Die aktuell frühlingshaften Temperaturen in Österreich lassen die Vermutung anstellen, dass die win2day ICE Hockey League sich bereits wieder in ihrem langen Sommerloch befindet.
Ein Blick in die STEFFL Arena, der Heimstätte der Vienna Capitals, würde den Verdacht sogar bestätigen. Wasser statt Eis, gespenstische Stille, sogar Torraum-Markierungen und Sponsor-Werbungen hängen ausgebreitet auf den Tribünen. Aber: Es ist Mitte Oktober, die ICE-Saison ist bereits voll angelaufen.
Trotzdem ist an einen Regelbetrieb in Wien-Kagran derzeit nicht zu denken. Am vergangenen Freitag platzte in der Kühlanlage der Halle eine Schweißnaht, wodurch in weiterer Folge Ammoniak austrat und es zu einer Notabschaltung kam. Außerdem wurde eine Sonde beschädigt, die für die Verteilung des Kühlmittels verantwortlich ist (LAOLA1 berichtete >>>).
Alles steht still. Und das wird sich in den kommenden Wochen nicht ändern. Die 29 (!) Jahre alte Kühlanlage ist schwerst sanierungsbedürftig, "schon lange über den Zenit ihrer Betriebsdauer", bestätigt General Manager Franz Kalla am Montagnachmittag in einer Medienrunde, bei der sich LAOLA1 ebenfalls ein Bild machen konnte.
"Achtung, Gefahr im Verzug!"
Das ist natürlich nicht erst seit wenigen Tagen der Fall, sondern den Caps schon seit vielen Jahren bewusst - genauer gesagt seit 2018. Im Jänner des angeführten Jahres trat bereits ein ähnliches Problem auf. Seitdem informierte man die Stadt Wien, die als Eigentümer für die Halle zuständig ist, mehrfach über den Sachverhalt.
"In E-Mails haben wir darauf hingewiesen: 'Gefahr im Verzug!' Die Anlage ist am Ende, die Betriebsdauer überzogen", sagt Kalla. Die Reaktion der Stadt Wien? Immer wieder wurden externte Gutachter in die Donaustadt geschickt, um sich vor Ort ein Bild zu machen.
"Das letzte Mal sind Gerald (Partmann, Betriebsleiter der Halle, Anm.) und Ich Anfang Oktober mit deren Gutachter zusammengesessen. Der war schon leicht entnervt, meinte: 'Ich weiß schon nicht mehr, was ich denen schreiben soll, außer: 'Achtung, Gefahr im Verzug! Die Anlage wird uns um die Ohren fliegen'", erzählt Kalla.
Der vom zuständigen Magistrat 51 mehrfach vertröstet wurde. Nicht nur einmal bekam der GM zu hören, dass sich in der Causa "endlich was bewegen soll. Das höre ich aber schon seit Jahren", ist Kalla genervt. "Wir weisen seit Jahren darauf hin: Wenn es zu einem Ausfall kommt, kann es mitunter dazu führen, dass es Wochen oder Monate dauert."
1,5 Millionen Euro werden benötigt
Dem ist nun der Fall, die Capitals stehen sowohl vor einem kurz- als auch einem langfristigen Problem. Denn die Spielzeit läuft unaufhörlich weiter, die kaputte Sonde zu reparieren bzw. neu zu produzieren nimmt einige Wochen und hohe Kosten in Anspruch.
Das ist aber nicht das Rätsels Lösung, denn es würde trotzdem die Gefahr bestehen, dass das Teil jederzeit wieder in die Luft geht, bestätigt Betriebsleiter Partmann. Der die Anlage daher auch erst wieder in Betrieb nimmt, wenn die nötige Sicherheit gewährleistet ist.
Alleine in den letzten vier Jahren haben die Caps für Kleinreparaturen an der Kühlanlage rund 400.000 Euro investiert. "Wenn ein Teilchen oder eine Pumpe kaputt wird, machen das eh wir", erläutert Kalla, dass die Wiener die Kosten selbst trugen, um den Betrieb am Leben zu halten.
Doch eine Generalsanierung an der bestehenden Kühlanlage durchzuführen oder eine gänzlich neue anzuschaffen, das liege in der Hand der Stadt Wien. Dabei "geht es wie immer ums liebe Geld", sagt Kalla. Rund 1,5 Millionen Euro müssen in die Hand genommen werden, um auf lange Sicht auf der sicheren Seite zu sein.
"Es ist nicht mehr ungefährlich!"
Die Stadt Wien legt sich jedoch quer, die Caps fühlen sich von den Verantwortlichen im Stich gelassen. Und das, obwohl man der Gemeinde jährlich unter die Arme greift. Vor dem Um- und Ausbau der Halle hat die Stadt Wien diese selbst betrieben und "die Eiszeiten um 3 Euro pro Stunde verkauft", so Kalla.
"Dann meinten sie: Ihr übernehmt den Betrieb, dafür bauen wir euch die Halle aus und um. Das war 2009/10. Als wir die Halle 2011 übernommen haben, wollten wir versuchen, den Verlust zu minimieren. Die Stadt Wien hat in den Jahren davor rund 3,5 Millionen Euro im Jahr verloren." Jetzt würde der Verlust nur bei rund einer Millionen Euro liegen, sagt Kalla.
Umso mehr fordern die Caps eine Reaktion der Stadt Wien, die gibt es bis dato aber nicht. Stattdessen müssen wir "da oder dort ein Pflaster draufkleben", muss Kalla ernüchternd feststellen. Und das bei Kühlanlagen, die teilweise bereits 100.000 Betriebsstunden haben, erklärt Partmann.
"Wenn man das auf ein Auto umrechnet, sind das 3,5 Millionen Kilometer. Ich kenne kein Auto, dass so viele Kilometer fährt", hält der Betriebsleiter fest. "Das ist entgegen jeden Rats des TÜV, da wird nur gesagt: Austauschen, es gibt zukünftig keine Ersatzteile mehr. Umso mehr wir da nur hineinstoppeln, wir Kleinigkeiten reparieren, umso schlimmer wird unsere Situation."
Partmann weiter: "Irgendwann bekomme ich, wie die Sonde jetzt, dieses Teil gar nicht mehr. Oder es muss wieder eine Sonderproduktion sein, wo ich wieder monatelang stehe."
"Das ist für mich als Betriebsleiter eine Katastrophe! Ich muss meine Mitarbeiter in einen Maschinenraum schicken, wo ich mir selbst Gedanken mache: Was passiert, wenn da unten etwas ist?", macht sich Partmann aufgrund des Ammoniak-Austritts große Sorgen und betont: "Es ist mittlerweile nicht mehr ungefährlich!"
Stadt Wien beharrt auf Reparatur der 29 Jahre alten Anlage
Auch er mache seit zwei Jahren Druck, kommuniziert die gefährliche Lage. "Es ist ein Wahnsinn, wieviele Betriebsstunden die Maschinen haben, was für ein gefährliches Medium (Ammoniak, Anm.) da drinnen ist. Auch die Rohrleitungen sind 30 Jahre alt. Warum ist die Schweißnaht aufgeplatzt? Weil sie 30 Jahre alt ist. Das sind Materialübermüdungen."
Daher müsse sich die Stadt Wien eingestehen: "Selbst wenn es Geld kostet, irgendwann müssen sie es erneuern", so Partmann. "Auf Dauer kann das nicht so weitergeführt werden. Vor allem nicht im öffentlichen Bereich, wo wir bis zu 7.000 Zuschauer haben können. Das kann ich nicht verantworten – wenn sich nur ein Mensch verletzt, sind es schon um zwei zu viel!"
Sein Wunsch? Dass, egal in welcher Form, schnell und insbesondere sicher gehandelt wird. Partmann rechnet vor: "Eine neue Maschine kostet in etwa 250.000 Euro." Die gesamte Kühlanlage - die gleichzeitig auch Halle 2 und 3 kühlt - beinhaltet vier Kühlmaschinen, dementsprechend müsste dafür eine Million Euro hingelegt werden. Hinzu kommen 500.000 Euro, die für diverse weitere Kosten anfallen.
"Eine Generalsanierung kostet in etwa das gleiche, teilweise ist sie sogar schon teurer als eine neue Maschine, weil die Ersatzteile nicht mehr greifbar sind", konstatiert Partmann. Doch das Magistrat beharrt offenbar auf eine Reparatur - "die sie aber nicht machen. Das wird immer verschleppt", moniert der Betriebsleiter, der dies nicht nachvollziehen kann.
"Von mir aus soll die Stadt acht Millionen Euro reinstecken und sie sanieren"
Bei ersten Gesprächen mit der Stadt habe er das noch so hingenommen. "Dieses Jahr haben wir früher geschossen, weil wir daraus gelernt haben. Wir haben Mitte Oktober und bis jetzt wieder keine Entscheidung. Für mich schaut das nur nach einem in die Länge ziehen aus", ärgert er sich.
Dabei würde eine neue Anlage vielerlei Vorteile bieten. "Neue Maschinen benötigen weniger Strom und Öl. MIt der Photovoltaik-Anlage, die wir vielleicht heuer noch oder nächstes Jahr bekommen, wären wir fähig, die Kühlanlage ohne Fremdstrom zu benutzen."
Partmann verstehe, dass es "von außen so aussieht, dass wir eine neue Anlage wollen. Das ist aber nicht so. Von mir aus soll die Stadt Wien acht Millionen Euro in die Anlage reinstrecken und sie komplett sanieren. Aber sie muss betriebssicher sein - nicht für zwei Monate, sondern über Saisonen hinweg."
"Für uns ist es eine Katastrophe"
Eine langfristige Lösung im Sinne aller Beteiligten scheint nicht derzeit in Sicht zu sein, eine kurzfristige ebenfalls nicht unbedingt. Daher zerbrechen sich die Caps täglich den Kopf, wie man schnellstmöglich zumindest wieder den Trainingsbetrieb in heimischen Gefilden aufnehmen kann.
Aktuell trainiert die Profi-Mannschaft nämlich in Bruck an der Leitha, muss jeden Tag eine zweistündige Busreise antreten. Eine Überlegung wäre, mobile Anlagen zu installieren. Diese hätten jedoch den Nachteil, dass man diese erst wieder abschalten muss, sobald die neuen Teile verfügbar sind.
Daher hält Kalla fest: "Für uns ist es eine Katastrophe. Das ist der Grund, warum wir (der Stadt Wien) seit Jahren Druck machen. Es geht nicht darum etwas Schönes, Neues zu haben. Sondern es geht um die Betriebssicherheit."
"Das tut schon weh"
Und gleichzeitig auch um das eigene Image. Denn fünf bis sechs Wochen kein Heimspiel auszutragen, gleichzeitig mit der Stadt im Clinch zu liegen, schmerzt. Wichtige Einnahmen gehen verloren, Fans könnten vergrollt werden.
Was dem General Manager aber noch viel mehr weh tut, sind unangebrachte Kommentare in den Sozialen Medien. "Wenn Leute schreiben, ich hätte Leute in Gefahr gebracht. Das ist ein absolutes No-Go und habe ich in meinem Leben noch nie gemacht. Das werde ich nie tun. Das tut schon weh", so Kalla.
Bleibt nur zu hoffen, dass alle Beteiligten schnellstmöglich auf einen gemeinsamen Nenner kommen, damit in Wien bald wieder Eishockey gespielt werden kann.