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Biathlon-Krise? Wir reden uns schlechter, als wir sind!

Die Biathlon-WM hat gezeigt, dass Österreichs Athlet:innen mehr drauf haben, als man denkt. Es ist längst nicht alles gut, aber es gibt Gründe für Optimismus.

Biathlon-Krise? Wir reden uns schlechter, als wir sind! Foto: © GEPA

Seit Sonntag ist die Biathlon-WM 2025 Geschichte. Frankreich und Norwegen dominierten wie erwartet (zum Medaillenspiegel>>>). Für Österreich ging eine WM zum zweiten Mal in Folge ohne Medaille zu Ende. Soweit die Fakten. 

Zunächst einmal muss man die Veranstalter loben, welche in Sachen Organisation wirklich eine einwandfreie WM abgewickelt haben.

Sie bot damit einen würdigen Rahmen für den Abschied von Johannes Thingnes und Tarjei Boe, welche ihre Karrieren nach dieser Saison beenden werden. Ersterer nahm noch drei Goldmedaillen (Sprint, Verfolgung, Staffel) mit nach Hause, zweiterer zumindest eine Goldene (Staffel).

Alles für'n Hugo?

Erfolge, von denen Österreichs Team nur träumen kann. Als bestes Individual-Ergebnis steht Lisa Hausers zwölfter Rang im Massenstart zu Buche. Bei den Männern kam man nicht über zwei 26. Ränge (Eder im Sprint, Komatz im Einzel) hinaus. Wir haben nix gewonnen, deswegen ist alles schlecht, richtig?

Ich könnte nun dazu übergehen, zu lamentieren, wie weit wir denn von der Weltspitze weg sind, was denn alles nicht funktioniert hat und dass eh alles für'n Hugo ist. Das ist mir aber zu österreichisch. Denn die WM hat (speziell in Woche zwei) auch gezeigt, dass nicht alles so betrüblich ist, wie es scheint.

Ich möchte aber zunächst grundsätzlich die Frage aufwerfen, woran wir uns denn messen wollen? An der "Goldenen Generation", die vor 15 Jahren die Titelseiten füllte? An einer Lisa Hauser in der Weltmeister-Form von 2021?

Wenn wir das tun, muss das Fazit ernüchternd ausfallen. Ich möchte eine andere Perspektive aufbieten. Wir wollen Erfolge feiern, keine Frage. Im besten Fall ab und an einen Sieg, regelmäßige Podestplätze, aber zumindest laufende Top-10-Platzierungen erscheinen mir der Anspruch der heimischen Biathlon-Fans zu sein. Die Realität ist aber eine andere, das Personal dafür steht (noch) nicht zur Verfügung.

Achtung: Wir sind nicht Norwegen

Wir sind außerdem nicht Deutschland oder Italien. Von Norwegen oder Frankreich ganz zu schweigen. In diesen Ländern ist Biathlon ein Volkssport, die Stars füllen die Titelseiten.

Natürlich gibt es im heimischen Biathlon Verbesserungsbedarf. Aber wir können nicht erwarten, dass uns ständig neue Hausers und Landertingers "passieren".

René Mersol

Dieser Sport hat dort einen völlig anderen Stellenwert und was wir mit Lisa Hauser, Christoph Sumann oder Dominik Landertinger einst erlebt haben, war außergewöhnlich. Wir haben nicht mehr 2010, die (Sport-) Welt hat sich weitergedreht. Welchen Stellenwert hat denn Biathlon hierzulande mittlerweile? Beispielsweise im Vergleich zu den Alpinen? Und selbst da ist, einer tollen Heim-WM zum Trotz, nicht alles eitel Wonne.

Ja, natürlich gibt es im heimischen Biathlon Verbesserungsbedarf. Im Nachwuchs, in der Ausbildungs-Frage und auch beim Weltcup-Team. Aber wir können nicht erwarten, dass uns ständig neue Hausers und Landertingers "passieren".

Sprich: Österreich ist per se kein Biathlon-Eliteland. Das heißt nicht, dass wir uns deswegen mit dem Status Quo abfinden sollten. Es gibt noch viel zu tun, es wird aber auch bereits vieles getan.

Näher dran, als es scheint

Wenn diese WM nämlich etwas auch gezeigt hat, dann dass wir nicht so weit von der Spitze weg sind, wie es oft scheint.

Das hat ein Simon Eder gezeigt, der mit einem fehlerfreien Einzel die Medaille nur knapp verpasst hätte. Das hat Lisa Hauser mit einer tadellosen Laufleistung im Massenstart gezeigt, in dem es letztlich am Schießen scheiterte. Und das hat vor allem unsere Frauen-Staffel gezeigt, die eine Medaille trotz Strafrunde und des Fehlens von Anna Gandler um gerade einmal sechs Sekunden verpasste und dabei eine bärenstarke Laufleistung zeigte.

Diesen vierten Platz haben Lea Rothschopf, Lisa Hauser, Tamara Steiner und Anna Andexer nicht geholt, weil große Nationen gepatzt haben. Diesen vierten Platz haben sie geholt, weil sie an diesem Tag besser waren als alle, die sie hinter sich gelassen haben.

Kritik am Material trug Früchte

Um das erreichen zu können, braucht es natürlich auch entsprechendes Material. In Woche eins kritisierte Simon Eder dieses einmal mehr. Er merkte nach der Verfolgung im ORF-Interview an, dass ihm mit diesem Material "ein Einzel heute zu lang gewesen wäre". An dieser Stelle muss man das Team aus dem Wachscontainer loben, denn die Kritik trug Früchte, das Material war in Woche zwei schon augenscheinlich deutlich besser, die Laufzeiten belegen das.

Wir haben aufgrund dieser zweiten WM-Woche nicht plötzlich lauter Spitzen-Langläufer im Team, sie verdeutlicht aber, was drin ist, wenn man einigermaßen vernünftiges Material hat.

Positiverscheinungen der WM: Anna Andexer (l.) und Patrick Jakob (r.)
Foto: © GEPA

Erfreulich war auch, dass Patrick Jakob bei der WM zeigen konnte, dass er wirklich einen Schritt nach vorne gemacht hat. Im Schießen war er immer schon solide, mittlerweile hat er auf läuferisch aufgeholt. Seine Performance als Startläufer in der Staffel war tadellos. Im Sprint war er zudem der schnellste Österreicher in der Loipe.

Und weil das beste zum Schluss kommt, sei auch Anna Andexer hier explizit erwähnt. Die 22-Jährige zeigte als Schlussläuferin in der Staffel eine Weltklasse-Performance. Anders lässt es sich nicht beschreiben, wenn du Elvira Öberg, Franziska Preuß, Mareen Krikeeide und Lena Haecki-Gross auf der Schlussrunde in der Laufzeit abhängst.

Die Wahrheit liegt dazwischen

Österreichs Athleten und vor allem die Athletinnen können durchaus um Medaillen mitkämpfen, wenn alle Zahnrädchen so ineinander greifen, wie geplant.

Wir leben in einer Zeit, in der wir gerne alles schwarz oder weiß sehen. Eins oder Null. Ja oder Nein. Erfolg oder Misserfolg. Die Wahrheit liegt aber meist irgendwo dazwischen. Österreichs Biathlon ist grau. Also weder schwarz noch weiß. Wir reden uns nur gerne schlechter, als wir sind.


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