Innsbruck und der KAC haben schon ein Häkchen hinter diese Aufgabe gemacht, die Caps dagegen beginnen erst damit:
Die Trainersuche.
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller erklärt in bewährter Weise, wie man den richtigen Chef-Strategen an der Bande findet:
>> Viertelfinale 7: RB Salzburg vs. KAC am Freitag, 19:15 Uhr im LIVE-Stream <<
Kaum drang Jim Bonis Abgang nach außen, schickten die Agenten schon ihre ersten Emails nach Wien, um ihre Klienten anzupreisen. Dazu kommen – im Gegensatz zu Spielern – auch viele Trainer, die selbst den Kontakt herstellen. Eine Woche dauert es gemeinhin, bis sich Krethi und Plethi beworben haben, eine Trainerstelle wie die der Caps zieht etwa 100 Bewerbungen nach sich.
Ich habe ja die Coach-Suche vor zwei Jahren in Wien noch mitgemacht und man glaubt nicht, was sich da alles bewirbt: Finnische U16-Trainer, Co-Trainer aus der zweiten slowakischen Liga, Teilzeit-Coaches, die sich mit Büchern über Führungsstile brüsten (!) oder Leute, die schon lange aus dem Geschäft sind. Klar, Leute wie Ex-NHL-Coach Marc Crawford, der Zürich im Sommer verlassen wird, sind da nicht dabei, sonst aber Trainer aller Herren Länder und Güteklassen.
Doch bevor man diese Listen durchforstet, muss man sich in jedem Verein fragen: Welche Kriterien stehen ganz oben auf der Liste oder sind umgekehrt Ausscheidungsgründe?
1. Muss er Deutsch können?
Das würde eine Liste schon sehr einschränken, kommen die meisten Bewerber doch aus Übersee oder zumindest Skandinavien. Tägliche Gespräche mit dem Führungsstab werden so leichter, perfektes Englisch spricht kaum jemand in den Vereinen. Weit wichtiger: Gibt es überhaupt Kabinen, wo überwiegend Deutsch gesprochen wird und bringt das außer einem gewissen Nationalbewusstsein irgendwelche Vorteile?
2. Soll er die Liga oder zumindest das europäische Eishockey kennen?
Auch das ist wieder eine elementare Frage: Wenn EBEL-Kenntnisse vorausgesetzt werden, schränkt das die Auswahl wieder sehr ein. Aber gerade in unserer Liga ist das oft Usus, Innsbruck und Villach etwa scheuen Liga-Newbies wie der Teufel das Weihwasser. Die Haie suchten daher auch das Gespräch mit Rob Pallin schon bald nach dessem Abgang in Fehervar.
Klar, Fragen wie „Liegt Wien in der Schweiz?“, wie sie mir einmal ein langjähriger AHL-Coach gestellt hat, legen schon ein gewisses Unbehagen nahe - wie lange wird ein solcher Mann zur Eingewöhnung brauchen? Dazu kommt noch die Punkteregel, deren Erklärung selbst bei intelligenten Coaches oft glasige Augen hinterlassen.
Andrerseits: Ein guter Trainer erkennt schnell, worum es in einer Liga geht, vor allem wenn er vom GM und seinem Assistant Coach dementsprechend gebrieft wird. Wenn er dann noch EBEL-Videos studiert, weiß er bald, welche Systeme gespielt werden, wie physisch die Liga ist und wie hierzulande gepfiffen wird. Den einheimischen Spielermarkt kennt er natürlich nicht, doch ist dieser ohnehin so überschaubar, dass hier viel mehr die Vereinsmanager als die Trainer gefragt sind.
Die Zeiten, wo kanadische Coaches die kanadische Schule 1:1 nach Europa bringen wollten, sind schon lange vorbei, dazu haben sich ja auch die Eishockeystile über die Jahre zu sehr angeglichen. Gewisse Philosophieunterschiede bestehen aber weiterhin und ein Risiko bringt natürlich jeder „Frischgfangte“ mit, allerdings wahrscheinlich weniger als erwartet…
3. Welche Persönlichkeit sucht man?
Für mich eigentlich die erste Frage. Erfolge auf dem Lebenslauf schauen gut aus, doch die sind natürlich nicht 1:1 zu übertragen. Das fanden gerade die Caps mit Tom Pokel heraus – er liefert unter den sehr schwierigen Bedingungen in Bozen Jahr für Jahr eine gute Arbeit ab, doch die stressige Atmosphäre in Wien spülte auch ihn bald über Bord.
Viel wichtiger als frühere Erfolge ist die Persönlichkeit des Coaches: Will man eher einen Mann vom Schlage eines Tommy Samuelsson, der Entscheidungen von oben als treuer Teamarbeiter abnickt? Das macht die tägliche Zusammenarbeit natürlich um einiges leichter. Coaches wie Tom Pokel oder Jim Boni (Eigenzitat: „Mein italienisches Blut!“) sind halt nicht so leicht zu handeln, was zu mehr Abrieb in und abseits der Öffentlichkeit führt.
Allerdings: Die Persönlichkeiten von Coaches sind leichter abzuschätzen als etwaige Erfolge in der Zukunft und diese ändern sich auch im Gegensatz zu weit jüngeren Spielern nicht mehr.
4. Will man nur einen Coach oder einen Coach/Manager?
Auch das eine elementare Frage: Auf dem österreichischen Markt muss man sich ohnehin nach der Decke strecken – und unter uns gesagt: Auch die meisten österreichischen Manager kennen die nachkommenden Talente kaum. Aber es geht vor allem um den Importmarkt: Will man einen Coach, der entsprechende Kontakte hat und seine Ideen einbringt oder einfach einen Trainer, der mit dem vorhandenen Spielermaterial auskommt.
Kurios dabei: Gerade das kanadische System basiert eigentlich auf dem Prinzip: „Der GM stellt das Team zusammen, der Coach trainiert es.“ Im Gegensatz zur DEL, wo fast jedes Team einen sportlichen Leiter beschäftigt, lassen die EBEL-Manager aus Mangel an Marktkenntnis aber gerne die Coaches über die Importplätze entscheiden. Die haben aber natürlich während der Saison keine Zeit, Spieler zu beobachten, verlassen sich dann auf mehr oder minder gute Quellen, was gut gehen kann oder nicht.
"Vorgesetzt wurden Jim Boni nur MacGregor Sharp und Klemen Pretnar, letzterer aufgrund des niedrigen Preises. Den Rest des Teams verpflichtete er im Rahmen des gegenüber der Vorsaison verringerten Budgets selbst bzw. musste mit bestehenden Verträgen leben."
In Wien liefen die Gerüchte über Jim Boni von einem Ende der Skala zum anderen: „Er musste ein von ihm nicht zusammengestelltes Team coachen“ bis zu „Er hat alle Spieler selbst verpflichtet.“ Die Wahrheit lag wie immer in der Mitte: Vorgesetzt wurden ihm nur MacGregor Sharp und Klemen Pretnar, letzterer aufgrund des niedrigen Preises. Den Rest des Teams verpflichtete er im Rahmen des gegenüber der Vorsaison verringerten Budgets selbst bzw. musste mit bestehenden Verträgen leben.
Boni ist auch der erste, der zugibt (und weiß), dass nicht alle Verpflichtungen einschlagen können. Nur: Dass etwa ein Topmann wie Brett McLean (schoss Linz ins Halbfinale) einen höheren Preistag hat und wert ist, wusste Boni natürlich aus seinen langen Zeiten als DEL-Sport-Manager, er kannte den Markt im Verein sicher am besten.
Es gilt für alle Teams: Entweder der Manager hat das letzte Wort bei der Teamzusammenstellung oder der Coach kann frei über ein gewisses Budget verfügen. Beide Herangehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile, bei einer Mischvariante wie in Wien trifft halt dann das alte Sprichwort zu: „Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist eine Waise.“
5. Schließt man gewisse Leute aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Karriereverlaufs aus?
Klar: Von 100 Kandidaten sind bei Nachsicht aller Taxen viele nicht ernstzunehmen. Doch obliegt man Vorurteilen wie bei Schweden („Zu nett“) oder Finnen („zu trocken“)? Beeinflusst die Herkunft des letzten Coaches die des nächsten? Wenn ein Finne scheitert, schließt das dann den nächsten als Trainer aus? Oder, wie vor zwei Jahren in Wien – sind Leute, die eine lange Karriere als Assistant Coaches hingelegt haben, ein Thema oder nicht?
Ein Mann wie Mike Kelly präsentiere sich bei seinem Interview vor zwei Jahren durchaus gut, sein – angeblicher – Mangel an Head-Coaching-Erfahrung wurde ihm aber negativ ausgelegt.
Kelly stieg dann wieder als Assistent bei den Florida Panthers ein, diese befinden sich seit der letzten Saison gehörig im Aufwind. An der Seite seines langjährigen Freundes Gerald Gallant ist er natürlich weit mehr als nur ein „Gofer“, sprich ein Ausführender für niedrige Aufgaben, zu denen Assistenten in Österreich gerne gemacht werden.
6. Gibt es langjährige Favoriten?
Steht man mit einigen Coaches schon länger in Verbindung, entweder weil man sie von früher kennt oder man sich im Laufe von Spielerrecherchen kennengelernt hat? Das kann die Sache natürlich leichter machen, nur: Freunde ergeben oft die schlechtesten Trainer, dazu kommt auch noch die Frage der Rahmenbedingungen. In Wien etwa winkte Geoff Ward vor zwei Jahren aufgrund des eventuellen Salärs (das keineswegs schlecht ist) nur lächelnd ab, machte dann die natürlich potenteren Mannheimer zum DEL-Meister.
Wie klein die Coaching-Welt ist, zeigt dann der Name seines (inzwischen schon geschassten) Nachfolgers in Mannheim: Greg Ireland stand knapp vor einer Vertragsunterzeichnung in Wien, man konnte sich aber über das verlangte (zweite) Vertragsjahr nicht einigen.
Umgekehrt wäre ein Mann wie Kurt Kleinendorst – derzeit in Ingolstadt – sicher sehr gerne gekommen, stand damals aber noch unter Vertrag in Iowa. Sein Tipp bezüglich Kris Foucault beweis aber seine hohe Kompetenz in Sachen Spielerbewertung, nicht umsonst agierte er auch einige Zeit als NHL-Pro-Scout…
7. „Können Sie junge Spieler einbauen?“
Ist natürlich bei einem Interview eine „No-na-Frage“ – doch schon die Basis zur Beantwortung jeweils eine ganze andere: Für NHL-Coaches sind junge Spieler etwa 23, für AHL-Coaches 21. 18-jährige Österreicher sind dann eine Spezies, die sie gar nicht kennen, Ähnliches gilt aber auch für nordamerikanische oder skandinavische Jugendcoaches: Sie kennen zwar diese Altersstufen, aber natürlich auf einem weit höheren spielerischen und körperlichen Niveau.
Kein Trainer wird sicher verbal den Jugendeinbau verweigern, aber nur gründliche Recherche kann ergeben, ob in diesem Punkt wirklich Hoffnung besteht. Und, um natürlich fair zu bleiben: Nimmt man auch einen niedrigeren Tabellenplatz in Kauf, hat dafür einige Eigenbauspieler mit entsprechender Eiszeit im Kader?
Gerade diese Frage wird in Wien zur entscheidenden der nächsten Jahre, das sich abzeichnende Budget der nächsten Saison lässt sich ohnehin nicht mit steten Spitzenplätzen in Einklang bringen. In den Playoffs wiederum ist dann ohnehin wieder alles möglich…
8. Kommen Österreicher für diese Postionen in Frage?
Mittelfristig sehe ich nur drei Österreicher als EBEL-Headcoach-Kandidaten:
Dieter Kalt, der die Klagenfurter Grabenkämpfe jetzt einmal von der (Jugend-)Seite aus aussitzt.
Markus Peintner, dessen Bartfarbe sich schön langsam Headcoach-Ansprüchen annähert. Durchaus vorstellbar, dass er ab dem Sommer diese Position übernimmt, Greg Holst könnte dann weiter als Jugendcoach und Gottvater im Klub bleiben
Phil Horsky – bekommt er ein Angebot aus Wien? Falls ja, nimmt er es an? Er hat sich mit enormem Einsatz gerade eine Karriere in Schweden aufgebaut, der U20-Headcoach-Posten bei einem SHL-Team wie Örebro hat einen ganz anderen Stellenwert als ein ähnlicher in Mitteleuropa. Würde er diese Tür bereits nach einem Jahr – und damit vielleicht für immer – zuschlagen?
Interessant in diesem Zusammenhang: Die EBEL will mit dem „Österreicher-Topf“ in Zukunft auch die Förderung von einheimischen Coaches (und sportlichen Leitern) belohnen. Dieser finanzielle Anreiz – spätestens übernächste Saison umgesetzt – könnte hier sicher für ein gewisses Umdenken bei den Vereinen sorgen.
Bernd Freimüller
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