"Du bist so weit, weit weg, so weit, weit weg von mir."
In Anlehnung an Hubert von Goiserns Evergreen stellen wir den Weltcup in Canmore unter das Motto "Weit, weit weg". Die besten Loipenjäger der Welt sind - mit wenigen Ausnahmen - über den großen Teich geflogen, um in Nordamerika das Publikum mit dem Biathlon-Virus zu infizieren.
Wenngleich der Biathlon-Tross rund 8.000 Kilometer weit entfernt ist, waren auch die Fans hierzulande wieder hautnah dabei. Ob in der Wind-Lotterie im Damen-Sprint, der packenden Single-Mixed-Staffel oder beim überraschenden Ende im Herren-Massenstart: Die übertragenden Sender lieferten wieder einmal geniale Bilder frei Haus.
Wer zu überzeugen wusste und wer sich den teuren Flug nach Kanada hätte schenken können, erfahrt ihr wie immer an dieser Stelle. Viel Spaß mit der Schießbude aus Canmore:
Wie geprügelte Hunde schlichten die Italiener in den letzten zwei Jahren häufig aus dem Zielbereich. Erst machte der Squadra Azzurra das Doping-Theater um "Dottore Epo" Michele Ferrari und die Taschler-Familie unseren südlichen Nachbarn zu schaffen, dann gesellte sich noch ein hartnäckiges Formtief dazu. Schnee von gestern, mit dem Sieg von Dominik Windisch haben die Herren den ersten Weltcupsieg seit mehr als zwei Jahren (Lukas Hofer in Antholz 2014) gefeiert. Für den 26-Jährigen war es zugleich der erste Podestplatz seiner Karriere, kam er doch davor nie über einen fünften Rang hinaus.
"Geiz ist geil", lautete der Werbeslogan einer Elektro-Handelskette. "Geiz ist geil", finden wohl auch die Norsker. Zumindest, was ihre Beteiligung an den Rennen in Kanada betrifft. Ja, ihre Heim-WM hat Priorität. Und ja, sie können es sich leisten, auch mal eine Pause einzulegen. Aber warum mussten die norwegischen Topstars geschlossen die Reise nach Canmore auslassen? Es ist ja nicht neu, dass Ole Einar Björndalen zugunsten eines Trainingslagers auch mal eine Station sausen lässt, kollektives "Verweigern" finde ich aber unangebracht. Es gebührt dem Respekt dem Veranstalter gegenüber, diesen nicht derart im Stich zu lassen und zumindest ein, zwei große Namen in die Provinz Alberta zu entsenden. Geiz ist ist in diesem Fall gar nicht geil. Zumindest in Presque Isle bekommen die Fans auch ein paar norwegische Hochkaräter zu sehen.
Es mag zwar schon ein paar Tage her sein, doch die Leistungen der österreichischen Junioren-Mannschaft bei der JWM in Cheile Gradistei gehören noch einmal gewürdigt und verdienen sich dieses Lob allemal: Hut ab, was Felix Leitner (2x Gold, 1x Bronze), Susanna Kurzthaler (1x Gold, 1x Bronze), Julia Schwaiger (2x Bronze) und Simone Kupfner (1x Bronze) in Rumänien geleistet haben. Speziell Leitner (hier geht's zum Portrait des Supertalents) bewies einmal mehr, warum er als DIE Hoffnung im heimischen Herren-Lager gilt. Die erfolgreichsten Junioren-Titelkämpfe der ÖSV-Geschichte sind ein Beweis dafür, dass im Nachwuchs exzellente Arbeit geleistet wird und lassen die rot-weiß-roten Fans von einer goldenen Zukunft träumen.
Doppelweltmeister!!Felix Leitner gewinnt auch den Sprint (0/1) in Rumänien!#championstrainwithtechnogym
Posted by ÖSV Biathlon on Samstag, 30. Januar 2016
Zu viele Wettkämpfe? Zu große Reisestrapazen? Vielerorts wird über den Übersee-Trip diskutiert, gerne wird er kritisiert. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viel Biathlon, Biathlon, Biathlon anbieten", erklärte Simon Schempp unlängst in der "Sport Bild". DSV-Damen-Cheftrainer Gerald Hönig befand: "Ich sage ganz ehrlich: Ich bin nicht begeistert über diese Saisonplanung." Zugegeben, ganz glücklich ist die Planung vielleicht nicht, doch mal ehrlich: Die IBU unternimmt wirklich sehr viel, um die Belastung der Athleten nicht exorbitant hoch werden zu lassen. Im Gegensatz zu Alpinen, Langläufern oder Skispringern genossen die Biathleten einen "Neujahrs-Urlaub", auch vor und nach dem Übersee-Trip planten die Verantwortlichen jeweils entsprechende Pausen ein. Es schadet nicht, auch mal über den Tellerrand (=Europa) hinauszublicken, wenn man sich in puncto internationaler Vermarktung breiter aufstellen will.
Regelmäßige Leser der Schießbude wissen, welch Mammutaufgabe Jahr für Jahr auf Andrejs Rastorgujevs zukommt, um eine Saison auszufinanzieren. Der Lette ist ein Einzelkämpfer und hat nur ein kleines Team zur Verfügung. Umso beachtlicher, wie der 27-Jährige immer wieder aufs Neue sämtliche organisatorischen und finanziellen Hürden meistert und den Weltklasse-Athleten Paroli bietet. Mit Platz fünf im Massenstart gelang dem exzellenten Läufer (aber bestenfalls durchschnittlich begabten Schützen) das beste Ergebnis dieser Saison. Für mich Grund genug, um ihm den Spot im Exoten-Watch zu widmen.
Genervt ist ja gar kein Ausdruck, wenn ich an die Doping-Meldung unter der Woche denke. Ein bislang unbekannter Athlet, auch das Geschlecht wurde in der offiziellen Stellungnahme der IBU nicht verraten, wurde bei einem der Jänner-Weltcups des Dopingmissbrauchs überführt und vorläufig gesperrt. Er/Sie hat zwar die Möglichkeit, die B-Probe zu beantragen, aus Erfahrung weiß man aber, dass in 99 Prozent aller Fälle entweder darauf verzichtet oder die A-Probe bestätigt wird. Ein Top-Athlet soll nicht betroffen sein, doch unabhängig davon, wen es schlussendlich trifft: Diese Lügner und Betrüger gehören lebenslang gesperrt!
Canmore war keine Reise wert für Mari Laukkanen. Die Finnin musste im Sprint nach dem Stehendschießen aufgeben. "Es war nicht mein Tag", berichtete sie anschließend. "Ich bekam eine riesige Asthma-Attacke. Es war schrecklich, aber jetzt ist alles okay." Die 28-Jährige griff am Sonntag wieder ins Geschehen ein, mit der finnischen Mixed-Staffel kam sie aber nicht über Platz 14 hinaus.
Pech im Sprint hatte auch eine Österreicherin. Lisa Hauser ging früh ins Rennen, mit Startnummer 5, was sich im Nachhinein als Nachteil herausstellen sollte. Die Tirolerin wurde vom Winde verweht und hatte schon auf der Loipe Mühe, das Tempo der Konkurrenz zu halten. Aufgrund des heftigen Gegenwindes verlor sie auf der ersten Schleife mehr als eine Minute und wurde schlussendlich mit drei Schießfehlern auf Platz 70 durchgereicht. Als 14. des Massenstarts bewies die 22-Jährige tags darauf, was sie bei regulären Verhältnissen zu leisten im Stande ist.
Ça souffle fort à Canmore... ◀️◀️◀️◀️◀️◀️ #biathlon21 pic.twitter.com/zPDxcLfc7g
— L'ÉQUIPE 21 (@lequipe21) 5. Februar 2016
Da ist das Ding! Zum ersten Mal in der Geschichte des Biathlon-Weltcups gelang einer österreichischen Mixed-Staffel, im konkreten Fall einer Single-Mixed-Paarung, das Podest zu erklimmen. Lisa Hauser und Simon Eder rockten die dritte Ausgabe des jüngsten Formats der IBU und landeten hinter dem favorisierten französichen Pärchen Marie Dorin Habert und Martin Fourcade auf dem zweiten Platz. "Ich bin natürlich überglücklich über das Podest", freute sich Hauser darüber, erstmals die Top-3 zu entern. "Endlich haben wir auch in der Mixed-Staffel einen Podestplatz", war es Eder ein Bedürfnis, diese Scharte auszumerzen. Der Salzburger glänzte einmal mehr als Lucky Luke und benötigte im letzten Schießen nur 17,5 (!) Sekunden.
Eine Saison- und gleich zwei Karrierebestleistungen gab es im Lager der Damen zu verbuchen. In der Sprint-Windlotterie behielten die jungen ÖSV-Ladies den Durchblick und bewiesen Nervenstärke. Christina Rieder holte als 32. erstmals in ihrer Karriere Weltcup-Zähler, Susanne Hoffmann tat es ihr als 36. gleich. Und auch Dunja Zdouc tankte als 37. Selbstvertrauen und schrieb endlich an.
Die mannschaftliche Stärke der Herren wurde vor allem im Sprint eindrucksvoll aufs Ergebnistableau gebracht. Julian Eberhard gelang mit Platz vier ebenfalls ein Career-High, direkt dahinter folgten Dominik Landertinger und Simon Eder. Auch Sven Grossegger (27.) und Debütant Lorenz Wäger (38.) gelang der Sprung in die Punkteränge. Klar, die stärksten Norweger glänzten mit Abwesenheit, doch das soll die Leistungen des ÖSV-Quintetts keinesfalls schmälern. Besonders erfreulich ist der deutliche Formanstieg bei Landertinger, der als Massenstart-Vierter seine beste Saisonplatzierung in trockene Tücher brachte.
Generell waren die Leistungen des ÖSV-Teams außerordentlich stark. Neben dem historisch ersten Mixed-Stockerlplatz gab es zahlreiche persönliche Rekorde zu feiern. Das sorgt nicht nur mit Blickrichtung Oslo für freudige Gesichter, sondern auch schon darüber hinaus für die Heim-WM in Hochfilzen. Der Startschuss zu selbiger erfolgt in exakt einem Jahr am 8. Februar 2017.
1 Jahr noch bis zur Heim WM in Hochfilzen!One year to my home WCHне один год , пока на чемпионате мира#Vorfreude #Hö...
Posted by Dominik Landertinger on Montag, 8. Februar 2016
#2 - Gleich zweimal gelang Matej Kazar eine persönliche Bestleistung. Im Sprint egalisierte der Slowake als 15. seinen bisherigen Rekord aus dem Olympia-Massenstart von Sochi, in jenem von Canmore setzte er einen drauf und klassierte sich als Zehnter erstmals in den Top Ten.
#15 - Die ÖSV-Taktik in der Mixed-Staffel ging voll auf! Durch den zweiten Platz des Duos Hauser/Eder verbesserten sich die Damen im Nationencup auf Position 15, der ungemein wichtig ist, da er für die Saison 2016/17 einen vierten Startplatz garantiert. Der Vorsprung auf die Slowakei beträgt aktuell aber nur sechs Zähler.
#19 - Merkt euch den Namen Maksim Varabei! Der 20-jährige Weißrusse trat erstmals im Weltcup in Erscheinung und überzeugte auf Anhieb als Sprint-19. Ganz nebenbei war auch Teamkollege Aliaksandr Darozhka (24) auf Platz 21 so stark wie noch nie.
#43 - Martin Fourcade schiebt sich Stück für Stück an Landsmann Raphael Poiree heran. Durch seinen 43. Weltcupsieg im Canmore-Sprint sitzt er dem 41-Jährigen im Nacken und benötigt nur noch einen weiteren, um mit ihm gleichzuziehen. Gelingt ihm das, würde in der ewigen Bestenliste nur noch ein Mann vor ihm stehen.
Die IBU hat mit dem Abstecher nach Canmore vieles richtig gemacht. Nicht nur, dass der nordamerikanische Markt nach fünfjähriger Absenz wieder mit Weltcuprennen bedient wurde bzw. wird (Presque Isle folgt), die Rennen waren perfekt organisiert und boten dem TV-Zuschauer tolle Bilder einer atemberaubenden Landschaft. In diesen Genuss könnte der Biathlon-Tross auch 2020 kommen, sollten dann die Titelkämpfe in Kanada ausgetragen werden. Das Interesse der Veranstalter ist jedenfalls groß. "Wenn er (der Weltcup) gut funktioniert, werden wir uns mit Canmore höchstwahrscheinlich für die WM 2020 bewerben", kündigte Herren-Trainer Matthias Ahrens vor den Bewerben an. Die Konkurrenz ist allerdings hochkarätig, gieren doch auch Oberhof und Pokljuka um die Ausrichtung. Dazu prüft Antholz, ebenfalls einen Anlauf zu starten.
Ein Haarriss am Steißbein machte Franziska Preuß wochenlang zu schaffen. In Übersee kehrte die Massenstart-Weltcupsiegerin der letzten Saison zurück ins Geschehen und präsentierte sich in toller Form. Als wäre sie nie weggewesen, mischte sie im Sprint auf Anhieb ganz vorne mit und wurde Sechste. Im Massenstart gelang ihr der elfte Platz. Das Sahnehäubchen einer gelungenen Comeback-Tour bildete die Mixed-Staffel, in der sie an der Seite von Franziska Hildebrand, Arnd Peiffer und Simon Schempp einen überlegenen Sieg in trockene Tücher brachte.
Der Pechvogel der Woche war ausgerechnet eine Lokalmatadorin. Megan Tandy war voller Vorfreude auf ihren Heim-Weltcup, als bei einer morgendlichen Jogging-Runde das Unheil seinen Lauf nahm. "Nach einem harmlosen Rutscher auf einem beschneiten Weg, mit ein bisschen Fluchen, ein paar Schmerzkillern, einem Trip ins Krankenhaus und diversen Röntgenaufnahmen kam ich mit schlechten Nachrichten heim", erklärte sie auf ihrer Facebook-Seite. Die Diagnose: Kahnbeinbruch. Die Folge: Acht Wochen Pause und das vorzeitig Saisonaus für die 27-Jährige. Wir wünschen gute Besserung!
"Alle Jahre wieder kommt er als Rübezahl für Arme in Frage." - Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich über die Gesichtsbehaarung des Norwegers Alexander Os.
Christoph Nister