Am Mittwoch starten Österreichs Biathletinnen im finnischen Kontiolahti mit einem Einzel-Wettkampf in die neue Saison. Fünf Loipenjägerinnen werden für das ÖSV-Team vor Ort um Weltcuppunkte kämpfen.
LAOLA1 wirft einen Blick auf die kommende Saison und ordnet ein, was sich die Fans von den Athletinnen des ÖSV erwarten dürfen. Im zweiten Teil der Analyse steht das Frauenteam im Fokus.
Die Skijägerinnen werden von Weltmeisterin Lisa Hauser angeführt. Das Aufgebot komplettieren Katharina Komatz (vormals Innerhofer und seit Kurzem mit David Komatz vermählt), Julia Schwaiger, Dunja Zdouc und Anna Juppe.
Apropos Weltmeisterin: Wie jedes Jahr gibt es auch heuer wieder eine Weltmeisterschaft, die von 6. bis 19. Februar im deutschen Oberhof stattfinden wird. Zu den Favoritinnen aus heimischer Sicht zählt, wie bereits in den Jahren davor, nur Lisa Hauser. Damit ist sie aber allein auf weiter Flur. Außer ihr verfügt Österreich derzeit über keine weiteren Weltklasse-Athletinnen.
Hinter Hauser klafft eine Lücke
Im Vorjahr lief es bei den Loipenjägerinnen sehr ambivalent. Einzig Lisa Hauser zeigte auf, das dafür aber so richtig. Am Ende standen für die 28-Jährige der Weltmeistertitel im Massenstart sowie ein Weltcupsieg, drei zweite Plätze und 21 Top-Ten-Platzierungen (inklusive Staffelbewerbe).
Damit überdeckte sie jedoch auch die mangelnde Breite im Team, denn mit diesen Ergebnissen ist sie allein auf weiter Flur. Nur durch Komatz und Zdouc gab es zwei weitere Top-Ten-Platzierungen. Immerhin: In der Staffel zeigte die Truppe von Chefcoach Markus Fischer mit zwei sechsten Plätzen, was möglich ist.
Der Deutsche Trainer gibt sich daher mit seiner Prognose zurückhaltend: "Heuer ist es besser gelaufen, wir hatten weniger Ausfälle", spricht er die oftmaligen Verletzungs- und Krankheitsproblematiken der vergangenen Jahre an.
Die Mannschaft habe sich "am Schießstand einen Schritt nach vorne entwickelt", so Fischer in einer Medienrunde vor dem Saisonstart, bei der auch LAOLA1 mit dabei war. "Das Laufniveau konnten wir stabilisieren", führt er weiter aus. Von daher sei seine Erwartungshaltung "zu bringen, was man kann, da wäre ich eigentlich schon zufrieden".
Heuer nicht mehr mit dabei sein wird Christina Rieder, die ihre Karriere beendet hat. Die 28-Jährige schaffte trotz vielversprechender Anlagen nie so richtig den Durchbruch. Immerhin: 99 Weltcupeinsätze wurden es trotzdem und mit einem 7. Platz bei der WM in Antholz 2020 als bestes Resultat darf sie auf eine respektable Laufbahn zurückblicken.
Was also kann man sich von Hauser & Co in der kommenden Saison erwarten? LAOLA1 beleuchtet die heimischen Skijägerinnen einzeln und zieht ein Fazit.
Lisa Hauser
Im vergangenen Jahr legte die Weltmeisterin in Östersund einen Raketenstart in die Saison hin: Rang zwei im Einzel, Sieg im Sprint, Vierte in der Verfolgung. Ähnliche Wunderdinge sollte man sich von der 28-Jährigen heuer zum Auftakt jedoch nicht erwarten.
Der Grund dafür ist freilich nicht, dass Hauser über den Sommer etwas von ihrer Weltklasse eingebüßt hat, sondern, dass sie sich in der Vorbereitung mit gesundheitlichen Problemen herumschlagen musste.
Im Sommer sei es ihr "zum Teil brutal schwer gefallen", bestätigte die Gesamtweltcup-Dritte des Vorjahres.
Hauser sagte, sie habe teilweise allein gearbeitet und Trainingskurse ausgelassen, um nach der überstandenen Krankheit wieder in die Spur zu kommen. "Es war alles andere als optimal. Ich hoffe, die letzten Trainingsjahre helfen mir, weil verpasste Trainings jetzt noch aufzuholen, ist brutal schwierig", weiß sie um die Herausforderung Bescheid.
In den Qualifikationswettkämpfen in Obertilliach konnte sie ihre Klasse aber bereits wieder aufblitzen lassen. Diese seien mit zwei Siegen "richtig gut" gewesen, sagt Hauser. "Am Schießstand hat es gut geklappt, da kann ich mir wenig vorwerfen", gibt sie an. Dies sei umso erfreulicher, da sie heuer kaum noch Belastungsschüsse hatte. "Läuferisch schaut es von außen noch nicht ganz so spritzig aus", so Hauser weiter. Es werde aber nach und nach besser und sie wisse auch, an welchen Stellschrauben sie noch drehen kann.
Deshalb muss man bei ihr mit Prognosen und Zielsetzungen zunächst vorsichtig sein, noch ist nicht abzusehen, wie gut die Kitzbühelerin zum Start wirklich drauf ist. "Ich werde jetzt noch nicht in Topform sein, aber ich denke, dass es bei den kommenden Rennen langsam wird", schildert sie.
Ob sie ihren dritten Platz im Gesamtweltcup verteidigen kann, steht daher vorerst in den Sternen. Diese stehe ob besagter Gründe ohnedies nicht im Vordergrund. Hauser wird womöglich auch das ein oder andere Rennen auslassen, wie sie erklärte. "Ich glaube, heuer wird es wichtig sein, dass man sich gezielt Rennen herausgepickt, von denen man sagt, dass man da eine gute Form haben will und auch auf die WM in Oberhof hin", erklärt sie ihre pragmatische Strategie.
Für die Tirolerin wird es heuer darum gehen, aus ihren nun etwas eingeschränkten Möglichkeiten und Voraussetzungen das Beste herauszuholen. Nichtsdestotrotz geht sie auch in dieser Saison wieder als Zugpferd des ÖSV-Trosses ins Rennen.
Prognose: Wunderdinge wie in der Vorsaison sind vorerst nicht realistisch, wenngleich Hauser schon oft bewiesen hat, wie sehr sie über sich hinauswachsen kann. Dies wird heuer auch ihr großer Trumpf sein. Die größte Chance, sich und den Biathlon-Fans eine Freude zu machen, besteht wohl bei der WM in Oberhof, auch der Formaufbau geht in diese Richtung. Die Top 10 im Gesamtweltcup sollten möglich sein, alles darüber hinaus wäre eine erfreuliche Zugabe. Das ein oder andere Top-Resultat im Vorfeld der WM scheint ebenso machbar.
Katharina Komatz
Die frisch mit Herren-Weltcupstarter David Komatz vermählte Skijägerin hat tolle Anlagen, wie die einfache Weltcupsiegern bereits in der Vergangenheit bewiesen hat. Für sie wird es heuer darum gehen, endlich wieder Anschluss an diese Leistungen zu finden.
Immerhin: Bei den für Österreich an sich enttäuschenden Olympischen Spielen in Peking durfte sich zumindest Komatz über ein Erfolgserlebnis freuen. Mit Rang 14 im Massenstart erreichte sie dort ihr mit Abstand bestes Saisonergebnis.
In der Vergangenheit oftmals durch Krankheiten ausgebremst, sollte es heuer wieder bergauf gehen. Die 31-Jährige galt bereits in der Vergangenheit als beste Läuferin im Team, ihre Schwäche liegt seit jeher im Stehendschießen. Auch im Vorjahr lag sie dort mit 52 Prozent meilenweit hinter der Spitze zurück.
Es ist ihr zu wünschen, dass sie in diesem Bereich, wie von Trainer Fischer angekündigt, den benötigen Schritt nach vorne machen kann. Um wirklich an der Spitze mithalten zu können, wird es wohl eher deren zwei brauchen. Doch eines nach dem anderen.
Prognose: Zeig, was du kannst, Kathi! Mit 31 tickt auch bei ihr bereits langsam, aber doch die biologische Uhr. Komatz ist eine Athletin, die an sich alles mitbringt, um in die Weltspitze vorzustoßen. Doch in der Vergangenheit standen ihr dabei oftmals ihr Körper, ihre Gesundheit oder sie selbst im Weg. Gelingt es ihr, ihre PS auf die Straße zu bringen, sind regelmäßige Top-20-Platzierung möglich. Realistisch betrachtet darf man aber wohl eher mit den Top-30 rechnen. Jetzt, oder nie!
Dunja Zdouc
Auch sie ist bereits lange Jahre Teil des ÖSV-Weltcupteams. In Fachkreisen wird schon seit Jahren gewitzelt, eine "Fusion" aus ihr und Katharina Komatz würde die perfekte Biathletin ergeben. Ihre Schießstärke, gepaart mit den läuferischen Qualitäten ihrer Teamkollegin würden sich wohl viele Trainer auch außerhalb des ÖSV wünschen.
Die Kärntnerin ist die beste Schützin im Team, erreichte im Vorjahr einmal mehr Spitzenwerte von 92 Prozent Trefferquote im Liegendschießen, im Stehendanschlag waren es deren 89 - stark!
Ihre Herausforderung war und ist das Laufen. Hätte sie hier ähnliche Fähigkeiten wie Komatz, würde sie sich mit Lisa Hauser um den Platz als "Alpha-Tier" matchen. Doch genug des Konjunktivs.
Für Zdouc geht es darum, ihre läuferische Fähigkeiten zumindest soweit zu konsolidieren, um in den schießlastigen Bewerben Massenstart und Verfolgung vorne mit dabei sein zu können. Wie in der Vorsaison im diesjährigen Auftakt-Ort Kontiolahti, als sie in der Verfolgung mit nur einem Schießfehler Rang zehn holte.
Insgesamt kam sie in der vergangenen Saison auf fünf Top-20-Ergebnisse, doch auch hier schlummert noch Potenzial.
Prognose: Kann sie ihre wechselhaften Laufleistungen stabilisieren, ist vieles möglich. Die 28-Jährige hat das Zeug, an guten Tagen weit vorne zu landen. Ihr Ziel sollte es sein, an die starke Saison 2020/21 anzuknüpfen, als sie 361 Weltcuppunkte und somit Rang 25 im Gesamtweltcup holte. Ränge zwischen 20 und 30 sind realistisch.
Julia Schwaiger
Mit 26 ist sie im besten Biathlon-Alter und zeigte in den vergangenen Jahren bereits, was sie kann. In der Saison 2020/21 errang sie starke 246 Weltcuppunkte und sogar drei Top-10-Ergebnisse. Im Vorjahr sowie in der Vorbereitung auf die anstehende Saison wurde auch sie von gesundheitlichen Problemen gebeutelt, eine Corona-Erkrankung zwang sie zur Pause.
Am Ende standen nur 34 Weltcuppunkte und als bestes Resultat ein 24. Platz im Einzel von Antholz.
Nun ist Schwaiger aber auf einem guten Weg und bereit anzugreifen. Wenngleich sei selbst noch vorsichtig ist in ihrer Erwartungshaltung. "Es ist sicher noch Luft nach oben", so die Junioren-Weltmeisterin von 2014 gegenüber den "SN". Das große Ziel sei aber ohnehin die WM in Oberhof, wo sie mit Rang neun im Sprint ihr bestes Weltcup-Ergebnis holte.
Ihr größtes Verbesserungspotenzial liegt im Stehendanschlag, wo sie im Vorjahr nur auf 73 Prozent Trefferquote kam. Das weiß sie auch selbst, der Blick zurück ist ohnehin nicht lohnend. "Außer für die Lisa Hauser ist das letzte Jahr für keine von uns wirklich gut gelaufen", weiß die 26-Jährige. Umso größer ist die Freude darauf, dass es nun endlich wieder losgeht.
Prognose: Schwaiger hat bereits einige Erfahrung im Weltcup gesammelt und weiß, wie der Hase läuft. Bekommt sie das Gleichgewicht aus Schießen und Laufen wie vor zwei Jahren hin, dürfen ihre Fans auf das ein oder andere Top-15-Resultat hoffen. Die 200-Punkte-Marke im Weltcup sollte für sie zu knacken sein.
Anna Juppe
Das "Nesthäkchen" im Team (23) schaffte über die Qualifikation den Sprung ins Weltcup-Aufgebot für Kontiolahti.
Ihr Debüt im Weltcup gab sie im Vorjahr beim Weltcup-Auftakt in Östersund, wo sie alle fünf Einzel-Rennen sowie die Staffel bestreiten durfte. Für Punkte reichte es bisher nur ganz knapp nicht.
Beim Einzel in Antholz überquerte sie als 41. die Ziellinie und verpasste ihre ersten Zähler in der Beletage des Biathlon-Sports nur hauchdünn. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Teamkolleginnen zeigt ihr Trend in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben.
Aus ihrer Sicht war es fast schade, als die vergangene Saison zu Ende war. Mit den Rängen 42 im Sprint von Otepää sowie zweimal 48 in Sprint und Verfolgung in Oslo zeigte sie aufsteigende Form.
In der Qualifikation in Obertilliach deutete sie bereits an, dass sie diese konservieren konnte. So ist ihr auch heuer ein weiterer Schritt nach vorne zuzutrauen. "Die Vorfreude auf die ersten Rennen wird immer größer, auch wenn man merkt, dass gleichzeitig eine gewisse Anspannung vorhanden ist", fiebert sich dem Auftakt bereits entgegen.
Die 23-Jährige ist einer jener Athletinnen, bei denen es gilt, sie langsam heranzuführen. Aus ÖSV-Sicht wäre es natürlich wünschenswert, hinter dem Quartett um Hauser, Komatz, Zdouc und Schweiger ein "Backup", vor allem hinsichtlich der Staffel, in der Hinterhand zu haben.
Prognose: Her mit den Zählern! Juppe stellte in der letzten Saison unter Beweis, dass bei ihr der Sprung in die Punkteränge nur noch eine Frage der Zeit ist. Es müsste schon fast alles schieflaufen, dass dies heuer nicht passiert. Bleibt sie fit, sind ihre ersten 30-50 Weltcuppunkte realistisch.
Staffel
Hauser, Zdouc, Schwaiger, Komatz - die vier etablierten ÖSV-Frauen haben nach dem Rücktritt von Christina Rieder (noch) wenig Konkurrenz. Mit Anna Juppe kratzt aber eine junge Hoffnung an diesem Status.
Und dass die heimischen Skijägerinnen speziell in der Staffel auf dem Sprung in Richtung der besten acht Nationen sind, bewiesen sie bereits im Vorjahr. Mit einem tollen sechsten Rang beim Heimweltcup in Hochfilzen, der auch heuer wieder von 8. bis 11. Dezember über die Bühne geht, zeigten das Team von Markus Fischer, was möglich ist. Auch in Kontiolahti sicherten sich Hauser & Co Rang sechs - ein gutes Omen für den Auftakt.
Im Staffel-Weltcup schafften die ÖSV-Frauen in der Saison 2020/21 mit Rang neun erstmals einen Top-10-Platz. Doch dabei muss es nicht bleiben. Da die IBU den Bann gegen die russischen und belarussischen Verbände verlängerte, fallen zwei Konkurrenten weg, die in der Vergangenheit vor Österreich landeten.
Kommt Österreichs Quartett gut und vor allem fit durch den Winter, könnte es heuer mit dem Sprung unter die Top 8 klappen. Und auch das erste Podest ist nicht außer Reichweite. So sieht es auch Julia Schwaiger: "Jetzt wollen wir am Stockerl anklopfen, das wäre cool", gibt sie in der "SN" die Marschroute vor. "Bis jetzt hat es nie richtig zusammengepasst, dass alle vier gut abliefern", schildert sie. Die Chance lebt, wie auch Schwaiger weiß: "Wir haben es alle drauf."
Die Nachrücker
Mit Anna Gandler gilt die Tochter des früheren ÖSV-Sportdirektors für Langlauf und Biathlon, Markus Gandler, als derzeit größte Nachwuchshoffnung. Im IBU-Cup konnte sie bereits mit einigen Spitzenplätzen auf sich aufmerksam machen. Die 21-Jährige wird aber noch Zeit benötigen und muss sich zunächst hinter Juppe anstellen.
Die gleichaltrige Lea Rothschopf gilt ebenso als großes Talent und durfte im Vorjahr erstmals im IBU-Cup ran. Für sie kommt der Weltcup aber noch zu früh. Wird wohl nur dann zum Thema werden, sollt es im Weltcup-Team Ausfälle geben.
Fazit
Alles ist möglich, aber nix is fix, wie es Rainhard Fendrich einst treffend trällerte. Im Vorfeld der Saison scheint man sich intern selbst noch nicht ganz sicher zu sein, was man vom ÖSV-Team tatsächlich erwarten kann und übt sich vielleicht auch deswegen im Understatement. Eine Prognose ist ob der Vorzeichen zunächst schwierig, vor allem weil mit Lisa Hauser das große Zugpferd der letzten Jahre noch nicht auf der Höhe ist.
Gleichzeitig zeigten viele Athletinnen in der Vorbereitung bereits vielversprechende Ansätze. Es wird wohl viel davon abhängen, wie die ersten Rennen verlaufen, erst dann wird eine konkrete Einschätzung möglich sein. Das Potenzial ist da, doch herrschen noch viele Fragezeichen vor.