Es ist eine der größeren EBEL-Rivalitäten der letzten Jahre, die im Halbfinale (Spiele 1 am Freitag ab 19:15 Uhr im LIVE-Ticker) auf die Fans wartet: Vienna Capitals gegen Red Bull Salzburg. Das "Team to beat" gegen den finanziellen Krösus.
Durch das mäßige Abschneiden der "Bullen" in der Pick-Round kommt dieses Duell schon in der Vorschlussrunde zustande. Einen Grund, daraus den Status als leichter Favorit in die "Best of seven"-Serie mitzunehmen, sehen die Wiener - ungeschlagener Erstplatzierter der Zwischenrunde - aber nicht.
"Favorit? Dieses Wort ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Ich weiß nicht, ob wir überhaupt irgendeinen Vorteil ihnen gegenüber haben. Gegen gute Teams hast du nie große Vorteile", meint Head Coach Dave Cameron im Rahmen eines Pressetermins am Dienstag.
Salzburg? "Wir wissen, dass sie es bringen können"
Der Trainer der Capitals lässt sich von der mäßigen Saison des Gegners vor dem Halbfinale nicht beirren. "Salzburg war vielleicht nicht so konstant, aber schaut euch an, was sie in der CHL gemacht haben. Wir wissen, dass sie es bringen können."
Und "gebracht" haben es die Salzburger auch in dieser Saison gegen die Capitals: Die Bilanz spricht zwar mit 4:2 Siegen etwas für die Caps, aber fünf der sechs Duelle wurden erst im Penaltyschießen entschieden. "Das passiert, wenn sich zwei gleichwertige Teams gegenüberstehen."
Genau jenes Gesicht erwartet Cameron auch im Halbfinale. Coaching-Wechsel beim Gegner auf Andreas Brucker hin oder her: "Es ist schwer, dein ganzes System zu ändern. Der neue Coach drückt seinen Stempel immer auf, aber sie waren auch vorher ein konkurrenzfähiges Team."
"In den letzten zehn Jahren ist der Titel immer über sie gegangen. Willst du Meister werden, musst du sie schlagen. Von den Namen her ist ihr Kader der stärkste der ganzen Liga. Da ist es egal, ob sie während der Saison nicht so gut waren."
Nur eines der sechs Duelle, das bislang jüngste in Wien (6:5 n.P.), spielte Salzburg mit Brucker als Hauptverantwortlichem an der Bande. Aber Überraschungen seien nach rund 60 Spielen ohnehin nicht mehr möglich: "Sie wissen, wer sie sind. Und wer wir sind. Sie haben eine Idee von unserem Spiel. Darum kommt es umso mehr darauf an, wer seine Leistung besser abrufen, mit dem Druck und den Umständen umgehen kann."
Auch Kapitän Andreas Nödl bekräftigt trotz der schwierigen Saison des Gegners: "Mit Salzburg ist immer zu rechnen. In den letzten zehn Jahren ist der Titel immer über sie gegangen. Willst du Meister werden, musst du sie schlagen. Von den Namen her ist ihr Kader der stärkste der ganzen Liga. Da ist es egal, ob sie während der Saison nicht so gut waren."
Kaltstart muss abgestellt werden
Mit dem 4:1-Serienerfolg über den HC Znojmo haben die Vienna Capitals ihre Viertelfinal-Aufgabe vergleichsweise souverän, aber nicht ohne Gegenwehr erledigt. Genug Analyse-Material für Trainer und Spieler, um Feinheiten nachzujustieren, die gegen einen stärkeren Gegner eher bestraft werden.
"Ich mochte unsere ersten Drittel, unsere Starts ins Spiel nicht. Je weiter du kommst, desto besser werden die Teams, und desto eher bestrafen sie dich für so etwas. Das andere Team wird dich auf den Zehenspitzen halten, wir müssen dieses Momentum zurück auf unsere Seite ziehen", erklärt Cameron, dem aber auch Dinge positiv auffielen.
"In Spiel vier, als wir nach zwei Dritteln 0:2 hinten waren und dann mit vier Toren noch gewonnen haben. Wir haben furchtbar gespielt, aber gewusst, dass wir noch einen Gang zulegen können. Dieses Drittel hat uns die Kontrolle über die Serie gebracht", so der Kanadier.
"Salzburg kommt immer aggressiv und mit Druck, die Verteidiger pinchen herein. Vielleicht wird das erwartbarer als gegen Znojmo."
Entscheidend seien nicht die ersten 60 Minuten einer Serie, sondern wer über die gesamte Dauer sein Spiel ausdauernder abrufen könne. Schmunzelnd bringt der 60-Jährige den blumigen Vergleich mit Qualitäten, auf die es auch im zwischenmenschlichen Treiben ankomme.
Rotter kehrt bald zurück
Auch die Special Teams seien noch verbesserungswürdig. Cameron setze sich jedenfalls mehr mit den eigenen Verbesserungsmöglichkeiten, als mit dem Spiel des Gegners auseinander.
Im Powerplay seien auch zahlreiche Verletzungen unter der Saison schlagend geworden. Apropos Verletzungen: Rafael Rotter soll einige Wochen nach seinem gescheiterten Comeback-Versuch im Laufe der Serie wieder ins Spielgeschehen zurückkehren.
Auch Nödl sieht in Überzahl Verbesserungsmöglichkeiten: "Gegen Znojmo haben wir uns zu wenig bewegt, die Scheibe zu lang gehalten, nicht gut gespielt. Die Tschechen waren sehr passiv, wir haben immer zu lang gewartet. Salzburg wird in Unterzahl hingegen aggressiv auftreten, da braucht es schnelle Pässe."
Überhaupt sei das Spiel des ersten Playoff-Gegners wenig stellvertretend für die kommende Aufgabe: "Gegen Znojmo war es unsererseits ein Auf und Ab. Es mag seltsam klingen, aber: Da war beim Gegner manchmal kein System dahinter, gerade damit hatten wir Schwierigkeiten. Manchmal waren drei Leute bei dir, dann hast du wieder Zeit gehabt. Aber Salzburg kommt immer aggressiv und mit Druck, die Verteidiger pinchen herein. Vielleicht wird das erwartbarer."
Nicht zum Urlaub da
Für Coach Cameron geht in den kommenden Wochen, unabhängig vom Ausgang, seine allererste Saison in Europa zu Ende. Noch in der Vorsaison stand er bei den Calgary Flames als Assistant Coach in der NHL an der Bande. Er trat das schwere Erbe der Erfolgs-Ära von Landsmann Serge Aubin auch ohne Erfahrungen nahtlos an.
"Ich wusste, wie schön die Stadt ist. Und genau deswegen habe ich befürchtet, dass manche Spieler nur hier sind, um ihre Karriere schön ausklingen zu lassen - quasi auf Urlaub. Ich bin noch kompetitiv und nicht zum Urlaub da."
Ob es in seiner ersten EBEL- bzw. Europa-Saison Überraschungen gegeben habe? "Wenn, dann nur angenehme. Du bist dir nie sicher, wie das Level hier herüben ist, wenn du aus der NHL kommst. Aber es ist sehr konkurrenzfähig. Und dass es in dieser Saison etwa fünf Teams gab, bei denen im Falle des Titels niemand von einer Überraschung sprechen würde, ist eine gute Sache und spricht für die Liga", so der Kanadier.
Und sonst? "Im Gegensatz zu Kanada gibt es hier einen tatsächlichen Heimvorteil. Dort drüben sind alle Rinks gleich. Hier unterscheiden sich mal die Banden, mal das Glas, vielleicht springt der Puck anders... Das finde ich gut. Und die Fans sind außergewöhnlich. Es drückt Wertschätzung aus und bringt Hockey dahin zurück, wo es herkommt."
Eine Sorge hatte Cameron, als er nach Wien kam - auch die wurde ausgeräumt: "Ich wusste, wie schön die Stadt ist. Und genau deswegen habe ich befürchtet, dass manche Spieler nur hier sind, um ihre Karriere schön ausklingen zu lassen - quasi auf Urlaub. Ich bin noch kompetitiv und nicht zum Urlaub da."
Wenn sich sein Team gegen Salzburg durchsetzt, wird auch der Urlaub anderswo ein paar Tage länger warten müssen.