news

IBU-Boss soll Doping vertuscht haben

Internationaler Biathlon-Verband versinkt im Chaos. Whistleblower packt aus:

IBU-Boss soll Doping vertuscht haben Foto: © getty

Der Internationale Biathlon-Verband (IBU) versinkt im Chaos.

Präsident Anders Besseberg hat nach der Razzia des Bundeskriminalamts am IBU-Sitz in Salzburg am Mittwoch sein Amt bis zum Ende der Ermittlungen zurückgelegt. Generalsektretärin Nicole Resch wird vorerst suspendiert, wie der Verband in einer Aussendung mitteilt.

Besseberg soll in seiner Funktion als Präsident seit dem Jahr 2011 exakt 65 Dopingfälle von russischen Athleten verschwiegen haben. Das berichtet die norwegische Zeitung Verdens Gang (VG).

Betroffen von positiven Proben seien 17 der 22 in der vergangenen Saison im Weltcup angetretenen Russen.

Russland soll sich Schweigen erkauft haben

Am Mittwoch hatte sich die französische Tageszeitung "Le Monde" auf die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) bezogen, wonach sich Russland das Schweigen der IBU erkauft haben könnte, um Dopingfälle zu vertuschen. "Ich denke, wir haben uns an die Regeln gehalten", sagte Besseberg am Mittwochabend im norwegischen Rundfunk (NRK). "Aber ich kann mich nicht dazu äußern, wie die Ermittler diese Angelegenheit sehen." Er habe nichts zu verbergen.

In einem 16-seitigen, vertraulichen WADA-Report wird berichtet, dass die IBU "alles getan habe, um Ermittlungen gegen Russland zu verhindern". Das Hauptziel der Korruption sei es gewesen, gedopte russische Athleten zu beschützen, soll in dem Report von Ende 2017 festgestellt worden sein.

"Whistleblower" packt aus

"Whistleblower" Grigori Rodtshenkov, ehemaliger Direktor des Moskauer Anti-Doping-Zentrums, hat nach eigenen Angaben bei den Ermittlungen gegen die IBU geholfen. Der NRK hatte Rodtshenkov vor wenigen Tagen an einem unbekannten Ort in den USA besucht und im Bild aus Sicherheitsgründen maskiert interviewt. Darin hatte der Russe schwere Vorwürfe gegen die IBU und die russischen Sportinstanzen erhoben.

Rodtshenkov sprach in dem teilweise online veröffentlichten Interview von "Korruption, systematischer Sabotage und Manipulation" von biologischen Blutproben russischer Sportler. Diese Vorgänge hätten bereits vor den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi stattgefunden. Seither habe sich die Situation aber sogar noch verschlimmert. Rodtshenkov ist in den USA untergetaucht. Er fürchtet laut NRK um sein Leben seit er Russland in die Anschuldigungen gegen die IBU miteinbezogen hat.

Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen

Gegen Besseberg und seine deutsche Generalsekretärin Nicole Resch läuft ein Ermittlungsverfahren. Laut einer IBU-Mitteilung vom Mittwoch war dieses der Auslöser für die am Dienstag am IBU-Sitz vorgenommenen Hausdurchsuchungen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien bestätigt am Donnerstag Ermittlungen gegen Funktionäre des Internationalen Biathlon-Verbandes sowie Betreuer und Sportler des russischen Biathlon-Teams.

Gegenstand der Ermittlungen sind die Anwendung verbotener Substanzen bzw. Methoden zum Zweck des Dopings, schwerer Betrug im Zusammenhang mit Doping sowie der Geschenkannahme von Bediensteten. Der Tatzeitraum betreffe vornehmlich die Biathlon-WM im Februar 2017 in Hochfilzen, die Korruptionsvorwürfe reichen aber bis 2012 zurück. Der Schaden bezüglich der Korruptions- bzw. Betrugsvorwürfe (durch Doping erschwindelte Preisgelder) belaufe sich auf umgerechnet 240.000 Euro bzw. 35.000 Euro.

Bestechungsgelder in der Höhe von 300.000 Dollar

Bei den Korruptionsvorwürfen gehe es darum, dass auf von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) herangetragene Dopingverdachtsfälle von der IBU nicht angemessen reagiert worden sei. Außerdem sollen dafür Bestechungsgelder in der Höhe von 300.000 Dollar (rund 242.200 Euro) versprochen bzw. angenommen worden sein. Zeitgleich zu Salzburg in Deutschland und Norwegen durchgeführte Durchsuchungen ergeben die Notwendigkeit der internationalen Kooperation mittels Rechtshilfeersuchen.

Die IBU werde bei den Untersuchungen voll kooperieren, man nehme die Causa "extrem ernst", hieß es weiter.

Die Strafdrohungen für die Vorwürfe betragen für die Dopingvorwürfe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monate oder eine Geldstrafe bis 360.000 Euro, für die Betrugsvorwürfe bzw. Korruption Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren bzw. sechs Monaten bis fünf Jahre. Nähere Angaben zu beschuldigten Personen oder Organisationen bzw. zu einzelnen weiteren Ermittlungsmaßnahmen könnten laut WKSTA derzeit im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht gemacht werden.

IBU massiv in der Kritik

Die IBU war in der jüngsten Vergangenheit für ihre zu lasche Vorgehensweise im Anti-Doping-Kampf massiv in die Kritik geraten. So boykottierten zahlreiche Nationen zuletzt beispielsweise das Weltcup-Finale, das die IBU trotz des russischen Dopingskandals im sibirischen Tjumen veranstaltete.

Besseberg hatte bereits angekündigt, dass er sich dieses Jahr zurückziehen wolle. Der 72-jährige ist schon seit 1992 IBU-Chef. Sein Nachfolger soll Anfang September beim IBU-Kongress in Porec gewählt werden.

Vorerst übernimmt der für Finanzen zuständige IBU-Vizepräsidenten Klaus Leistner die operativen Geschäfte des Präsidenten, nachdem Viktor Maigurov, Ex-Biathlet und erster Vizepräsident, auf die interimistische Übernahme verzichtete.

Kommentare