Das seit Saisonbeginn geltende Fluorwachs-Verbot stellt die Skitechniker im Biathlon vor eine doppelte Herausforderung.
Einerseits gilt es, den Athleten fluor-freie Langlauflatten zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig müssen diese mit bisher nie verwendeten Produkten möglichst schnell gemacht werden. Ersteres stellte sich leichter als zunächst befürchtet heraus, die ideale Ski-Präparierung ist hingegen eine harte Nuss.
ÖSV-Biathlon-Servicechef Manfred Hierschläger erwartet in nächster Zeit beträchtliche Performance-Unterschiede aufgrund der Wachswahl.
"Fluor hat alles gleicher gemacht, jetzt geht es weiter auseinander. Die Unterschiede sind jetzt am Anfang sicher größer. Es wird nicht bei allen Verhältnissen so sein, aber es wird immer wieder vorkommen", erläutert Hierschläger im Gespräch mit der APA.
Vorerst wie beim Weltcup-Auftakt noch auftretende Klassenunterschiede dürften sich unabhängig von der Größe und finanziellen Ausstattung der jeweiligen Expertenteams aber wieder nivellieren.
"Ich bin überzeugt, dass es mit den Rennen, je öfter man gewisse Verhältnisse gehabt hat, wieder knapper zusammengeht. Es kann natürlich sein, dass gewisse Nationen bei gewissen Verhältnissen einen Vorteil haben, vor allem am Anfang."
Fehlende Erfahrung als Manko
Ein Grund für eklatante Unterschiede seien die fehlenden Erfahrungswerte. "In 99 Prozent der bisher verwendeten Wachse war Fluor drinnen", so Hierschläger.
Deshalb sind auch die bisher genutzten Datenbanken mit Werten über Schneebeschaffenheiten an den diversen Weltcupschauplätzen und die jeweilige Wachswahl in Kombination mit den unterschiedlichen Skimarken nutzlos geworden.
Ein weiterer erschwerender Faktor für die Serviceteams war die fehlende Zeit zum Erproben der nun erlaubten Produkte. "Die meisten Wachse sind von den Firmen im Herbst gekommen. Das heißt, die Vorlaufzeit für Schneetests war relativ kurz, und natürlich hatten wir auch noch nicht alle Verhältnisse. Es ist jeden Tag ein neues Lernen. Die neuen sind auf jeden Fall nicht mehr so schnell wie die Fluorwachse", betont Hierschläger.
Die kürzere Wirkungsdauer stellt die nächste Problematik dar. "Auch von der Haltbarkeit her waren die Fluorwachse spitze, sie haben die Performance auch über viele Kilometer gut gehalten." Deshalb müssten die neuen Produkte für alle erdenklichen Schneeverhältnisse für Distanzen von 5 bis 20 km auf den Prüfstand. Das bedeutet für Hierschläger und sein fünfköpfiges Team viele zusätzliche Loipenkilometer.
Die Angst vor Verunreinigungen
Viel Arbeit hatte seine Truppe auch schon im Sommer. Es galt den Wachstruck, sämtliche Arbeitsgeräte und 500 Paar Ski penibel zu reinigen, um Fluor-Reste zu beseitigen. Denn die IBU überwacht die Einhaltung des auf einer EU-Richtlinie beruhenden Fluor-Verbots vor und nach allen Wettkämpfen mit durchgängigen Infrarottests. Die ersten Welt- und IBU-Cupbewerbe brachten keinerlei Beanstandungen.
Befürchtete Verunreinigungen durch Fluor-Rückstände blieben bisher aus. "Kontaminationen können schnell passieren, da muss man schon aufpassen. Aber man hat sich das ein bisschen schwieriger vorgestellt, als es im Endeffekt ist. Derweil schaut es so aus, dass wir ziemlich safe sind", meint Hierschläger.
Um sicherzugehen, werden alle Wettkampfski vom ÖSV mittels eines eigenen Gerätes unmittelbar vor den Rennen getestet. Erst danach geht es zur obligatorischen IBU-Kontrolle.
Fluor-Bann beschäftigt auch die Athleten
Das Wachsthema stellt auch die Athleten vor neue Herausforderungen. Die Einschätzung der eigenen Leistung gerät bisweilen zum Rätselraten. Der langjährige Seriensieger Johannes Thingnes Bö sieht sich durch den Fluor-Bann sogar in seinem Höhenflug gebremst.
"Früher konnte man ohne viel Kraft im Oberkörper auf den Skiern fliegen. Ich glaube, jetzt ist das nicht mehr der Fall", beschreibt der zu Saisonbeginn geschlagene Norweger die neue Wachsnormalität.