Die vergangenen beiden Winter beendete Felix Leitner frühzeitig. Die Form war auf Tiefstand, dafür war der Frust hoch.
Das vergangene Jahr habe ihn "komplett gebrochen", daher habe er "einfach einen Cut" gebraucht. Der 27-Jährige entschied sich zu einem radikalen Schritt: Abschied aus dem ÖSV-Training und zurück zu seinem früheren Trainer Florian Steirer, den er meist salopp "Flocki" nennt.
Auch wenn es die Resultate noch nicht so richtig hergeben: Leitner ist auf dem Weg, langsam wieder dorthin zu kommen, wo er rein von seinem Potenzial hingehören würde. Ein Mann, der schon am Weltcuppodest stand, hat andere Ansprüche als Ränge um die 40. "Die Top 20 sehe ich sehr realistisch", meint Leitner zu seinen Möglichkeiten in dieser Saison.
Der oft hängende Kopf, die hängenden Schultern, die Ratlosigkeit der letzten Jahre - all das hat sich deutlich verbessert. Man merkt ihm an, dass er wieder Freude an seinem Tun empfindet. Leitner strahlt wieder Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten aus.
Dahinter steckt ein Plan, den er gemeinsam mit "Flocki" ausgearbeitet hat. Das mittelfristige Ziel sind gute Platzierungen bei Olympia 2026, langfristig hat er die Heim-WM 2028 im Blick.
LAOLA1: Du hast dich im Sommer dazu entschieden, die Vorbereitung in deine eigenen Hände zu nehmen. Wie zufrieden bist du bisher mit diesem Schritt?
Felix Leitner: Das ist der Schritt, mit dem ich am zufriedensten bin. Das war einfach die richtige Entscheidung. Das kann ich jetzt schon sagen, auch wenn ich nicht weiß, wie die Saison weitergeht. Ich habe nach den letzten beiden Saisons einfach einen Cut gebraucht. Dann hat mir meine Frau Anna angeboten, dass wir nach Mils nachhause ziehen. Damit ich auch von Hochfilzen ein bisschen wegkomme und mich ein bisschen auf mich konzentrieren kann. Dann war für mich schnell klar, dass ich wieder mit Flocki zusammenarbeiten will.
"Ich muss sagen, letztes Jahr hat's mich komplett gebrochen. Das hat jeder gemerkt, der mich kennt. Mir ist es körperlich, mental und gesundheitlich nicht gut gegangen"
LAOLA1: Du meinst Flo Steirer, der schon früher dein Trainer war.
Leitner: Ja, genau. Es hat sich dann ein kleines Team von fünf Leuten aufgebaut mit Sebastian Trixl, Dominic Unterweger, Raphael Steiner, Leon Kienesberger und mir. Dazu haben wir einen Schießtrainer, Stefan Maier. Um die Trainingsplanung kümmert sich Flocki. Besser kann ich mir eine Vorbereitung nicht vorstellen.
LAOLA1: Du wirkst auch wieder sehr viel selbstbewusster, als vor einem Jahr.
Leitner: Ich muss sagen, letztes Jahr hat's mich komplett gebrochen. Das hat jeder gemerkt, der mich kennt. Mir ist es körperlich, mental und gesundheitlich nicht gut gegangen. Das ist ein Prozess, dass wir jetzt langsam wieder herankommen. Heuer, und das hat auch Flo (Steirer, Anm.) gesagt, brauche ich nicht zu viel erwarten, da werden keine Wunder geschehen. Aber es sollte ein Schritt erkennbar sein. Und den merke ich schon. Ich fühle mich körperlich gut, kann im Rennen übers Limit gehen und lange am Limit entlang laufen. Das sind Dinge, die die letzten Jahre nicht gegangen sind. Das braucht einfach Zeit. Dieses Jahr, nächstes Jahr und vielleicht auch übernächstes. Aber ich hoffe, dass ich für Olympia schon wieder Ziele haben kann. Das größte Ziel ist die Heim-WM.
(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)
LAOLA1: Wie hat man beim ÖSV reagiert, als du mit deinem Veränderungs-Wunsch an die Verantwortlichen herangetreten bist?
Leitner: Es war kein Wunsch, es war eine Information. Der Wunsch war, dass wir im Guten auseinandergehen. Da habe ich mit den Trainern gesprochen, mit Landi (Dominik Landertinger, Anm.), mit Franz Berger. Ich habe das jedem erklärt und jeder hat es verstanden. Es hat ja jeder gesehen, wie es mir geht. Dann habe ich auch mit Mario (Stecher, Anm.) gesprochen. Wir hatten von Anfang an eine super Gesprächsbasis. Dann war gleich einmal klar, dass man alles selber finanzieren muss im Sommer. Das war für mich okay. Ich freue mich, dass ich jetzt wieder mit dem ÖSV (im Zuge des Weltcups, Anm.) unterwegs bin, denn ich komme ja mit jedem gut aus. Ich mag die Athleten und Trainer gerne. Von daher ist es für mich die Optimallösung.
LAOLA1: Ihr werdet dann wahrscheinlich auch eine Bestandsaufnahme gemacht haben. Was kam da heraus?
Leitner: Nach der WM bin ich zu einer Sportmedizinerin gegangen, die ein großes Blutbild gemacht hat. Da sind wir dann draufgekommen, dass Dinge wie Leber, Nieren und anderes von den Werten her nicht mehr passen. Das war für mich eine Erleichterung, weil ich gewusst habe, es passt etwas nicht in meinem Körper.
LAOLA1: Du bist ja auch ein Athlet, der von der Laufseite her kommt.
Leitner: Das war ich immer und das werde ich auch bleiben, von der Einstellung her. Da hat mir die Sportmedizinerin sehr geholfen. Ich habe in der Anfangszeit ab April auch mit Tom Schroffenegger (Sportpsychologe, Anm.) mental viel gearbeitet, ich war sehr froh, dass ich ihn gehabt habe. Zu der Zeit habe ich auch schon mit Flocki viel gesprochen, wie er planen möchte und was ich mir vorstelle. Das ist ein tolles Miteinander, das ich mir nicht besser vorstellen kann.
LAOLA1: Du hast gesagt, es fühlt sich schon besser an, als in den letzten Jahren. Inwiefern, woran machst du das fest?
Leitner: Es sind immer zwei Sachen: Das Laufgefühl, also wie es sich während dem Rennen anfühlt und wie der Zeitabstand dann ist.
LAOLA1: Und das war früher zu unterschiedlich bei dir.
Leitner: Genau. Gut ist, wenn man sich gut fühlt und wenig Abstand hat. Bei mir ist es momentan so, dass ich mich meistens ganz gut gefühlt, auch gut geschossen habe, aber der Abstand hat nicht ganz dazu gepasst. Es ist auch schwer zu sagen, wo ich körperlich gerade stehe. Es verschiebt sich immer ein bisschen, weil wir mit dem Material einmal besser und einmal nicht so gut dabei sind. Deswegen ist es noch schwer einzuordnen, wo ich genau hingehöre. Innerhalb vom österreichischen Team sehe ich mich schon so, dass ich läuferisch auch der schnellste sein kann. Da matche ich mich gerade mit Sam (Simon Eder, Anm.). Mein Ziel ist, diese Saison der schnellste Läufer zu sein und auch einmal Ausreißer zu haben und mit dem Abstand auch einmal zufrieden sein zu können.
"Ja, die Top 20 sehe ich sehr realistisch. Das große Ziel ist die WM, da würde ich gerne gute Rennen machen. Ich sehe auch die Top 15 realistisch, es kommt immer auf das Rennen und den Rennverlauf an"
LAOLA1: Welches Ziel hast du dir platzierungsmäßig gesetzt? Was hältst du für realistisch? Top 20?
Leitner: Ja, die Top 20 sehe ich sehr realistisch. Das große Ziel ist die WM, da würde ich gerne gute Rennen machen. Ich sehe auch die Top 15 realistisch, es kommt immer auf das Rennen und den Rennverlauf an. Das geht dann schnell. Momentan sind wir noch ein bisschen hinten nach, aber ich hoffe, dass wir das diese Saison noch drehen können.
LAOLA1: Die heimischen Fans mussten ihre Erwartungen an das Männer-Team in den letzten Jahren deutlich zurückschrauben, vor allem schlichtweg deswegen, weil wir keine "Goldene Generation" mehr haben. Was darf man von euch als Team realistischerweise erwarten, ab welcher Art Ergebnis kann man aus deiner Sicht von einem Erfolg sprechen?
Leitner: Wenn wir ehrlich sind, sind wir jetzt schon seit zwei Jahren im Aufbau. Noch ist es nicht wirklich erkennbar. An mich selbst habe ich schon noch hohe Erwartungen, da haben mich die letzten Jahre ein wenig zurückgeworfen. Ich bin ziemlich gut in den Weltcup hineingekommen und wollte das immer steigern, steigern, steigern. Das ist gscheit in die Hose gegangen. Jetzt versuche ich mich zu sortieren, um an meine Ziele wieder heranzukommen. Ich bin immer noch überzeugt davon, dass ich es drauf habe.
LAOLA1: Findest du, dass die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit vielleicht immer noch zu hoch ist, weil alle noch die Erfolge von früher im Kopf haben?
Leitner: Den Eindruck habe ich nicht. Ich finde, dass man das nüchtern betrachten muss. Es waren geile Jahre, leider war ich da nicht dabei oder nur ganz am Ende. Ich denke, dass wir gute Leute haben, auch bei den Jungen, die noch nach kommen. Olympia 2026 wird vielleicht zu knapp, aber wenn man jetzt anfängt, gut zu arbeiten, glaube ich, dass wir bei der Heim-WM 2028 wieder eine lässige Staffel bilden können. Ich glaube auch, dass wir uns dann über konstante Top 30- und Top 20-, vielleicht einmal Top-10-Platzierungen freuen können. Wir haben noch ein paar Baustellen, die müssen wir erkennen und daran arbeiten.
LAOLA1: Mit Fabian Müllauer gibt es nun nach einiger Zeit wieder einen jungen Athleten, der in Zukunft im Weltcup eine Rolle spielen könnte. Was traust du ihm in den nächsten Jahren zu?
Leitner: Er läuft total stark. Ich hoffe, dass er sich im Schießen noch ein bisschen stabilisieren kann. Das ist sicher die größte Baustelle. Aber das haben noch die meisten geschafft. Das traue ich ihm auf jeden Fall zu.
LAOLA1: Wenn du einen Wunsch ans Christkind für den österreichischen Männer-Biathlon frei hättest, wie würde dieser lauten?
Leitner: Mal wieder ein Podium für mich (lacht).