Seit den 1970er Jahren ist Alfred Eder im Weltcup-Zirkus unterwegs. Mit 41 Jahren beendete er 1995 seine Karriere, in der er unter anderem zweimal Bronze bei Weltmeisterschaften holte.
Danach war er und ist bis heute als Trainer aktiv, darunter auch für den ÖSV in der "Goldenen Biathlon-Ära" in den 2000ern.
Rund acht Jahre nach seinem Karriereende debütierte sein Sohn Simon im Weltcup, der in jenem Alter, in dem sein Vater die Laufbahn beendete, noch immer aktiv ist und seinen "Dad", wie er ihn gerne nennt, in wenigen Tagen übertrumpfen wird.
Denn der "Super-Oldie" feiert am 23. Februar sein 42. Wiegenfest. Sportlich hat er Papa Fred längst überholt und nennt fünf WM- sowie zwei Olympia-Medaillen sein Eigen. Simon Eder zählt bis heute zu den Aushängeschildern unter den rot-weiß-roten Loipenjägern.
Was Vater wie Sohn auszeichnet(e), ist ihre Stärke am Schießstand. Bevor die WM in der Lenzerheide losgeht, hat sich das Vater-Sohn-Gespann Zeit für ein ausführliches Interview mit LAOLA1 genommen - in dem sich natürlich alles um's Schießen dreht.
LAOLA1: Simon, du bist einer der besten Schützen deiner Generation, sogar der letzten 20 Jahre. Was macht einen guten Schützen aus?
Simon Eder: Auf heuer bezogen würde ich sagen: Eine gute Munition. Ich habe lange herumgetüftelt, bis das wieder passt. Ich musste auch einen etwas größeren Eingriff vornehmen, weil ich (bei meiner Waffe, Anm.) einen neuen Lauf gebraucht habe, weil der vom Gefühl her nicht mehr gepasst hat. Der hatte schon über 100.000 Schuss. Wir haben da wirklich fast bis zum Winter gebraucht, damit wir in den Tests soweit gekommen sind, dass ich zufrieden war.
Man sieht beim Liegend, wie das heuer wieder funktioniert. Da konnte ich wieder Sicherheit aufbauen. Da hab ich ewig lange keinen Fehler geschossen. Ansonsten brauchst du gute Trainer, eine Prise Talent schadet natürlich auch nicht. Am Ende des Tages ist es vor allem stehend immer noch eine Nervensache. Es kommen also sehr viele Komponenten zusammen, damit man sagen kann, man hat gut geschossen - ob man es jetzt auf ein Rennen bezogen betrachtet oder auf eine Saison.
LAOLA1: Du sagtest, dein Lauf hatte schon über 100.000 Schuss. Welche Lebensdauer hat ein Gewehr?
S. Eder: Ich habe schon mit vielen Athleten gesprochen, die weit darüber hinaus geschossen haben, weil sie gemerkt haben, es funktioniert und dann gibt man ihn ungern her. Wenn man einen Lauf wechselt, ist das nicht die Nadel im Heuhaufen, aber wenn man einen guten hat, dann weiß man, dass man mit dem sechs, sieben, acht Jahre schießen kann. Je nachdem, wie fleißig man im Training ist. Für mich ist es jedenfalls der letzte Lauf (lacht). Also kann ich beruhigt sein.
LAOLA1: Wie viele Gewehre hattest du im Laufe deiner Karriere?
S. Eder: Ich habe das System einmal gewechselt. Das ist jener Teil des Gewehres, an dem man den Lauf befestigt. Ansonsten kann man nur den Lauf wechseln.
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LAOLA1: Kommen wir zu dir, Alfred. Wie hat sich das Schießtraining im Vergleich zu deiner aktiven Zeit verändert?
Alfred Eder: Es hat sich dahingehend verändert, dass die Serien immer schneller geworden sind. Gewisse Leute haben das vorgemacht. Raphael Poiree war da einer der ersten. Der hat den ersten Schuss schneller gesetzt und auch die Schussfolge war schneller. Wenn man das immer trainiert, kommt man da schon zu einem relativ guten Ergebnis.
LAOLA1: Für schnelle Serien bist auch du bekannt, Simon. Dabei bist du Linksschütze, was eine zusätzliche Herausforderung ist. Inwiefern hast du als solcher beim Schießen einen Nachteil?
S. Eder: Das ist gar nicht so unwesentlich. Liegend kompensiere ich das, weil ich keine Drehung um die eigene Achse machen muss. Stehend bleibt das nicht aus. Im Vergleich zu den Rechtsschützen muss ich mich immer verdreht hinstellen und auch auf der anderen Seite weggehen. Eigentlich müsste sich der Rechtsschütze auf der Matte noch einmal im Kreis drehen, damit er auf meine Schießzeit kommt.
LAOLA1: Wie groß ist da der Zeitverlust im Vergleich zu Rechtshändern?
S. Eder: Wäre ich Rechtshänder, ginge es um ein bis zwei Sekunden schneller.
"Es gibt Weltcups bei den Männern, wo 30 Männer läuferisch innerhalb von 30 bis 40 Sekunden sind. Da spielt die Schießzeit eine gewaltige Rolle."
LAOLA1: Apropos schneller: Wie hat sich die Gewichtung des Schießens im Vergleich zum Laufen seit deiner aktiven Zeit verändert, Alfred? Konnte man sich früher ein, zwei mehr Fehler erlauben als heute?
A. Eder: Ja, schon. Die Laufzeiten sind heute enger beisammen. Es laufen mehr Leute in einem engen Zeitbereich. Es gibt Weltcups bei den Männern, wo 30 Männer läuferisch innerhalb von 30 bis 40 Sekunden sind. Da spielt die Schießzeit eine gewaltige Rolle. Wenn beispielsweise in einem Sprint ein Athlet 40 Sekunden schießt (insgesamt bei zwei Schießanlagen, Anm.) und ein anderer braucht 55, dann ist das schon fast eine Strafrunde Unterschied.
LAOLA1: Die Schießzeiten wurden in der Vergangenheit immer weiter unterboten. Martin Uldal hat in der Hochfilzen-Verfolgung stehend in 12,9 Sekunden geschossen. Wo siehst du die Grenze, Simon? Geht es eigentlich noch viel schneller?
S. Eder: Ich glaube, er hat wirklich alles ausgereizt, auch vom Atemrhythmus her. Ich könnte gar nicht so schnell schießen wie er. Ich glaube aber, irgendwann ist es von der Zeit her einfach vorbei. Ich glaube diese 12, 13 Sekunden waren für ihn auch um den Deut zu schnell. Aber er kann sicher in 15,0 schießen und das ist Wahnsinn. Das kann so gut wie keiner.
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LAOLA1: Siehst du dieses Schießen von Uldal eigentlich auch als Weltrekord? In den Medien wurde das ja so verbreitet. Er hat aber nur vier Scheiben getroffen. Für einen Weltrekord müsste er aber meines Erachtens alle fünf treffen oder siehst du das anders?
S. Eder: Er hat den letzten ganz knapp verfehlt. Von daher hat man gesehen, dass es möglich ist. Aber wie du sagst: Die Zeit zählt erst, wenn es ein Nuller ist. Aber er wird das irgendwann auspacken und sich den Weltrekord holen.
LAOLA1: Was war eigentlich deine schnellste Schießzeit im Stehend?
S. Eder: Ich glaube, es waren um die 16 Sekunden. Aber es war ein Nuller (lacht).
LAOLA1: Einen wesentlichen Teil zu den immer schneller werdenden Schießzeiten hat auch die Datenvielfalt geleistet, auf die man zurückgreifen kann, was letztlich den elektronischen Schießständen zu verdanken ist. Wie profitiert ihr davon?
A. Eder: Du kannst dadurch auch ab und zu alleine ein Schießtraining durchziehen, weil sich die Scheiben automatisch aufziehen. Dadurch ist mehr Schießtraining möglich. Du bekommst bei jedem Weltcup, IBU-Cup und Junior-Cup deine Schießdaten. Du weißt, wann der erste Schuss fällt, wie schnell die Serie ist und kennst die Abstände zwischen den Schüssen.
LAOLA1: Wie elementar ist diese Technologie aus deiner Sicht für die Entwicklung des Schießens in den letzten 30 Jahren?
A. Eder: Das ist einerseits immens wichtig für die Fernsehübertragungen. Dadurch kann den Zuschauern näher gebracht werden, wie alles abläuft. Du kannst andererseits direkt Analysen anstellen, wie bei den Alpinen. Die Deutschen machen das sehr gut. Durch die Daten ist eine sehr gute Analyse der Gesamtleistung möglich. Du weißt genau, wo du verloren hast, weil du jede Einzelzeit herausfiltern kannst.
"Was die Automatismen betrifft, ist sicher an dem Spruch 'Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr' etwas dran. Es geht als Kind oder Jugendlicher halt leichter. Dann geht dir das in Fleisch und Blut über."
LAOLA1: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Gilt das auch für das Schießen, Simon? In welchem Alter sollte man idealerweise beginnen?
S. Eder: Ich glaube, Sumi (Christoph Sumann, Anm.) hat bewiesen, dass man ganz spät beginnen und trotzdem ein unglaubliches Percentage (Trefferquote, Anm.) erreichen kann. Aber was die Automatismen betrifft, ist sicher an dem Spruch "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" etwas dran. Es geht als Kind oder Jugendlicher halt leichter. Dann geht dir das in Fleisch und Blut über.
Es gibt aber kein "zu spät", sondern maximal ein "zu früh", dass man den Kindern den Spaß verdirbt. Schießen ist etwas, was den Kindern total taugt, weil es eine spielerische Komponente hat. Das merke ich im Verein, wenn ich zusehe. Es macht auch das Langlaufen leichter. Von daher kann man sie da sehr leicht für den Biathlonsport begeistern.
LAOLA1: In welchem Alter hast du mit dem Schießen begonnen?
S. Eder: Ich habe beim Papa schon ein paar mal mit dem Kleinkaliber probieren dürfen, wenn er im Training war. Es gibt Fotos, wo ich vier, fünf Jahre alt bin und mit dem Luftdruckgewehr geschossen habe.
LAOLA1: Im Schießvorgang ist, wie du vorher schon angedeutet hast, das Atmen wesentlich. Woher kommen denn die Atemtechniken, die ihr verwendet?
S. Eder: Ich habe sie aus dem Sportschießen, aus dem Lehrbuch. Ich atme nach dem Schuss ein wenig aus, damit ich anschließend mehr einatmen kann, um zwischen den Schüssen mehr Sauerstoff zur Verfügung zu haben. Das hat mir mein Vater schon als Jugendlicher beigebracht. Diese Atemtechnik habe ich immer noch. Ich habe damit am meisten Kontrolle. Ich könnte damit nie so schnell schießen, um den Weltrekord zu attackieren. Aber darum geht es gar nicht.
"Ich war nicht mehr der schnellste, aber der effektivste Schütze. Das ist mein Alleinstellungsmerkmal geworden."
LAOLA1: Worum geht es dann?
S. Eder: Ich habe, als ich in den Weltcup gekommen bin, extrem schnell und mit viel Risiko geschossen. Dabei sind aber oft Fehler passiert. Da habe ich gemerkt, ich muss ein bisschen effektiver werden. Dass ich also schnell bleibe, aber eine höhere Trefferquote habe. Ich glaube, das war über die letzten Jahre mein Erfolgsrezept: Dass ich sehr gute Werte hatte und schnell war. Ich war nicht mehr der Schnellste, aber der effektivste Schütze. Das ist mein Alleinstellungsmerkmal geworden.
LAOLA1: Am Schießstand ist voller Fokus gefragt. Hast du in deiner Karriere Mentaltraining genutzt, um beim Schießen fokussierter zu sein, Alfred?
A. Eder: Ich habe das schon intensiv gemacht. Es macht Sinn, wenn man sich schon vom Vortag weg den Zulauf und das Streckenprofil einprägt und das im Griff hat. Wenn eine Spur zu intensiv hinläuft, dann scheitert man natürlich am Schießstand. Der Stress kommt natürlich auch dazu, sobald man die Startnummer oben hat.
LAOLA1: Die Zuschauer spielen da wohl auch eine Rolle. Ich stelle mir vor, dass es bei einem Heimweltcup vielleicht noch einmal schwerer ist.
A. Eder: Viele haben damit kein Problem und einige doch. Aber man sieht das immer wieder, auch bei Weltmeisterschaften, dass die Heimnation manchmal Probleme hat. Ausgenommen natürlich die ganz starken Nationen.
LAOLA1: Das heißt, wenn wir als Österreich wieder einmal was gewinnen wollen, sollten wir keine Heim-WMs mehr veranstalten.
A. Eder: Ich glaube, da werden wir irgendwo anders ansetzen müssen (lacht).
"Beim Einzel habe ich dann im Stress vergessen, die Magazine zu laden. Ich bin dann zum Schießstand gekommen und da habe ich es bemerkt. Da stellt’s dir gleich die Haare auf!"
LAOLA1: Was war denn das größte Hoppala, das euch am Schießstand je passiert ist?
A. Eder: Da gab es genügend. Die werden mir auch immer wieder noch vorgehalten (lacht). Früher waren ja noch unterschiedliche Runden zu laufen, die nach Farben eingeteilt waren. Da hast du schon ab und zu eine Abzweigung verpasst. Aber mein größtes Hoppala war 1978 bei der WM.
LAOLA1: Das will ich hören.
A. Eder: Das war die erste Kleinkaliber-WM, da sind wir noch klassisch gelaufen. Da hast du bis zum Start immer getestet, wenn die Temperaturen sich verändert haben. Beim Einzel habe ich dann im Stress vergessen, die Magazine zu laden. Ich bin dann zum Schießstand gekommen und da habe ich es bemerkt. Da stellt’s dir gleich die Haare auf. Ich habe total viel Zeit verloren, bis ich von meinem Trainer irgendwann ein Magazin bekommen habe. Im Stress habe ich dann zwei Fehler geschossen. Da war ich nach dem ersten Schießen schon fast drei Minuten im Rückstand, ich bin aber dann noch 13. geworden.
LAOLA1: Und bei dir, Simon?
S. Eder: Das war bei der WM 2009. Damals ist im Hotel ein Magen-Darm-Virus herumgeschwirrt. Da sind die Leute reihenweise ausgefallen. Ich hätte im Massenstart, in dem Landi (Dominik Landertinger, Anm.) ja Gold und Sumi Silber geholt haben, eigentlich Nummer 23 gehabt. Das war für mich gut zu merken, weil der 23. mein Geburtstag ist. Durch die Ausfälle hatte ich dann aber Startnummer 19. Ich hatte aber die 23 schon so im Kopf, dass ich mich einfach auf Schießstand Nummer 23 gelegt habe. Der war aber für einen Schweden (Magnus Jonsson, Anm.) reserviert. Ich hatte das Magazin schon drinnen, konnte das dann aber noch halbwegs regelkonform lösen. Immerhin bin ich dann noch Achter geworden. Dem Schweden habe ich dann eine Tafel Schokolade gegeben und die Sache war erledigt.