Wie in jeder Sportart gibt es auch im Regelbuch des Eishockeys hin und wieder Anpassungen. Den Ländern bzw. Ligen ist dabei mitunter große Gestaltungsfreihei in einigen Punkten gegeben.
In der EBEL gibt es 2019/20 keine großen Änderungen, aber doch etwas "Fine Tuning" - besonders, was die Aussprache bestimmter Strafen betrifft.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick auf die Neuheiten im EBEL-Casebook - und eine abgesagte Revolution:
Drei-gegen-Drei-Overtimes in den Playoffs
In Nicht-Entscheidungsspielen in den Playoffs (wo also noch kein Team eliminiert werden kann) wird die erste Overtime wie gewohnt mit je fünf Skatern gespielt. Alle weiteren Verlängerungen zu je maximal 20 Minuten dann nur mehr mit Drei-gegen-Drei – ein früheres Ende ist zwar nicht garantiert, aber doch sehr wahrscheinlich. Dies ist die Konsequenz auf die letztjährige Playoff-Serie zwischen dem KAC und Bozen, die zu einigen Überstunden führte. In Entscheidungsspielen (also frühestens ab Spiel vier einer Serie) wird jede Overtime wie bisher Fünf-gegen-Fünf gespielt.
Keine vier Minuten mehr für Boarding
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Vor Jahren führte die EBEL für sogenannte "aggressive Fouls" (z.B. Kniecheck, unerlaubter Körperangriff, Ellbogencheck oder Bandencheck) eine Mindeststrafe von vier Minuten ein. War und bleibt für mich unglaublicher Kokolores – wieso ist ein Bandencheck oder unkorrekter Körperangriff, der oft lediglich im Auge des Betrachters liegt, verwerfenswerter als ein Crosscheck, der wohl kaum per Zufall passiert? Bezeichnend auch, dass nur die EBEL und die CHL (aus dem gleichen Regel-Alchimistenkämmerchen stammend) so agieren, keine der großen Ligen konnte sich bis jetzt dafür erwärmen.
Auch die EBEL ruderte jetzt wieder teilweise zurück: Boarding wird wieder mit zwei statt vier Minuten bestraft. Der Grund dafür? Laut Lyle Seitz, dem "Director of Hockey Operations", eine Epidemie dieser Strafen vor allem in der CHL, darunter Strafen für – wie von mir schon öfters beanstandet – 08/15-Checks.
In diesem Zusammenhang keine neuen Regeln, aber klare Anweisungen: Die Schiris sind aufgefordert, sich nicht in Zwei- oder Vier-Minuten-Strafen zu flüchten und weitere Konsequenzen dem DOPS zu überlassen – herbe Vergehen sollen mehr als bisher mit großen Strafen geahndet werden.
Der tote Paragraf – "Late Hits"
Im Gegensatz zu IIHF-Partien und Spielen in anderen Ligen finden sich auf den EBEL-Spielberichten keine Strafen für "Late Hits" – genauer gesagt eine in der gesamten letzten Saison! Schiri-Boss Greg Kimmerly wies seine Schützlinge dazu an, späte Checks (nach Pässen oder Puckverlusten) als Behinderung zu werten.
Nicht nur, dass damit nur zwei statt vier Minuten fällig waren: Einige Refs bibberten wieder vor größeren Strafen und verwendeten "Interference" als Krücke bei krachenden Bandenchecks oder Chargings – und das sogar bei Checks gegen puckführende Spieler (Behinderung ist eigentlich Attacken an Spielern ohne Scheibe vorbehalten). Auch hier sollen die Refs endlich wieder Traute zeigen, zwar weiter auf "Late Hits" verzichten (warum nimmt man dies dann nicht ganz aus dem Casebook?), aber die Fouls dem richtigen Paragrafen zuordnen: Attacken gegen nicht puckführende Spieler als Interference (zwei oder fünf Minuten), zu harte Attacken gegen Spieler im Puckbesitz als Charging, Boarding oder Checks gegen den Kopf.
Goalies, die den Puck einfrieren
Die IIHF hob im letzten Sommer eine Regel hervor, die eigentlich immer schon existierte: Goalies dürfen die Scheibe nur unter Druck arretieren, müssen sie sonst weiterspielen. Doch sowohl international als auch in der EBEL herrschte zu Beginn Chaos: Einige Refs pfiffen übereifrig absurde Strafen gegen Goalies, die wirklich nicht an Spielverzögerung dachten. Andere wiederum schreckten vor allem gegen Ende der Spiele selbst bei klaren Fällen zurück. Die EBEL kam dann mit neuen Diagrammen daher, die jetzt wieder geändert wurden. Sich diese mehreren Seiten im Casebook durchzulesen, ist reine Zeitverschwendung – in der zweiten Saisonhälfte kamen diese Strafen weder bei IIHF-Spielen noch in der EBEL vor, die Goalies wussten auch so, worum es geht. Erwarte hier keine Neuerungen in der Praxis...
Und was ist mit der "großen Revolution"?
Die größte Revolution wurde zwar angedacht und auch niedergeschrieben, aber dann doch nicht umgesetzt: Die EBEL wollte – auch aufgrund einiger krasser Fehlentscheidungen in den NHL-Playoffs – eine "erweiterte Coaches' Challenge" einführen. Einmal pro Spiel sollten beide Coaches die Möglichkeit haben, Gegentore zu beanstanden, die nicht durch die neun Video-Review-Gründe im Casebook angeführt sind. Das wären etwa Handpässe oder Vorlagen mit dem hohen Stock, Scheiben, die (unerkannt) vom Schutznetz ins Spiel zurückkamen oder Tore nach vermutetem Abseits. Sollten sich diese Verdachtsmomente nicht bestätigen, würde das Team jeweils eine kleine Strafe bekommen (bei Overtime-Toren natürlich obsolet).
Spätestens der letzte Punkt führte zum Aufschub dieser Einführung – die EBEL-Technologie lässt nicht einmal annähernd daran denken, Abseits-Szenen aufzudröseln. Daran scheitert ja sogar trotz unzähliger Kameras oft die NHL. So kann die EBEL ähnliche Versuche in der NHL oder in Schweden (dort sollen sogar Strafen untersucht werden) jetzt einmal aus der Zuseherrolle betrachten, bevor sie überhastet eingeführt werden. Denn wie beim Fußball zu sehen, kein Nachteil ohne Vorteil: Elends lange Video-Reviews führen Torjubel oft genug ad absurdum und sorgen für sterile Momente. Und immer noch müssen Menschen das Videomaterial auswerten, was den Fehler oft nur von einem zum anderen drängt. Wie in den letzten EBEL-Playoffs bewiesen – ein absurder Gegentreffer wie der in der Serie zwischen Graz und dem KAC, als Andrew Kozek Goalie Robin Rahm einfach aus dem Spiel nahm, kam aufgrund des Versagens der beiden Refs vor dem Videoschirm zustande – das Bildmaterial war eindeutig...