Es war der ganz normale Biathlon-Wahnsinn!
40 Schüsse, 40 Treffer, zwei Medaillen.
Für Dominik Landertinger und Simon Eder lief der Einzelbewerb bei der WM in Oslo wie am Schnürchen, beide behielten am Schießstand die Nerven und liefen sich in der Loipe die Seele aus dem Leib.
Es wurde eine Nervenschlacht mit doppeltem Happy End. Das Duo wurde mit Silber und Bronze belohnt, geschlagen nur von Überflieger Martin Fourcade, der im vierten Bewerb zum vierten Mal Gold einsackte. Für die beiden ÖSV-Asse war es jeweils eine ganz besondere Medaille, wie sie im LAOLA1-Doppel-Interview bestätigten.
LAOLA1: Bislang lief die WM nicht nach Wunsch für euch und nun habt ihr beide eine Medaille gewonnen. Was geht in euch vor?
Simon Eder: Ich kann es noch nicht ganz realisieren, dass ich jetzt endlich den Sack zugemacht habe. Das ist der schönste Tag meiner Karriere.
Dominik Landertinger: Ich war gleich nach dem Rennen auslaufen und habe mir gedacht: Verfluchte Scheiße, die schießen alle eine Null hinten raus. Da war ich mir nicht sicher, ob ich nicht noch Vierter werde. Jetzt habe ich die Silbermedaille - ein perfekter Tag. Sicher, man könnte auch Gold gewinnen, aber Fourcade ist einfach besser, das muss man anerkennen.
LAOLA1: Wie war das Zittern für dich, Simon?
Eder: Ich habe im Ziel mal richtig geflucht, weil ich mir gedacht habe, einer kommt da sicher noch. Dann wartest du dort und denkst dir „verdammt“. Irgendwann haben sie mir gesagt, es geht sich aus. Da fiel Ballast ab. Mein Dad (Alfred Eder, Anm.) hat hier 1986 Bronze im Einzel gewonnen, dass ich es ihm nachmachen kann, ist einfach traumhaft.
Landertinger: Ich habe mir zwischenzeitlich auch gedacht: Bitte Sam, heute darfst du nicht die Arschkarte ziehen.
LAOLA1: Du hast die Medaille deiner verstorbenen Mutter gewidmet, Dominik. Welche Bedeutung hat diese Silberne für dich?
Landertinger: Eine brutal hohe. Mit viermal Null war es ein perfektes Rennen. Und nach der harten letzten Zeit tut es echt gut, dafür belohnt zu werden. Ich habe vorhin mit meiner Familie telefoniert. Meine Schwestern und mein Dad haben auch eine brutale Freude, das bedeutet mir viel.
LAOLA1: Wie hast du Landis private Situation miterlebt, Simon?
Eder: Er hat sich in Östersund entschieden, gleich weiterzulaufen. Hut ab, wie er das weggesteckt hat. Ich habe ihm damals schon gesagt, es ist unglaublich, wie er es meistert. Dass es ihm bei der WM jetzt so aufgeht, haben wir ihm alle gewünscht. Für ihn ist es ganz speziell.
LAOLA1: Das gilt auch für dich, denn die Fragen nach der fehlenden Einzelmedaille häuften sich.
Eder: Ich war in einer Situation, in der nur die Medaille zählte. Das habe ich gewusst und am Wochenende im Sprint brutal gespürt. Es ist immer so eine knappe Geschichte. Bei vier Serien kommt man auch mal in eine Situation, in der ein Schuss mit Glück reinfällt. Bei der zweiten Stehendserie bin ich ins Schleudern geraten. Da war ich froh, dass ich sie meistern konnte. Die ersten drei Serien liefen so gut, da dachte ich nur daran, dass mich nur noch fünf Schüsse vom großen Ziel trennen. Zum Glück habe ich die Nerven nicht weggeschmissen. Ich bin froh, dass ich zum ersten Mal ein Einzel mit null Fehlern geschafft habe.
LAOLA1: Gutes Timing.
Eder: Ja, schon. Irgendwie war es dann so, dass ich gedacht habe, die Kugel habe ich dadurch sicher. Am Ende kam es genau umgekehrt. Als ich im Ziel war, habe ich gemerkt, die Kugel geht sich nicht aus und war mir sicher, ich werde Vierter. Ich bin wohl traumatisiert. (lacht) Zum Glück ist es anders gekommen.
LAOLA1: Du hast immer gesagt, du kannst den Druck gut ausblenden, bist aber lange dieser Einzelmedaille hinterher gelaufen. War es vielleicht doch manchmal das Unterbewusstsein, das für großen Druck sorgte?
Eder: Ja, sicher. Man versucht es für sich zu lösen. Ich bin mehrfach in der Nacht aufgewacht in dem Bewusstsein, dass ich das Rote Trikot trage und eine Medaillenchance habe. Das war nicht leicht, denn das ist mir in dieser Woche nicht nur einmal passiert. Beim Frühstück habe ich aber heute gemerkt, dass die Füße gut sind und die Form passt.
LAOLA1: Dominik, nach deinem Zieleinlauf musste man sich fast Sorgen machen, weil du so fertig warst …
Landertinger: … ich hätte auch keine Sekunde mehr rennen können. Selbst nach zehn Minuten konnte ich nicht normal schnaufen. Ich habe alles rausgeholt.
LAOLA1: Wie schwierig war es für dich, Simon, die Zwischenzeiten zu hören und mitzubekommen, dass Dominik immer vorgelegt hat und du gezwungen bist, die Null zu schießen?
Eder: Früher haben mich so Extremsituationen öfter aus dem Rhythmus gebracht, damit kann ich inzwischen besser umgehen. Martin und ich haben beide gelacht, weil ich ihm damals (2009/10 um einen Punkt, Anm.) das Trikot "geschenkt" habe. Das war damals seine erste Kristallkugel. Es hat ihm heute ein bisschen leid getan, dass er es diesmal um zwei Punkte gewonnen hat. Wenn es dann auch noch der vierte Platz geworden wäre …
LAOLA1: … wärst du ausgezuckt?
Eder: Naja, auszucken kann ich nicht. Ich hätte aber wohl alles hinterfragt. Ich war wirklich nervös. Man sieht aber, dass irgendwann doch alles zurückkommt.
LAOLA1: Kann man diese Medaille mit deinen Staffel-Medaillen vergleichen?
Eder: Die Staffel-Medaillen waren auch immer ein großes Ziel. Ich bin extrem dankbar, dass ich sie machen durfte, speziell bei Olympia. Wenn du aber drei hast, bist du an dem Punkt, an dem dich jeder nach dem Einzel fragt. Klar will man die Medaille auch machen, deshalb ist das für mich ein Traum. Ich will sie aber nicht vergleichen, weil ich sehr zu schätzen gelernt habe, dass ich in Vancouver und Sochi Olympia-Medaillen gewinnen durfte.
LAOLA1: Die Norweger reagieren beim Thema Fourcade gereizt, weil er ihnen in Oslo die Show stiehlt. Wie seht ihr die Angelegenheit?
Eder: Die Kampfansagen der Norweger sind, wenn sie so getroffen wurden, wie man hört, eher ein bisschen lächerlich denn einschüchternd. Man kann sich auf der Strecke und am Schießstand beweisen, aber nicht bei Interviews. Insofern wundert es mich, dass sie es so probieren. So locken sie ihn aber nicht aus der Reserve, da motivieren sie ihn sogar noch.
Landertinger: Was er abliefert, ist eine unvorstellbar starke Leistung. Er ruft sein Können ab, wenn er es braucht. Das ist wie bei Ole Einar Björndalen in seiner besten Zeit.
"Die Kampfansagen der Norweger sind, wenn sie so getroffen wurden, wie man hört, eher ein bisschen lächerlich denn einschüchternd."
LAOLA1: Welche Bedeutung haben eure Medaillen für den Biathlon-Sport in Österreich?
Eder: Sie sind extrem wichtig. Die letzte WM-Medaille war von Sumi (2011, Anm.). Ich bin froh, dass ich endlich auch einen Beitrag leisten konnte. Es nimmt mir auch für die Heim-WM schon Druck weg.
Landertinger: Für die Heim-WM 2017 ist es natürlich eine super Werbung. Biathlon macht sich generell sehr gut, speziell, wenn so eine Spannung herrscht.
LAOLA1: Zwei Bewerbe stehen noch bevor. Seid ihr auf den Medaillen-Geschmack gekommen?
Eder: Mir ist das ehrlich gesagt … naja, egal nicht, aber ich genieße das heute. Morgen ist rennfrei, da kann ich es nochmal genießen. Und am Samstag holen wir alles in der Staffel raus, am Sonntag dann im Massenstart.
Landertinger: Ich glaube, dass man uns in der Staffel auf der Rechnung haben sollte. Wir haben das schon im Mixed gezeigt, in der Herren-Staffel sind wir noch ein Eck heißer.
LAOLA1: Wird heute gefeiert?
Eder: Ich werde mich natürlich auf die Rennen konzentrieren. Jetzt fahre ich aber mit den Fischer-Jungs zur Siegerehrung, da haben wir ausgemacht, dass sie mich auf einen Burger einladen, wenn ich eine Medaille mache. Den Gutschein werde ich ziehen.
Landertinger: Eine Wette hatte ich nicht, aber ich werde die Siegerehrung voll genießen und dann vielleicht Game of Thrones schauen. Bei der Serie gehst du durch die Hölle. (lacht)
LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.
Aus Oslo berichtet Christoph Nister