Wir steuern auf Mitte Juli zu, knapp ein Monat vor Trainingsstart der meisten EBEL-Teams. Die Kader stehen weitestgehend, hier und da ist noch ein Platz offen.
Eishockey ist zwar kein ganzjährig betriebener Sport, aber für die Verantwortlichen hinter den Kulissen tut sich trotzdem fast kein Sommerloch auf. Der Transfermarkt ist in ständiger Bewegung, viele Teams spekulieren sogar mit möglichen Ersparnissen, wartet man nur zu, wie sich das "große Ganze" entwickelt.
LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick darauf, warum gerade die letzten Tage neue Impulse am Legionärsmarkt brachten.
Nicht nur die großen Namen entscheiden
John Tavares war der bedeutendste Name zu Beginn der NHL-Free-Agency, aus Sicht der EBEL bzw. DEL hatten natürlich auch die Entscheidungen von Thomas Vanek, Michael Grabner, Tom Kühnhackl oder Tobias Rieder Bedeutung.
Doch für die Teams der beiden Ligen waren andere, kleinere Namen viel wichtiger: Spieler wie Adam Cracknell, Mike McKenna, Mark NcNeill oder sogar eine AHL-Randerscheinung wie Jeremy Gregoire unterschrieben neue Verträge in Übersee, die mehr oder minder große Auswirkungen auf den europäischen Transfermarkt hatten. Wie das?
Im Juni ging sowohl bei Agenten als auch bei den Sportmanagern das große Stöhnen um: Der Markt war irgendwie eingefroren, trotz langsam fallender Preise tat sich kaum etwas. Der Grund dafür: Die Legionäre, die bereits in Europa waren oder fix rüberkommen sollten, sind schon lange begutachtet worden. Viele Sportmanager betätigten sich als "Tire Kicker" (unentschlossene Käufer), die den Spieler zwar von oben bis unten begutachtet hatten und auch einen Richtpreis in Händen hielten, sich aber zu keinem Angebot durchringen konnten. Viele von ihnen fragten sich nämlich: Kommen im Juli neue Cracks auf den Markt oder werden sich dann zumindest einige, die noch zwischen Übersee und Europa unentschlossen waren, endlich entscheiden?
Natürlich warteten nicht alle Teams so lange: In der EBEL etwa waren Linz und die Caps bis auf jeweils einen Platz fast voll, gerade die Black Wings sind schon seit Jahren ein Team, das seinen Kader sehr früh zusammenstellt. In Deutschland dagegen befasst sich vor allem Schwenningen kaum mit dem Übersee-Markt, die Free Agency hatte daher für sie kaum Bedeutung.
Lieber in Utica sitzen als in Salzburg spielen
Es ist aber ein Irrglaube, dass mit 2. Juli auf einmal Dutzende von e-Mails mit Spielernamen heranflattern. Der Übergang ist natürlich fließend: Einige Spieler unterschreiben wieder Zwei-Weg-Verträge bei ihren alten Teams, andere wiederum haben neuen Teams schon vorher zugesagt. Ein Spieler wie Ben Street – ein ausgezeichneter Minor-League-Center, aber mit kaum noch NHL-Upside – schaffte es sogar, seinen Ein-Weg-Vertrag durch den Move von Detroit nach Anaheim auf 750.000 US-Dollar hochzuschrauben. Wäre ihm das nicht bei den Ducks gelungen, dann halt woanders. Und wenn nicht? Dann wären wohl Schweden, die KHL oder die Schweiz die nächsten Destinationen gewesen.
Cracks wie Street, Routinier Matt Ford oder selbst ein 'nur' solider Defensiv-Verteidiger wie Cameron Schilling (nur drei von vielen Beispielen) haben aber einen sogenannten "Trickle-Down-Effekt": Sie nehmen in den AHL-Teams die Veteranenpositionen ein, von denen jedes Teams nur über sechs verfügt. Das kostet einigen anderen Cracks Jobs, die dann über gar keine oder nur weniger gut dotierte Angebote verfügen. Wie sich der Markt für ihre Klienten darstellt, wissen die meisten Agenten schon im Juni, doch einige Spieler klammern sich halt lange an ihren NHL-Traum.
Sehr selten treiben Angebote aus Europa den Übersee-Markt an. Dem Vernehmen nach machte Red Bull Salzburg heuer Goalie Richard Bachman ein gut dotiertes Angebot. Der zeigte durchaus Interesse, schließlich saß er seinen (zwar gut dotierten) Vertrag mit Vancouver bei deren Farmteam in Utica ab – vielleicht der trostlosesten und auch gefährlichsten AHL-Stadt.
Doch als er bzw. sein US-Agent das Angebot von Salzburg-General-Manager Stefan Wagner in Händen hatte, zeigte er dieses den bis dahin nicht reagierenden Canucks. Die konterten erst mit einem nicht gerade aufregenden Einjahres-Vertrag - als Bachman den ablehnte, wurde GM Jim Benning sogar persönlich vorstellig. Bachman akzeptierte dann ein reduziertes AHL-Gehalt (von 450.000 auf 300.000 Dollar), doch das dafür für zwei Jahre, die er halt wieder in Utica absetzen wird.
Wie weit treibt man das Geduldsspiel?
Der Goalie-Markt war heuer überhaupt ein interessanter: Wenige Teams waren auf der Suche, allerdings waren auch wenige Qualitäts-Torhüter am Markt. Straubing-Sportmanager Jason Dunham zeigte hier viel Geduld und setzte auf das Juli-Fenster: "Ich kann ohnehin mit den großen Teams nicht mithalten und muss oft abwarten, bis die so gut wie fertig sind. Gut für uns, dass wir das einzige DEL-Team auf Torhütersuche waren."
Natürlich befasste sich Dunham mit einigen Goalies, die auch bis in den Juli frei waren, etwas Glück und gute Beziehungen halfen ihm dann. Auf einen Hinweis eines alten Freundes, dass Jeff Zatkoff gerne nach Europa kommen würde, reagierte Dunham umgehend, eine Recherche war nicht mehr notwendig: "Ich habe ihn in der AHL über die Jahre oft gesehen und er hat mir immer gefallen." Ein Telefonat mit Zatkoff und das Vertragsoffert war draußen, die Unterschrift folgte innerhalb von Minuten – ein Unikum in der Eishockey-Szene. Im Mai oder Juni wäre der Minor-League-Routinier mit NHL-Erfahrung nicht zu haben und bei einem Jahresgehalt von 900.000 Dollar (auch in der AHL) ohnehin unrealistisch gewesen. Jetzt konnte ihn Dunham holen, ohne dass der Name am offiziellen Markt aufgeschienen wäre.
Dunham, der noch weitere Positionen offen hat, zur Bedeutung des Juli-Fensters: "Der Markt wird hier nochmals durchgeschüttelt, einige Spieler werden nervös, andere senken ihre Forderungen gehörig. Für einen Verein wie Straubing ist das eine sehr wichtige Phase."
Nicht ganz so enthusiastisch sieht Dunhams Amtskollege Larry Mitchell (Ingolstadt) die jetzige Phase: "Klar tut sich in den ein bis zwei Wochen nach dem 1. Juli einiges. Spieler, die Europa vorher noch kategorisch abgelehnt haben, lassen jetzt doch Gesprächsbereitschaft erkennen. Aber so wenige wie heuer waren es noch nie." Zwar hat er noch drei Plätze offen, aber er legte es nicht darauf an: "In einer idealen Welt lässt man sich vielleicht einen Spot noch frei, um so auf den Markt noch reagieren zu können."
Die AHL wird attraktiver
Die Gründe, warum immer weniger Qualitäts-AHLer auf den Markt kommen, liegen auf der Hand: Die AHL-Gehälter sind in den letzten Jahren krass angestiegen. Seitdem durch den aktuellen Kollektivvertrag CBA die inoffizielle Obergrenze von 105.000 Dollar verschwunden ist, gilt "erlaubt ist, was gefällt". Früher war Spielern, die diese Grenze überschritten, die Rückkehr in die NHL erschwert, das ist heute nicht mehr der Fall. Sechsstellige AHL-Gehälter in NHL-Verträgen sind heute die Regel, nicht die Ausnahme.
Der eingangs angesprochene Milwaukee-Stürmer Mark McNeill hatte auch ein Angebot von einem DEL-Team, dessen Reports aber wie die meinen von einer große Leistungsvarianz (von sehr auffällig bis unscheinbar) berichteten. Den Boston Bruins war der Minor-League-Teil seines Vertrags aber trotzdem 250.000 Dollar wert.
Zum vermehrten Verdienst kommt noch: Für Städte wie Worcester, Manchester oder Peoria kamen etwa San Diego, Ontario oder San Jose aus dem sonnigen Kalifornien in die Liga. Statt eines persönlichen Upgrades mit einem Move nach Europa könnte die Familie die immer scheinende Sonne doch vermissen.
Was machen die EBEL-Teams?
Für die EBEL sind weiter vor allem AHL/ECHL-Borderliner von Bedeutung und gerade solche Namen kamen in den letzten Tagen vermehrt auf den Markt. Bozen wird sich hier sicher bedienen, aber werden auch Dornbirn, Zagreb oder die bisher in ihrer Legionärsauswahl nur in Österreich oder Deutschland fischenden Villacher ihre letzten Spots aus diesem Pool besetzen? Alle drei Vereine bedienen sich in ähnlichen Gefilden, ein Ex-DEL-Center könnte daher bei jedem dieser Teams unterkommen.
Die Preise am Markt befinden sich derzeit natürlich im Absinken, doch zum Recherchieren bestehen oft wenig Zeit: Einige Teams wollen ihre Vakanzen jetzt doch schnell besetzen und reagieren daher umgehend. Die großen Namen – sprich Cracks mit NHL-Erfahrung oder zumindest sehr gute AHLer – bleiben weiter Schweden, der KHL oder der Schweiz vorbehalten, Davos etwa hat noch drei Ausländerplätze offen. Kandidaten dafür sind aber Cracks, die in der DEL oder EBEL gar nicht angeboten werden.
Egal, ob Teams im Sommer früh reagierten oder den Juli absichtlich oder gezwungen abwarteten: Die Diskussionen während der Saison werden sich weiter um die Güteklasse der neuen Cracks drehen und sicher nicht darum, wann sie unter Vertrag genommen wurden...