Es sollte nicht sein – zumindest im ersten Anlauf.
Thomas Raffl ist nach seiner Saison in Übersee zurück bei seinem Ex-Klub Red Bull Salzburg.
Vor fast genau einem Jahr ging die Tür zur NHL für den Villacher einen Spalt weit auf. Die Winnipeg Jets boten ihm die Chance, sich zu beweisen – und seinem jüngeren Bruder Michael womöglich in die beste Eishockey-Liga der Welt nachzufolgen.
Schließlich sollte er "nur" ins Trikot des AHL-Farmteams, der Manitoba Moose, schlüpfen.
Und statt sich richtig beweisen zu können, verhinderten Verletzungen die Empfehlung für größere Aufgaben. Letzten Endes standen fünf Tore und fünf Assists in 31 Auftritten für das Zweit-Team der NHL-Kanadier zu Buche.
2016/17 folgt nun die Rückkehr zum EBEL-Champion, dem auch in Abwesenheit Raffls die Titelverteidigung gelang.
Mit LAOLA1 spricht der mittlerweile 30-Jährige über die Erfahrung in Winnipeg.
LAOLA1: Wie würdest du Bilanz über das Jahr ziehen, das du in Kanada verbracht hast?
Thomas Raffl: Es war ein Jahr mit vielen Höhen und Tiefen. Begonnen hat es gut, mit dem Vertrag. Dann haben sich leider schnell Verletzungen eingeschlichen. Schon im ersten Spiel habe ich mir eine solche zugezogen, die mich über acht Wochen gekostet hat. Das wirft einen natürlich ein wenig aus der Bahn. Grundsätzlich wäre das noch zu kompensieren gewesen, aber die nächste Verletzung folgte gleich darauf. Im Spitzensport muss man über solchen Dingen stehen. Ich bin jetzt einfach froh, dass ich körperlich hundertprozentig fit in die Saison starten kann.
LAOLA1: Wie war es anfangs für dich, in dieses andere Wasser geworfen zu werden?
Raffl: Besonders die ersten Wochen waren sehr schön und werden mir immer in Erinnerung bleiben, obwohl es ein harter Kampf war. In der Situation spielt es nicht so eine Rolle, ob man Europäer oder Amerikaner ist. Jeder ist im gleichen Topf, jeder möchte den Spot, es ist ein enormer Kampf über mehrere Wochen. Wenn man es schafft, ist es umso schöner.
LAOLA1: Verglichen mit den europäischen Ligen: Wie groß ist in deinen Augen die Lücke zur American Hockey League?
Raffl: Die ist für mich gar nicht da gewesen. Vom spielerischen Potenzial ist kaum ein Unterschied. Den macht die Masse an guten Spielern aus. Es herrscht eine ganz andere Rivalität, jeder ist dicht dran, es in die NHL zu schaffen. Die Jungs sind bereit, jeden Tag alles für diese Möglichkeit zu geben. Natürlich spürt man das, wenn man in die Kabine kommt. Es gibt kein Mannschaftsgefüge. Man steht alleine da. In Amerika geht es um das "Rollen-Spiel": Man bekommt eine Rolle zugewiesen, die man hundertprozentig umsetzen soll, und muss besser als jeder andere in dieser Rolle sein.
LAOLA1: Wenn man ein wenig Resümee zieht: Was hätte, abgesehen von den Verletzungen, für den Durchbruch gefehlt?
Raffl: Wenn die Verletzungen nicht passiert wären, hätte ich es sicher geschafft. Natürlich braucht man eine Menge Glück, um sich dann zu halten. Aber die Chance hätte ich mir verdient. Ich werde dem nicht nachweinen, bin jetzt 30 Jahre alt, wer weiß – vielleicht kommt die Möglichkeit noch einmal zurück.
LAOLA1: Etwas positiver gefragt: Was kannst du von diesem Jahr mitnehmen?
Raffl: Sehr viel. Ich habe eine ganz andere Perspektive, wie es auch in der Eishockey-Welt zugeht, mitbekommen. Man sieht das ganze Volumen an Spielern, die diesen Schritt machen wollen – und merkt, wie wenige es letzten Endes schaffen.
LAOLA1: Denkst du, dass dein Nachname beim Engagement vielleicht mitgespielt hat?
Raffl: Ich glaube, in Nordamerika ist das mit den Namen nicht so. Ich war, genau wie mein Bruder, auf mich allein gestellt und musste meine Leistung bringen, da hat mir der Name nicht sehr geholfen.
LAOLA1: Hast du dich mit den Kollegen in der NHL, die du aus dem Nationalteam kennst, irgendwie ausgetauscht?
Raffl: Es werden immer Informationen ausgetauscht. Sie erzählen Geschichten, klären auf, wie es dort abläuft. Ganz unvorbereitet war ich nicht. Man wird immer in neue Situationen kommen, da kann man sich nicht auf alles einstellen und muss mental einfach stark sein.
LAOLA1: Hast du den Weg Salzburgs im letzten Jahr verfolgt? Was ist dein Eindruck von der Mannschaft?
Raffl: Ich habe nicht übermäßig viel mitbekommen, nur vereinzelte Spiele gesehen. Salzburg hatte eine sehr gute Mannschaft, daran hat sich nicht viel geändert. Sie sind im Endeffekt hochverdient Meister geworden. Auch dieses Jahr ist das Team trotz der hochkarätigen Abgänge wieder top. Dominique Heinrich war in den letzten Jahren einer der besten Verteidiger der EBEL, Konstantin Komarek ist ein Top-Talent und hat sich den Vertrag in Schweden verdient. Es ist ein Kommen und Gehen, jedes Jahr. Die Lücken sind durch gute Imports aufgefüllt worden, an der Favoritenrolle hat sich nichts geändert.
LAOLA1: Die größte Änderung ist wohl der Abgang von Dan Ratushny. Was macht Greg Poss bislang merkbar anders?
Raffl: Man muss bei ihm den eigenen Stellenwert in der Mannschaft zeigen. Ein Trainer muss in Salzburg nicht so viel ändern, die Mannschaft ist zweimal in Folge Meister geworden. Aber Greg Poss hat seinen Stempel trotzdem aufgedrückt und das neue System wird gut umgesetzt.
LAOLA1: Was sind die Feinheiten, die man letzten Endes auch am Eis sehen wird?
Raffl: Das ist schwer zu beschreiben. In bestimmten Situationen wird ein Spieler immer persönliche Entscheidungen treffen. Aber der größte Unterschied ist wohl in der eigenen Zone zu erwarten. Es wird etwas aggressiver in der Defensive gespielt und noch schneller in die Offensive umgeschaltet. Man wird erst sehen, wie gut sich das in der Liga umsetzen lässt.
LAOLA1: Denkst du, dass du mit den neuen Erfahrungen eine noch wichtigere Rolle als vorher übernehmen kannst?
Raffl: Die Rolle macht man sich immer selbst. Man muss jeden Tag seine Leistung auf das Eis bringen und andere Spieler mitziehen. In Salzburg haben wir so viele Routiniers, dass das weniger ein Problem sein sollte.
LAOLA1: Die ersten Pflichtspiele liegen schon hinter euch. In der Champions Hockey League habt ihr den Aufstieg geschafft. Wie schätzt du den sportlichen Wert der CHL ein, da sie vor der Liga startet?
Raffl: Für uns Spieler ist es interessant. Vorbereitungsspiele sind eine zwiespältige Sache: Man spielt natürlich gern, weiß aber, dass man Fehler machen darf. Aber in der CHL muss jeder Spieler mental bereit sind, das hilft uns für die Vorbereitung natürlich entsprechend mehr. Jeder Sieg in dieser Liga ist hoch zu bewerten.
Das Interview führte Johannes Bauer