Der EC Red Bull Salzburg hat schon lustigere EBEL-Saisonen erlebt.
Trotz der sensationellen Erfolge in der Champions Hockey League, wo völlig überraschend das Halbfinale erreicht wurde, muss die Saison als holprig bezeichnet werden. Nicht einmal die Qualifikation für die Pick-Round war eine Selbstverständlichkeit. Wenig für die Ansprüche der "Bullen", die darüber hinaus bereits seit 2016 ohne EBEL-Titel sind.
Die mäßigen Leistungen kosteten Head Coach Greg Poss Ende Februar nach knapp zweieinhalb Jahren seinen Job. Zum neuen Chef an der Bande wurde Andreas Brucker ernannt, der den Beginn der Saison als Assistent neben dem US-Amerikaner verbrachte.
Der gebürtige und wohnhafte Linzer, Gründungsmitglied der Black Wings Linz, ist seit 2006 in der Salzburger Organisaton tätig, bekleidete nach einer Zeit als Spieler-Koordinator aber vor allem Coaching-Posten in der U20. Zu Beginn der Saison stieg der 51-Jährige unter Poss zu den Profis auf.
Im LAOLA1-Interview vor dem Beginn der Halbfinal-Serie gegen die Vienna Capitals (Spiel 1 am Freitag ab 19:15 Uhr im LIVE-Ticker) spricht Brucker über die Schwierigkeiten der Mannschaft mit Poss, was er geändert hat, warum es in der CHL so viel besser lief als in der EBEL und ob er sich einen weiteren Verbleib als Head Coach vorstellen kann.
LAOLA1: Was waren die unmittelbaren Umstellungen, die Sie nach ihrem Aufstieg vom Assistant zum Head Coach vorgenommen haben?
Andreas Brucker: Es ist darum gegangen, die Stimmung in der Mannschaft zu verbessern. Die war nicht mehr so lustig. Ich möchte Greg nichts Schlechtes nachsagen, ich war sehr gerne bei ihm Assistent und er hat alles versucht. Aber sein Zugang zum Team war nicht mehr so, wie er sich das wohl selbst gewünscht hätte. Wenn die Ergebnisse auch nicht mehr stimmen, kann keine gute Stimmung mehr aufkommen. Wir haben durch Gespräche mit den Spielern versucht, die Stimmung zu verbessern und ihnen ein besseres Gefühl zu geben. Wir haben auch die Trainings etwas abgeändert, mehr Spiele eingebaut, damit sie sehen, dass sich etwas ändert und der alte Trott nicht fortgesetzt wird. Jeder Trainer hat seine Ansichten, wie gespielt werden soll. Wir wollen aggressiver auftreten als zuletzt, speziell in der Offensive. Aber alles hing mit der schlechten Stimmung zusammen, dadurch ist das Ganze nicht mehr so auf das Eis umsetzbar gewesen. Jetzt zieht wieder jeder gut mit.
LAOLA1: Wo ist diese schlechte Stimmung hergekommen?
Brucker: Es muss in der Vergangenheit schon einiges zwischen dem Trainer und den Spielern vorgefallen sein. Das Vertrauen war nicht mehr da. Das schaukelt sich dann in einer Mannschaft auf. Das hat die Vereinsführung erkannt und die Reißleine gezogen. Es ist nicht mehr jeder so an Bord gewesen, wie es nötig gewesen wäre, um Ergebnisse zu erzielen.
LAOLA1: Warum konnten Sie Ihren Input im ersten Halbjahr als Assistent nicht so gut einbringen?
Brucker: Greg und ich haben uns schon abgestimmt, aber es ist nicht so einfach. Ein Head Coach hat seine Ansichten und das letzte Wort. Er hat die Entscheidung zu treffen. Ich will nicht sagen, dass er nicht auf mich gehört hätte. Wir haben uns zusammengesprochen und er hat gesagt: "Einige Dinge können wir versuchen...". Es ist wie bei jedem Trainer, vielleicht jedem Job: Manche Dinge schleifen sich ein. Man läuft sich fest. Dann muss man sich eingestehen, dass Dinge anders gelaufen wären, hätte man sich ein wenig beeinflussen lassen.
LAOLA1: Wäre es aber übertrieben zu sagen, dass die Mannschaft so mit dem Trainer gebrochen hat, dass keine Fortschritte mehr möglich waren?
Brucker: Schlussendlich war der Unmut schon groß. Die Führungsspieler waren nicht mehr bereit, alles für ihn zu geben.
"Schlussendlich war der Unmut schon groß. Die Führungsspieler waren nicht mehr bereit, alles für ihn zu geben."
LAOLA1: Ihre "Beförderung" mitten in der Pick-Round ist zu einem schwierigen Zeitpunkt gekommen. Zeit genug, das Ruder herumzureißen?
Brucker: Ich denke schon. Die Stimmung hat sich wesentlich verbessert. Jeder ist zu hundert Prozent an Bord und versucht, das umzusetzen, was ich mir vorstelle. Ich bin ein Typ, der sagt: In der neuen Generation läuft das nicht mehr wie vor X Jahren, als der Trainer gesagt hat, wie es läuft und sonst geht gar nichts. Ich rede mit den Spielern, hole mir Vorschläge und suche mir Dinge heraus, die uns weiterhelfen könnten. Das lasse ich einfließen, ohne dass sie es vielleicht bemerken.
LAOLA1: Wie haben Ihnen die jüngsten Leistungen gefallen?
Brucker: In den letzten Spielen haben wir schon über die Hälfte, vielleicht zwei Drittel gute Ansätze gezeigt, Spiel sechs gegen Fehervar war dann über 60 Minuten sehr gut. Da haben wir nichts zugelassen, waren sehr aggressiv und schnell am Mann. Vielleicht haben wir die Ergebnisse nicht immer gebracht, weil Chancenverwertung und Verkehr vor dem Tor noch gefehlt haben. Aber das haben wir in den letzten Einheiten umzusetzen versucht.
LAOLA1: Wie lässt sich der eklatante Leistungsunterschied in EBEL und CHL in dieser Saison erklären?
Brucker: Ich habe ein paar Mal versucht, das zu analysieren. Wir waren in der CHL immer krasser Außenseiter, haben gegen die Meister aus Schweden, Finnland und der Schweiz gespielt. Die Spieler waren unter besonderer Spannung, waren mental so unter Druck, dass sie sich speziell vorbereitet haben, vielleicht sogar aus Angst, wir könnten untergehen. Zu der besonderen Einstellung hat uns auch das Glück ein bisschen zugespielt. Wenn wir das entscheidende Viertelfinal-Spiel bei Kärpät Oulu (1:1, Anm.) nach dem Spielverlauf 1:8 verloren hätten, hätten wir uns auch nicht beschweren können. Außerdem hat Steve Michalek eine brutale Torhüter-Leistung gezeigt. Er hatte in dieser Saison immer ein Auf und Ab und ich habe bei meiner Übernahme gleich gesagt, dass ich mich nicht auf einen Torhüter zwischen ihm und Lukas Herzog festlegen werde. In der CHL hat Michalek aber unglaubliche Partien gespielt. Plus der Kampfgeist, weil wir eben so krasser Außenseiter waren, das hat uns über die Runden gerettet. Im Halbfinale hat uns Red Bull München auswärts unterschätzt, da hatten wir Oberwasser. Daheim wurde das richtiggestellt. Ich will die Leistung nicht schmälern, sie war unglaublich. Aber so eine Saison in der CHL wird es wohl lange nicht mehr geben.
LAOLA1: In die EBEL konnte man das Momentum nicht transportieren.
Brucker: Wir haben vier Mal gegen Innsbruck verloren. Ich habe zu manchen Spielern dort Kontakt, weil wir uns aus dem Nachwuchs kennen. Die hatten uns schon drei Mal geschlagen, aber waren immer noch unter besonderer Spannung, als es ein viertes Mal gegen uns ging. Wir sind in die Partie gegangen... manche Spieler haben vielleicht sogar geglaubt, wir gewinnen das so oder so. Das ist die Aufgabe von uns Trainern, die Mannschaft so vorzubereiten, dass sie jeden Gegner ernst nimmt.
LAOLA1: Nach einigen Jahren als Assistant Coach bei den Black Wings Linz um die Jahrtausendwende haben Sie hauptsächlich im Nachwuchsbereich gecoacht. Wie unterscheidet sich die Arbeit, wenn man plötzlich mit gestandenen Profis arbeiten muss?
Brucker: Das sind Profis, die wissen, wie sie sich vorzubereiten haben. Da musst du nicht mehr jeden Schritt verfolgen. Du kannst in gewissen Bereichen einwirken, die Spieler bei Laune halten. Damit sie an das glauben, was wir vermitteln. Im Nachwuchsbereich machen die Spieler einen Entwicklungsprozess durch, da müssen sie auch Sachen probieren und mit Ups and Downs leben. Neben dem Sport spielen Faktoren wie Schule, Familie und Freundinnen mit. Im Profibereich musst du völlig anders herangehen, einen möglichst hohen Level aufrecht erhalten und das von Spiel zu Spiel transportieren. Trainingssteuerung und Regeneration macht viel mehr aus. Wir verlangen Top-Niveau in jedem Training und Spiel, natürlich ist das nicht immer umsetzbar.
LAOLA1: Was lässt sich über Ihre Arbeitsweise noch erzählen?
Brucker: Ich bin ein sehr kommunikativer Typ, höre mir viel von anderen Coaches an und suche Dinge für mich heraus. In den letzten Jahren habe ich mit vielen Coaches aus verschiedensten Ländern arbeiten dürfen. Da nehme ich Dinge mit - auch solche, die ich vielleicht nicht so machen will, wie die. Ich bin ein umgänglicher und lustiger Typ, mit mir kann man auch Spaß haben. Ich denke, dass ich das so rüberbringe und die Spieler mit mir an einem Strang ziehen. Wir haben ein gutes Auskommen, es herrscht keine strikte Hierarchie. Außerdem will ich kreatives und aggressives Eishockey spielen lassen. Kreativität ist, natürlich in einem gewissen Rahmen, ganz wichtig, die Spieler müssen eine gewisse Freiheit in ihrem Tun am Eis haben. Ich bin mit Trainer-Kollegen zusammen gekommen, die Eishockey als Schachspiel verstanden haben. Wenn sie ihre Spieler richtig herumschieben, kommt der Erfolg. Das ist nicht mein Ansatz.
LAOLA1: Fünf von sechs Spielen gegen den Halbfinal-Gegner, die Vienna Capitals, wurden erst im Shootout entschieden. Warum sind sich beide Teams gegenseitig so unangenehm?
"Ich bin mit Trainer-Kollegen zusammen gekommen, die Eishockey als Schachspiel verstanden haben. Wenn sie ihre Spieler richtig herumschieben, kommt der Erfolg. Das ist nicht mein Ansatz."
Brucker: Die Spielanlage ist grundsätzlich ähnlich. Sie haben ähnliche Spielertypen wie wir: Schnell, technisch sehr gut, immer für Tore gut. Es sind Spiele mit offenem Visier. Für uns ist es mental und moralisch ganz wichtig, dass wir gegen Wien immer viele Tore erzielen und mitspielen konnten, auch auswärts. Für uns erweist es sich nicht als Nachteil, die Serie in Wien zu beginnen. Dadurch ist der Druck bei den Capitals.
LAOLA1: Die Caps waren in den letzten drei Jahren immer das Team, das man schlagen musste, wollte man mit dem Titel etwas zu tun haben.
Brucker: Sie haben in den letzten Jahren gute einheimische Spieler gefunden und mit den Imports auch gute Griffe gemacht. Die Kaderbewertung ist klar gestiegen. Das ist ein sehr ernstzunehmender Gegner, aber es macht auch Spaß, gegen sie eine Serie zu spielen. Wien gegen Salzburg, das waren in den Playoffs schon immer brisante und emotionale Duelle.
LAOLA1: Sie sind vorerst bis Saisonende als Head Coach eingesetzt. Ist es vorstellbar für Sie, darüber hinaus weiterzumachen? Oder gibt es andere Pläne?
Brucker: Grundsätzlich ist es sehr vorstellbar. Es ist aber schon einmal angesprochen worden, dass die Organisation eventuell plant, einen neuen Coach zu installieren. Aber ich mache mir über das Saisonende hinaus noch keinen Kopf. Mir macht es riesigen Spaß, das Vertrauen hat mich auch stolz gemacht. Es ist ja nicht irgendein Verein, sondern Red Bull Salzburg. Es muss auch ein Bestreben von mir sein, längerfristig im Profibereich zu arbeiten, jetzt hat es sich zufällig einmal ergeben. Ich möchte Salzburg auf jeden Fall treu bleiben, wenn sich etwas machen lässt. Ich kann mir auch vorstellen, in die Assistenz-Rolle zurückzugehen - oder in den Nachwuchs. Wir haben hier eine tolle Infrastruktur und tolle Möglichkeiten.