Nur wenige Eishockey-Fans hätten sich im Sommer 2018 gedacht, in dieser Saison eine EBEL-Halbfinal-Serie zwischen dem KAC und den Graz99ers zu sehen (Spiel 3 - heute, ab 19:15 Uhr im LIVE-Ticker).
Die Grazer schlossen die vergangene Spielzeit in der Qualifikations-Runde als Letzter - fernab jeder Chance auf die Playoffs ab, obwohl die Top-6 nur um drei Punkte verfehlt wurden.
Schlechte Voraussetzungen, um in der Folge-Saison gar von einem Sieg im Grunddurchgang zu träumen.
Aber nur ein Jahr nach der sportlichen Höchststrafe überstanden die 99ers sogar erstmals eine Playoff-Runde – und ihnen gegenüber steht mit Clemens Unterweger ein Crack im Rotjacken-Trikot, der zuvor lange Jahre bei den Murstädtern spielte und 2017/18 noch an alter Wirkungsstätte sogar zu einem persönlichen Höhenflug ansetzte.
Ein Höhenflug, den der seit Montag 27-Jährige noch nicht ganz zum KAC transportieren konnte.
Ein Durchbruch nach Rückschlägen
Mit sechs Toren und 21 Assists geigte der ÖEHV-Teamverteidiger vergangene Saison in Graz richtig auf. Mit Abstand ein Bestwert in seiner Karriere, die nach zwei Hüftverletzungen erst jetzt richtig ins Rollen kommen konnte.
"Als ich danach wieder am Eis war, dachte ich, da geht nichts mehr. Ich habe nichts mehr gekonnt, war wegen der sehr langen Reha neun Monate nicht am Eis."
"Ich habe mehr Eiszeit in Graz bekommen, vor allem Qualitäts-Eiszeit im Powerplay, und eine offensivere Rolle", erklärt Unterweger gegenüber LAOLA1 seinen Output der letzten Saison.
Es war außerdem die erste EBEL-Saison, in welcher der gebürtige Lienzer alle 54 Spiele bestreiten konnte.
2012 wechselte der Osttiroler zu den Graz99ers, erst ein Jahr Leihe in die zweite finnische Liga brachte ihm mehr Spielpraxis auf Erwachsenen-Ebene ein. Nach der Rückkehr in die Steiermark schlug aber der Verletzungsteufel zweimal zu.
Spielpraxis im Hohen Norden
"Es ist kein Geheimnis, dass junge Spieler in der EBEL nicht wirklich zum Zug kommen. So war es auch bei mir. Auf der Bank wirst du nicht besser, Spielpraxis war wichtig. Und in Finnland ist das Tempo sehr hoch, auch in der zweiten Liga", sagt Unterweger über einen Schritt, der im Nachhinein essentiell für seine Eishockey-Karriere war.
"Es hat sicher meine Karriere gerettet. Da war auch Glück dabei, dass sie mich oben überhaupt noch einmal genommen haben", ist sich der Defender über den Abschnitt bei Kaajanin Hokki sicher.
Nach dem Ende der Leihe sollte der Durchbruch bei den 99ers erfolgen, aber die erste Hüftverletzung 2014/15 machte einen Strich durch die Rechnung, auch eine Operation war notwendig.
2016/17 wurde die linke Hüfte ein zweites Mal zum Übeltäter. "Als ich danach wieder am Eis war, dachte ich, da geht nichts mehr. Ich habe nichts mehr gekonnt, war wegen der sehr langen Reha neun Monate nicht am Eis."
Der Status kam nicht mit
Es kam zum Glück anders. "Seit der zweiten Verletzung bin ich in top Verfassung, mit der Hüfte habe ich überhaupt keine Probleme mehr. Das fühlt sich besser als vorher an, aber ich arbeite schon sehr viel und muss meine täglichen Übungen machen."
Die Belohnung für die harte Arbeit war die neue Rolle unter Doug Mason, die 2017/18 nicht nur zu einem persönlichen Rekord-Jahr in Sachen Scorerpunkte führte, sondern auch den Sprung zu einem vermeintlich "größeren" Verein ermöglichte – immerhin hatte der KAC in den letzten Jahren immer etwas mit der Titel-Entscheidung zu tun.
Der alte Status ging aber nicht in vollem Umfang mit nach Klagenfurt. Bei den Rotjacken wird mehr Wert auf eine abgesicherte Defensive gelegt, Unterwegers offensive Akzente mussten zwangsläufig wieder kleiner werden.
"Das finnische Spiel ist sehr laufintensiv. Vor allem ist es immer ‚defense first‘. Das passiert sehr strikt, auch in der eigenen Zone. Das habe ich vorher noch nie so gespielt", sagt Unterweger über das Spiel unter Petri Matikainen.
Kurze Nachdenkpause
Unter Matikainen bekam der nun 27-Jährige auch nicht immer die Eiszeit, die noch aus dem letzten Graz-Jahr üblich war. Das "Lowlight": Eine zwischenzeitliche Degradierung zur Zweitmannschaft in die Alps Hockey League.
"Er wollte mir damit zeigen, dass ich jeden Tag zu hundert Prozent da sein muss, bei jedem Spiel. Nach der Nachdenkpause hat das besser funktioniert."
"Der Kader in Klagenfurt ist breiter als jener in Graz in den letzten Jahren. Er (Matikainen, Anm.) wollte mir damit zeigen, dass ich jeden Tag zu hundert Prozent da sein muss, bei jedem Spiel. Nach der Nachdenkpause hat das besser funktioniert", sieht Unterweger auch in diesem Statement Gutes.
Die Lernfähigkeit sei auf jeden Fall da: "Ich frage den Trainer, was ich besser machen soll, und dann probiere ich, das umzusetzen. Der älteste Spieler bin ich noch nicht, und ich bin mir sicher, dass ich auch beim KAC eine offensivere Rolle einnehmen könnte."
Mason als Knackpunkt der "neuen" 99ers
Vorerst hat sich Unterweger beim KAC wieder etabliert, in den Playoffs ist er jedenfalls Stammkraft und gleich im ersten Spiel gegen Bozen gelang ihm der erste Playoff-Treffer seiner EBEL-Karriere.
Dass es jetzt im Halbfinale ausgerechnet gegen die Ex-Kollegen geht, ist für Unterweger "nichts Überraschendes, aber etwas Besonderes".
"Ich bin jedenfalls nicht in dem Glauben nach Klagenfurt gekommen, Nummer-1-Verteidiger zu sein. Ich habe um den Konkurrenzkampf gewusst."
"Die 99ers sind ein sehr gut gecoachtes Team, haben mit Mason jemanden gefunden, der wirklich hin passt. Das ist für mich der ausschlaggebende Punkt", so der Ex-Grazer.
"Sie spielen ein aggressives Eishockey mit brutalem Forecheck. Sie sind auf jeden Gegner immer perfekt eingestellt. Es hätten die wenigsten geglaubt, dass sie nach 44 Runden Erster sind. Aber die Playoffs sind für mich keine Überraschung."
Die Voraussetzungen sind mit der 2:0-Serienführung dennoch nicht schlecht, dass ausgerechnet Unterweger mit den neuen Kollegen zum Spielverderber der bisherigen 99ers-Erfolgssaison wird, obwohl die Grazer fünf der sechs vorherigen Begegnungen gewonnen haben.
Eine neue Erwartungshaltung
Wie es mit Unterweger weitergeht, ist bis dato noch offen. Sein Vertrag beim KAC läuft vorerst bis zum Ende der Saison.
"Es ist ein größerer Verein, die Erwartungshaltung ist eine ganz andere als bei anderen Vereinen, da spreche ich nicht nur von Graz", sagt der Verteidiger über seine neue Wirkungsstätte.
"Aber es gefällt mir hier sehr gut. Meine Rolle ist eine andere – es ist überhaupt nicht negativ gemeint, wenn ich sage, ich spiele kein Powerplay. Es ist auf jeden Fall der nächste Schritt gewesen, ob es ein guter war, wird man nach der restlichen Saison sehen", resümiert er.
"Ich bin jedenfalls nicht in dem Glauben nach Klagenfurt gekommen, Nummer-1-Verteidiger zu sein. Ich habe um den Konkurrenzkampf gewusst."