätzen des eigenen Ausbildungskonzepts einen neuen Anstrich zu verleihen, um künftig in der Loipe wieder ein Wörtchen mitreden zu können.
Und wenn das geschieht, darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass Österreich mir nichts, dir nichts wieder zu einer Laufnation wird. Derzeit hinkt man in der Loipe hinterher, das ist aber ein Trend, der sich über Jahre gezogen hat. Und genauso wenig wird man das Laufthema innerhalb eines Jahres lösen können.