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EBEL-Scout Freimüller über den Lauf der 99ers

EBEL steht Kopf! 99ers lachen von der Spitze. Was sagt der EBEL-Scout?

EBEL-Scout Freimüller über den Lauf der 99ers Foto: © GEPA

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Na, da schau her! Die Graz99ers gehen als Tabellenführer der Erste Bank Eishockey Liga ins November-Break – wer hätte das gedacht?

Ist der Erfolgslauf nur ein Zwischenhoch, das von der jährlichen November-Depression wieder abgelöst wird, oder der wahre Leistungsstand des Teams von Coach Doug Mason?

EBEL-Scout Bernd Freimüller zieht ein Zwischenfazit, freut sich, dass 99ers-Fans das Wort "Playoff" in den Mund nehmen dürfen und erklärt, warum Graz wieder ein Player im heimischen Eishockey ist.

Platz eins und die neue Euphorie rund um die 99ers ist eine schöne Konsequenz der letzten Zeit, in der die Grazer endlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.

99ers suchten überall die Schuldigen, nur nicht in Graz

Früher war die Abfolge immer vorgegeben: Die alten Spieler und Coaches wurden als völlig untauglich gebrandmarkt (als ob diese vom AMS vorbeigeschickt worden sind).

"Heuer wird aber alles anders" - nach einem brauchbaren Saisonbeginn folgte stets der Einbruch und das frühzeitige Saisonende – alle anderen waren schuld, von den Schiris bis zu dunklen Mächten in der Liga – "Wash, rinse and repeat" dann wieder ab Sommer!

Doch spätestens nach der Ablöse von Coach Todd Björkstrand und dem Ende des Tryout-Wahnsinns kehrte in Graz ein Umdenken ein.

Doug Mason kennt die Gegebenheiten der Liga und in Graz, versucht jedes Jahr mit einem überschaubaren Budget, ein gutes Team auf die Beine zu stellen. Das kann in einem Playoff-Rang enden (wie in der vorletzten Saison), ein Einbruch zur falschen Phase aber auch im Katzenjammer (Qualification Round in der Vorsaison).

Keine Ablöse von Doug Mason zeigt die Lernfähigkeit

Dass dies aber nicht zur automatischen Ablöse von Mason führte, zeigt die Lernfähigkeit der Führungsetage, Mason durfte dafür umgekehrt das Legionärs-Kontingent wieder erhöhen.

99ers-Fans freuen sich über Platz 1
Foto: © GEPA

Bei der dünnen Personal-Decke der Grazer kann natürlich schon eine oder zwei Personal-Entscheidungen das Abschneiden vorgeben.

Letztes Jahr kostete das viel zu lange Festhalten am völlig untauglichen Goalie Hannu Toivonen vielleicht sogar eine Top-6-Platzierung, ganz sicher aber die Chance auf die Playoffs.

Dwight King anstelle von Mark Mancari ist ein Glücksfall

Heuer standen die Personal-Planungen dagegen unter einem guten Stern, neben einem guten Händchen war auch Glück notwendig: Der eigentlich eingeplante Mark Mancari sagte ab, was erst das Engagement von Dwight King ermöglichte. Beides keine Speedster, aber King bringt alleine durch seine Arbeit an den Banden und Pass-Genauigkeit (findet vor allem Defender Matt Caito) etwas ein, was von Mancari nie und nimmer zu erwarten gewesen wäre.

Doug Mason durfte auch heuer im Sommer wieder das Team zusammenstellen, ihm wurde aber zu verstehen gegeben, dass es keine Notwendigkeit zu Schnellschüssen im April gäbe.

Neben King wurde so etwa Travis Oleksuk erst relativ spät verpflichtet, der Ex-Bozner ist einer der "Unsung Heros" der Liga und verrichtet ohne Leistungsschwankungen seinen Job in beide Richtungen. Auch das Zögern der Linzer bei Erik Kirchschläger trug dann für die Grazer Früchte.

Colton Yellow Horn überzeugt auch als Center

Ebenfalls in der Liga bekannt, wenn auch nicht in seiner Grazer Rolle: Colton Yellow Horn - aktuell als Center im Einsatz.

Im Powerplay operiert er wie immer von der rechten Halfwall und schießt dort wie eine Haubitze. In der Mitte des Eises gibt Ken Ograjensek einen starken Bumper, das Überzahlspiel war auch schon in der letzten Saison lange eine Grazer Waffe.

Neo-Defender Oliver Setzinger ist natürlich ebenfalls eine gewichtige Schussoption von der blauen Linie, hat sich in den letzten Wochen aber auch defensiv stark verbessert.

Defensiv-Verteidiger Robin Jacobsson bringt seine Stärken (Größe, Reichweite, etwas Jam) ebenso ein wie der aufsässige Center Matt Garbowsky.

Mit Dominik Grafenthin und dem wiedergenesenen Lukas Kainz kamen zwei junge (Eishockey-)Österreicher zu den 99ers, die ihren Part in der vierten Linie oder höher spielen können, wobei ich Kainz ein größeres Potenzial bescheinige.

Dass Curtis Hamilton ein sehr guter EBELer werden würde, überrascht mich nicht, er war schon in Tschechien und Finnland ein solider Zwei-Weg-Flügel mit guter Reichweite, ehe ihn eine Verletzung aus der Bahn warf. Er sekundiert den defensiv natürlich Hilfe brauchenden Yellow Horn ebenso gut wie Ty Loney.

Ty Loneys Hände sind Ligaspitze

Als ich im März 2018 in Bakersfield war, spielte Loney zwar nicht, sein Profil zwang mich aber zu einer Recherche. Die Auskunft eines Coaches von dort: "Toller Mensch, arbeitet hart, gute Hände, nur die Beine halten ihn zurück." Auf EBEL-Niveau reicht sein Footspeed und seine Stärken sind augenscheinlich: Loneys Hände im Nahkampf sind Ligaspitze, er kann auf engstem Raum den Puck kontrollieren und gleichzeitig den Gegner abdrängen.

Wie er Thomas Koch nach einem Faceoff gestern düpierte, steht bezeichnend für Loneys Stärken. Im Eins-zu-Eins ist er einer der Top-Spieler der Liga, bringt vor allem die Scheibe auch hoch, wenn Gegenspieler an ihm hängen.

Mir bis zum Sommer völlig unbekannt war ECHL-Defender Matt Caito, doch er zeigte schon beim Turnier in Zvolen seine Stärken: Gute Beine und ein hoch entwickelter Hockey Sense erlauben es ihm, im Rücken der Defensive Löcher zu finden, die er mit einem tollen Schuss veredeln kann. Jacobsson sichert für ihn defensiv ab.

Auf der Goalie-Position war Aushilfe Linus Lundin schon ein brauchbarer Mann, Mason hat zu Backup Thomas Höneckl immerhin so viel Vertrauen, dass er seinen Einser nicht zu überspielen braucht. Der heißt jetzt Robin Rahm, der kleine "Sample Size" nach seiner Verletzung weist ihn als wichtigen und nervenstarken Rückhalt aus. Wird er aber fit bleiben?

Gegner bescheinigt 99ers hohes Skill Level und Hockey-Intelligenz

Zufällig habe ich am Samstag mit einem EBEL-Coach über die Grazer gesprochen – er ließ keine Zweifel in seiner Einschätzung: "They are for real".

Er führte ein hohes Skill Level über alle Linien hinweg und gute Hockey-Intelligenz als die Stärken des Teams an. Damit hat er sicher recht, doch können die Grazer "Top of the League" bleiben? Das erscheint mir als etwas zu hoch gegriffen, doch sie haben sich schon genug Winterspeck angefuttert, sodass sie auch die jährliche November-Depression nicht ganz aus der Bahn werfen sollte.

Vor allem das mehrmalige Aufholen großer Rückstände sollte dem Team Selbstvertrauen in schwierigen Phasen geben. Wer weiß, in welche Richtung die Saison für beide Teams gegangen wäre, hätten die 99ers nicht ein 0:3 gegen Dornbirn in ein 5:3 umgewandelt?

Knappes Personal-Kostüm könnte sich rächen

Was mir etwas Sorgen bereiten würde, ist das knappe Personal-Kostüm.

Sechs Defender und 13 Stürmer, mehr ist da nicht, egal welche Namen noch am Kaderblatt angeführt werden. Zwar gab es schon einige Verletzungen (Rahm, Lakos, Kainz, Moderer), diese traten aber nicht gehäuft auf. Trotzdem agierte Mason bereits mit fünf Defendern oder nur mit zehn oder elf Angreifern, was im Oktober noch kurz geht, vor allem im Dezember mit drei Spielen pro Woche aber nicht mehr aufrechtzuerhalten wäre.

Dann und vor allem in der Pick Round und in den Playoffs hätten Ausfälle wesentlich desaströsere Konsequenzen als bei der tiefer besetzten Konkurrenz.

Doch dass in Graz im November das Wort "Playoff" überhaupt in den Mund nehmen dürfen, muss für die 99ers-Fans Balsam auf die langjährigen Wunden sein.

Gegen Wien und Klagenfurt legten sie endlich ihre Zweifel ab und füllten den ehemaligen Bunker wieder. Die Euphorie sollte auch nach dem Länderspiel-Break anhalten - Graz ist derzeit wieder ein Player im österreichischen Eishockey...

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