Die meisten Siege, die meisten Punkte, die wenigsten Gegentore. Dazu keine einzige Playoff-Niederlage – die vergangene EBEL-Saison geht in die Klubgeschichte der Vienna Capitals ein.
Der österreichische Meister steht vor der schwierigen Aufgabe, an dieses historische Kunststück anschließen zu müssen. Die Vorzeichen sind günstig: Drei Abgängen stehen zwei Neuzugänge gegenüber, die Truppe ist so gut wie unverändert geblieben. Eine Situation, aus der Erwartungshaltungen und Druck entstehen.
EBEL-MVP Riley Holzapfel ist trotz lukrativer Angebote ebenso an Bord geblieben wie Meistermacher Serge Aubin an der Bande.
Der Kanadier war einer der Hauptfaktoren für die Leistungsexplosion der Caps und die Überraschung des Vorjahres, zu dessen Beginn er nach Wien übersiedelte.
Vor dem Saisonstart, der für die Capitals wieder eine Teilnahme in der Champions Hockey League bereithält, steht Serge Aubin bei LAOLA1 Rede und Antwort.
Der Coach spricht über die Integration der neuen Spieler, den ungewöhnlichen Weg auf der Torhüter-Position und die Ambitionen in der CHL.
LAOLA1: Letztes Jahr war ein Rekordjahr für die Vienna Capitals. Ist es schwer, ein Team zu motivieren, das zuvor so viel erreicht hat?
Serge Aubin: Dieses Jahr wird schwer. Es ist immer schwer, aber diesmal können wir niemanden mehr überraschen. Die Gegner sind bereit für uns – aber wir werden auch bereit sein. Wir wissen, was uns letztes Jahr erfolgreich gemacht hat. Es war harte Arbeit. Ich habe den Jungs gesagt: Wir sind sehr stolz auf letztes Jahr, aber es ist vorbei. Wir sind nicht satt. Letztes Jahr ist Teil der Vergangenheit, wir müssen in die Zukunft investieren. Alle sind in phänomenaler Form zurückgekommen, das zeigt mir, dass auch sie nicht satt sind.
LAOLA1: Gibt es große Änderungen bei den Spielanlagen, um wenigstens für ein bisschen Überraschung zu sorgen?
Aubin: Nein, ich will immer noch schnell spielen lassen – mit oder ohne Puck. Das geht, weil wir mit vier Linien spielen. Unsere jungen Spieler wie Sascha Bauer, Niki Hartl oder Julian Großlercher haben große Fortschritte gemacht. Ich vertraue ihnen völlig, egal, gegen wen es geht. Wir werden einfach hart arbeiten und schauen, was passiert, aber nur von Tag zu Tag denken. Für mich sind Rollen wichtig, aber nicht fixiert. Wenn sich ein Spieler bei mir aufdrängt, sollte er belohnt werden.
LAOLA1: Letztes Jahr gab es keine großen Verletzungen, das war ein wichtiger Faktor auf dem Weg zum Titel.
Aubin: Wir haben niemanden überspielt, ich finde, das war ein wichtiger Faktor. Wir haben uns stark verjüngt im vergangenen Jahr. Unsere Jungs sind frisch und haben nicht schon zwölf Jahre professionelles Eishockey gespielt, das wird der Hauptgrund gewesen sein.
LAOLA1: Mit Stürmer Jerome Samson und Verteidiger Kyle Klubertanz sind nur zwei Neue in ein Team gekommen, das letztes Jahr als verschworene Einheit zum Titel marschiert ist. Wie integrieren sich die neuen Spieler bisher?
Aubin: Wirklich großartig. Letztes Jahr gab es zehn neue Spieler, dieses Jahr nur zwei, das macht es für die Neuen sogar leichter, sich zu adaptieren, weil sich nicht alle erst komplett neu kennenlernen müssen. Sie passen sofort dazu, sind tolle Typen, sorgen sich um das Team. Bei den anderen Jungs hat sich nichts geändert, sie sind immer noch die Gleichen, verstehen sich immer noch so gut wie vorher.
LAOLA1: Jerome Samson bringt NHL-Erfahrung neu ins Team. Wie soll er den einzigen abgewanderten Stürmer, Kapitän Jonathan Ferland, ersetzen?
Aubin: Man kann Jonathan Ferland in Sachen Führungsqualitäten nicht ersetzen. Er war der beste Kapitän, den ich in Europa jemals gesehen habe. Jerome ist etwas jünger, er ist vielleicht nicht so physisch, auch wenn er an der Bande hart spielen kann, hat dafür aber einen besseren Touch rund um das Tor. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und wussten, was uns noch fehlt. Ich hatte das Gefühl, dass er neben Riley Holzapfel gut funktionieren kann.
LAOLA1: Waren Samson und Klubertanz Ihre Wunschspieler?
Aubin: Es gibt eine Menge Optionen, aber in diesem Jahr war es einfacher, sich für Neuzugänge zu entscheiden. Ich kenne mein Team, letztes Jahr waren mir Mario Fischer, Rafael Rotter und all die anderen noch kein Begriff, als es darum ging, neue Spieler zur Unterschrift zu bewegen. Leider haben wir David Kickert verloren, aber das eröffnet die Chance für einen Jungen, sich zu beweisen. Da werde ich ein Auge drauf halten.
LAOLA1: Wie sehen Ihre Pläne auf der Backup-Position aus? Die Lücke hinter Jean-Philippe Lamoureux wird mit Nachwuchsspielern gefüllt, die noch kein Profi-Spiel absolviert haben.
Aubin: Es wird herausfordernd, denn wir spielen fünfmal zwei Spiele unmittelbar hintereinander und es wird die Frage sein, wie Lamoureux seine Energien managt. Aber ich bin hinsichtlich unserer jungen Goalies zuversichtlich. Du bekommst nur Erfahrung, wenn du irgendwann beginnst. Es wird viel Aufbauarbeit benötigen, aber wir haben mit Varian Kirst einen Vollzeit-Goalie-Coach, der Zeit mit Matthias Tschrepitsch und Max Zimmermann verbringen wird. Er kann ihnen helfen, aber die Erste Liga (ehemals MOL-Liga, an der die Capitals erstmals mit einer zweiten Mannschaft teilnehmen, Anm.) ist so nah, da wird es viel Bewegung zwischen den Mannschaften geben, weil wir sicherstellen wollen, dass sie spielen. Wir haben vier Goalies registriert und werden einsetzen, wer am besten ist. Es wird ein Wettbewerb und so sollte das ja auch sein. Jetzt müssen sie mir zeigen, was sie drauf haben.
LAOLA1: Wie bereitet man jemanden vor, der möglicherweise in einer sehr schweren Situation erstmals in ein Profispiel kommen könnte?
Aubin: Wenn dieser Tag kommt, wird die Nervosität bei Matthias, der aktuell vorgesehen ist, sehr groß sein. Aber es ist eine Teamaufgabe, dann vor ihm zu stehen. Wir müssen ihn eben beschützen. Und Matthias ist sehr gut, es waren ein paar gute Saves dabei, als er gegen MAC Budapest gespielt hat. Wir haben Vertrauen in ihn, müssen aber verstehen, dass er ein junger Mann ist.
LAOLA1: Es gibt ein neues Format in der Champions Hockey League, sie will sich mittelfristig größer aufstellen. Hat sie das Potenzial, so groß zu wachsen?
Aubin: Ich denke schon! Es ist eine wirklich, wirklich tolle Sache. Ab sofort sind nur mehr Champions und Top-Teams dabei – du kommst nicht mehr rein, wenn du nicht schon Leistung gebracht hast. Das bringt die Competition ein Level höher. Jeder will gegen die Besten antreten. Wir freuen uns darauf, aber wissen, wie schwierig es wird. Es wird jedenfalls ein guter Gradmesser, um zu bestimmen, wo wir stehen.
LAOLA1: Wie schätzen Sie die Rolle der Vienna Capitals in diesem Bewerb ein?
Aubin: Es gibt keinen Zweifel, dass es Ligen auf der Welt gibt, die als besser angesehen werden, als die EBEL. Aber das Spiel wird auf dem Eis gespielt. Wenn man mich letztes Jahr gefragt hätte, ob wir Skelleftea zweimal schlagen, hätte ich "Niemals!" gesagt. Wir haben aber einen Weg gefunden. Abwarten, aber ich habe das Videostudium schon hinter mir und kann aufgrund dessen sagen, dass wir auf Gegner mit höchster Qualität stoßen.
LAOLA1: Wie wichtig ist Erfolg in der CHL für das Ansehen des ganzen Klubs?
Aubin: Wir repräsentieren nicht nur die Capitals, die wir sowieso jeden Tag mit unserem Besten repräsentieren wollen. Wenn du in die CHL kommst, repräsentierst du ganz Österreich. Wir wollen unser Bestes geben und zeigen, dass hier auch gutes Eishockey gespielt wird.
LAOLA1: Ist es nicht schwierig, in so kurzer Zeit Leistung abrufen zu müssen? Man hat nur sechs Spiele, während einzelne Playoff-Serien sonst immer sogar über sieben gehen könnten.
Aubin: Das Format wurde mit den Änderungen wirklich interessant gestaltet. Wir werden am Ende sehen, wie es gelaufen ist. Aber ich mag, dass du jetzt faire Chancen hast. Mit vier Teams ist es kompliziert geworden, wenn du ein Spiel verloren hast. Jetzt bleibt eine zweite Chance. Aber es ist kein Turnier, das man mit einer Niederlage beginnen möchte.
LAOLA1: Funktioniert das im Eishockey? Sonst hat man in den Playoffs gegen jeden Gegner sieben Spiele, wenn es um eine Entscheidung geht.
Aubin: Was ich mag, ist, dass wir uns wirklich auf den Moment fokussieren müssen. Das ist wirklich attraktiv, im Moment zu bleiben, dich auf jeden Tag konzentrieren zu müssen und nicht schon an morgen zu denken, denn du bist wirklich mit einer Aufgabe auf höchstem Level konfrontiert.