Die ersten zwei Wochenenden der EBEL 2018/19 sind gespielt.
In den Top-6 gibt es zumindest drei Überraschungen - natürlich sind die Gegebenheiten nach vier Spielen noch nicht für einen Langzeit-Trend geeignet. Ein Faktor ist aber auffällig: Welche wichtigen Rollen die jeweiligen Schlussmänner, die fast durchgehend zu den stärkeren Vertretern ihrer Zunft gehören, für den starken Saisonstart ihrer Mannschaften gespielt haben.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick auf die aktuellen Top-6 und wie sich ihre Goalies präsentiert haben.
Dornbirner EC (1., 11 Punkte)
8:1 in Zagreb, 4:0 in Villach – Ergebnisse wie ein Donnerhall und das trotz Drei-Linien-Hockeys. Wie ich schon vor Saisonbeginn angemerkt habe – zum ersten Mal seit dem Liga-Einstieg mussten die Bulldogs und der in dieser Sache leidgeprüfte Coach Dave MacQueen nicht mit Bauchweh bezüglich des Goalies in die Saison gehen. Rasmus Rinne, schon in der letzten Saison Retter der Kompanie, hat über den Sommer körperlich sogar zugelegt. MacQueen: "Ich habe Bedenken gehabt, dass das seine Beweglichkeit beeinträchtigen könnte, aber ganz im Gegenteil." Rinne, mit seinen 1,95 Metern von der Natur ohnehin bevorzugt, ist in jedem Spiel ein Rückhalt. Ich sehe ihn erst in knapp zwei Wochen wieder live, habe ihn nicht unbedingt als Textbook-Goalie in Erinnerung. Aber er deckt halt mit seinen langen Armen und Beinen viel vom Tor ab und ist vielleicht der größte Battler unter den EBEL-Goalies, wenn es um Rebounds und Goalmouth-Scrambles geht.
Ich traue Rinne auch zu, seine Form über die ganze Saison zu halten. Allerdings: Backup Thomas Stroj dürfte die Zeichen der Zeit erkannt haben. Nach einem guten Sommer bekommt er im Gegensatz zur Vorsaison auch Einsätze beim Farmteam Bregenzerwald und sollte auch für das eine oder andere EBEL-Spiel gut sein.
Vienna Capitals (2., 11 Punkte)
Nichts Neues bei den Caps, wenn es um die Goalieposition geht: J.P. Lamoureux funktioniert weiter wie eine Maschine, ruft konstant seine Leistungen ab. Für mich ist er weiterhin der stilistisch beste Torhüter der Liga. Seine Lateralbewegung ist 1A, er kommt fast immer in einem Stück an und saugt die Schüsse meist auf. Er liest die Schützen ausgezeichnet, ist fast immer "square to the puck", was den Defender Blicke über ihre Schultern erspart.
Was mich aber verwundert: Letzte Saison diskutierten – vom TV-Pundit bis zur Obstverkäuferin – jeder über die nicht existenten Caps-Backups und die Gefahr einer Verletzung oder Überspieltheit von Lamoureux zum Ende der Saison. Das war dann auch nicht ganz von der Hand zu weisen, wie im Jahr zuvor gegen den KAC gelang dem US-Amerikaner auch die Playoff-Serie gegen Bozen nicht nach Wunsch.
Die Situation hat sich auch heuer nicht geändert, trotzdem bleiben die Diskussionen aus. Lamoureux beginnt auch unter Neo-Coach Dave Cameron jede Partie, auf der Bank wechseln sich die beiden 1999er Matthias Tschrepitsch und Max Zimmermann ab. Das wird auch im September und Oktober kein Problem sein, aber mit verstärktem Programm sollte auch der bewährte Vielspieler Lamoureux ab und zu eine Pause bekommen, die Top-6 werden ja nie in Gefahr sein.
Die Option der Vorsaison (David Kickert wurde als Playoff-Backup zurückgeholt) besteht heuer nicht: Die EBEL-Trading-Deadline liegt schon vor der Pick Round, die Kadaver der Nicht-Playoff-Teams können daher nicht mehr ausgeschlachtet werden. Auf Lamoureux würden dann mindestens zehn Regular Season Games und bis zu 21 Playoff-Spiele (im Optimalfall) am Stück zukommen.
Graz99ers (3., 8 Punkte)
Die Grazer stiegen gut in die Saison ein, aber vor allem aufgrund ihrer Offensive: 19 erzielten Treffern stehen schon 15 Gegentreffer gegenüber. Die Goalie-Position ist ein Fragezeichen: Der geplante Starter Robin Rahm fiel schon vor Saisonbeginn aus, der angegebene Fingerbruch stimmt zwar, ist aber die geringere von zwei Verletzungen. Ersatz Thomas Höneckl ist eben Thomas Höneckl – ein Backup, aber sicher kein Starter für einen längeren Zeitraum. Rahms Landsmann Linus Lundin hilft jetzt für einen Monat aus, musste bei seinem Debüt gegen Znojmo aber gleich sechs Gegentreffer hinnehmen.
Die Offensive von Graz (vor allem die Toplinie Loney-Yellow Horn-Hamilton) präsentiert sich wie in der Pre-Season stark, die Defensive und die ungeklärte Goalie-Position werfen aber schon Fragen für die spiel-intensiveren Monate auf...
HC Bozen (4., 8 Punkte)
Goalie Leland Irving und die überragende Sturmlinie Catenacci-Findlay-Blunden waren die Hauptgründe für die Champions-Hockey-League-Triumphe und die Siege in den ersten drei Saisonspielen. Wenn beide etwa auslassen, sieht es schon anders aus wie beim 2:4 gegen den KAC.
Doch Irving war für mich bisher der beste EBEL-Goalie. Er wirkt um einiges größer, als er wirklich ist (1,83 Meter), agiert immens kompakt. Seine größten Trumpfkarten: Er kommt bei Seitwärtsbewegungen meistens in einem Stück an, öffnet seinen Körper kaum. Gegenüber freien Schützen bietet er oft sein Five-Hole an, schließt dieses dann aber im letzten Moment. Einige seine Paraden bei flachen Schüssen wirken etwas "scrambly", er nimmt aber den unteren Teil des Tores sehr gut weg. Mit der Fanghand könnte er überhaupt der beste Goalie der Liga sein, seine Stockarbeit – auch wenn er dem KAC ein Tor direkt servierte – ist ebenfalls sehr gut. Für ihn gilt das gleiche wie für sein Team: Sie schenken dir nichts, du musst dir die Tore hart erarbeiten.
Einige Teams suchten im Sommer Goalies, winkten bei Irving aber ab: "Hat letzte Saison nur sechs Spiele gespielt". Das war dadurch bedingt, dass San Diego mit Reto Berra und Kevin Boyle zwei Anaheim-Vertragsspieler vor ihm gereiht hatte. Doch ich erinnere mich noch an seine Tage bei Jokerit Helsinki, als ich meinen Report über ihn mit den folgenden Worten abschloss: "Sofort holen, wenn er eines Tages verfügbar ist." Ein DEL-Manager, der ihn dann bei seinem zweiten Liiga-Gastspiel bei KooKoo sah, sagte mir auch: "Wenn ich einen Goalie bräuchte, wäre er mein Mann."
Irving könnte wieder einer der vielen Bozner Cracks sein, die nach einer sehr guten Saison weiterziehen. Natürlich muss er über die Saison noch seine Konstanz beweisen, Backup Jeremy Smith wird wohl kaum auf eine zweistellige Anzahl an Spielen kommen...
Fehervar AV19 (5., 7 Punkte)
Innsbruck-Coach Rob Pallin war nach der 4:5-Overtime-Niederlage in Szekesfehervar klar in seiner Meinung: "Mac Carruth ist der beste Goalie der Liga." Dabei hatte gerade dieser gegen die Tiroler nicht seinen besten Tag, im Vergleich zu Matt Climie, der wohl in Innsbruck kein langes Leben haben wird, ist er aber natürlich auch an schwächeren Tagen ein Klassemann.
Ich habe Carruth heuer live in Wien gesehen – auch das war kein herausragendes Spiel für ihn. Ich kenne Carruth aus ECHL-Zeiten (ein Viewing = ein sehr positiver Report), war daher auch nicht überrascht, dass er Fehervar gleich vom ersten Spiel an auf eine höhere Stufe hob und im Sommer auch mit einem sehr gut dotierten Vertrag gehalten wurde.
Carruth bringt gute Größe (1,88 Meter) mit, vereinigt diese mit guter Technik und einem feurigen Temperament. Bei Plays hinter und nahe der verlängerten Torlinie vertraut er sehr auf das heute sehr populäre "Reverse VH", verhindert so mit seinem Körper und Stock Plays um den Crease herum, deckt aber durch seine Größe auch die hohe Ecke gut ab. Grundsätzlich ist bei ihm an guten Tagen wenig "wasted motion" im Spiel, er verfolgt den Puck sehr gut und sieht gut durch Verkehr hindurch. Ab und zu kommt er mir etwas verletzlich bei Weitschüssen vor und auch sein Stickhandling ist nicht ganz top – es verwunderte mich beim Spiel in Wien daher auch nicht, als er einen Puck nicht im Spiel hielt und er zwei Minuten kassierte.
Im Gegensatz zu Teams wie den Caps und den KAC steht Carruth hinter einer porösen Defensive - schlechte Tage bedeuten daher meist eine Niederlage. Da mit Backup Daniel Kornakker lediglich ein Mann parat steht, der schon im Farmteam nicht gerade gut auftrat, muss Carruth wohl jedes Spiel absolvieren, was vor allem in der dicht gedrängten Weihnachtszeit schwer werden wird. Doch Fehervar kommt nur so weit, so weit Carruth sie tragen kann.
Fad wird einem mit ihm jedenfalls nicht: Die eine oder andere Trainingsschlägerei muss man beim ehrgeizigen US-Amerikaner jedenfalls immer einberechnen...
KAC (6., 7 Punke aus 3 Spielen)
Drei Auswärtsspiele (Salzburg, Fehervar, Bozen), sieben Punkte – KAC-Herz, was willst du mehr. Der gelungene Saisonstart sollte zur internen Ruhe beitragen, die Linie mit den beiden Geiers und Center Siim Liivik (erzielte in Szekesfehervar ein Tor im Stile eines Goalgetters) überzeugte bis jetzt an beiden Enden des Eises.
Goalie Lars Haugen kam sowohl in Ungarn als auch in Bozen von schnellen (und nicht immer hasenreinen) zwei Gegentoren gut zurück, schloss von da an die Türen hinter sich und ließ keine weiteren Gegentreffer zu. Vor allem in der Schlussphase in Bozen, als die Klagenfurter ein 3-gegen-5 überstehen mussten, war er hellwach. Ein Pokecheck, mit dem er nach einem Save den springenden Puck aus dem Slot bugsierte, war überhaupt großes Kino. Haugen ist von den EBEL-Goalies vielleicht derjenige, der mit seinem Stock am aktivsten agiert. Das hilft natürlich den Defendern, kann ihn aber auch aus seiner Grundposition – die kompakt wirkt – bringen und seine Winkel suboptimal erscheinen lassen. Seine Rebound-Kontrolle ist grundsätzlich sehr gut, sein Stickhandling ebenfalls, so er es nicht übertreibt.
Der KAC tritt wie erwartet defensiv kompakt auf, Haugen hat sich in der EBEL gut eingewöhnt. Die 50-50-Goalie-Lösung ist beendet, doch mit David Madlener hat der KAC im Gegensatz zu Wien oder Fehervar jedenfalls einen brauchbaren Backup, der sicher auch auf seine Spiele kommen wird.
Gehört Haugen für mich zur Ligaspitze unter den Goalies? Derzeit wären diese Ränge für mich Lamoureux, Irving und Carruth sowie eventuell Rinne vorbehalten, doch die Saison dauert noch lange.
Von sechs EBEL-Teams auf den Direkt-Playoff-Plätzen verfügen also fünf über bisher (sehr) gute Goalies – zumindest in dieser Beziehung hat die Tabelle auch jetzt schon Aussagekraft...