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Guus van Nes: Auch Niederländer können gut Eishockey spielen

Die Oranje sind nicht unbedingt als Eishockey-Nation bekannt. Doch der Pioneers-Stürmer bringt seine Heimat auf die ICE-Landkarte. Das ist seine Geschichte:

Guus van Nes: Auch Niederländer können gut Eishockey spielen Foto: © GEPA

Dass die Pioneers Vorarlberg in ihrer zweiten Saison in der win2day ICE Hockey League nach einem schwierigen ersten Jahr die Pre-Playoffs erreicht haben, ist an mehreren Faktoren festzumachen.

Natürlich spielt die gewonnene Erfahrung eine Rolle, auch eine gefestigtere Defensive als noch im Vorjahr ist mitunter ein Grund. Aber es ist ganz einfach festzustellen, in welchem Bereich die Feldkircher den größten Sprung gemacht haben: im Toreschießen.

Satte 61 Tore (153 zu 92, Anm.) mehr haben die Vorarlberger im diesjährigen Grunddurchgang erzielt, waren damit die fünftbeste Offensive der gesamten Liga. Neben Top-Torjäger und -Scorer Steven Owre, der nach je 31 Toren und Assists zum MVP der Regular Season gewählt wurde, glänzte auch Guus van Nes.

Der 27-jährige Angreifer bewies in seinem zweiten Jahr in Österreich erneut, dass Niederländer ebenfalls gut Eishockey spielen können. 

LAOLA1 stellt Guus van Nes und seine Geschichte näher vor:

Eishockey eine Randsportart in den Niederlanden

Eishockey wird in den Niederlanden nur von einer geringen Minderheit ausgeübt. Angesichts der großen Historie im Eisschnelllauf und den Erfolgen im Feldhockey würde man meinen, dass der Sport deutlich populärer sein müsste.

Bei einer Einwohnerzahl von rund 17,6 Millionen Menschen sind aber nur 3.552 von ihnen beim Eishockey-Verband gemeldet - 1.808 Männer, 1.237 Junior:innen und 507 Frauen. In Österreich sind es im Vergleich 7.557 Spieler, davon sind 3.607 männlich, 3.333 im Junioren-Alter und 617 Frauen.

Warum das Spiel mit Puck und Schläger im Nordwesten Europas derart klein ist, lässt sich gut an der Zahl der Eislaufhallen ablesen. Laut der IIHF gibt es nämlich nur deren 20. Freiluft-Eisbahnen werden überhaupt keine genutzt, obwohl es in den Niederlanden quasi an jeder Ecke einen Eislaufplatz gibt.

Doch Eishockey wird im Land der Tulpen kaum gefördert, der Verband konkurriert mit jenen im Fußball, Feldhockey und Eisschnelllauf, die die Mehrheit der Athleten anziehen.

"Seitdem habe ich mich darin verliebt und nie wieder aufgehört zu spielen."

Van Nes spielte mit drei Jahren zum ersten Mal Eishockey

2015 musste sogar die Eredivisie, die höchste niederländische Spielklasse eingestampft werden, da die meisten Teams mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatten. Dazu schloss sich mit den Tilburg Trappers der stärkste niederländische Klub der deutschen Oberliga (dritthöchste Spielklasse, Anm.) an. 

Seitdem machen die Niederlande mit Belgien gemeinsame Sache, und so wurde nach dem Aus der Eredivisie die BeNe League gegründet. Aktuell bestreiten neun Teams diese Meisterschaft, Aufmerksamkeit hat sie aber kaum. Die Spiele werden nicht im TV übertragen, stattdessen nehmen ein paar - aber nicht alle - Klubs das Streaming selbst in die Hand. Highlights der Partien gibt es überhaupt nicht.

"Der Sport hat mich nicht losgelassen"

Wie ist van Nes dann zum Eishockey gekommen?

"Ich hatte einen Freund, mit dem ich aufwuchs und wir gingen einmal zu einem Publikums-Eislaufen. Er war ein wirklich guter Eisläufer. Ich fragte ihn, wie er so gut darin geworden sei. Er spielte zufällig Eishockey und so habe ich es mit drei Jahren zum ersten Mal probiert. Seitdem habe ich mich darin verliebt und nie wieder aufgehört zu spielen", erzählt der Offensivmann.

Es hätte zwar Phasen gegeben, in denen er Fußball und Tennis gespielt habe. "Aber Eishockey ist immer geblieben, der Sport hat mich nicht losgelassen."

Geboren und aufgewachsen ist van Nes in Dordrecht, einer Stadt nur rund 20 Kilometer von Rotterdam entfernt. Dort angesiedelt sind die 1977 gegründeten Lions, die heute in der Eerste Divisie (zweithöchste Spielklasse) aktiv sind.

Bei seinem Heimatverein ging der Nationalspieler - seine ältere Schwester Bieke van Nes spielt ebenfalls Eishockey und ist Teil des Frauen-Nationalteams - seine ersten Schritte.

Er sei damals noch ein kleiner Junge gewesen, der einfach versucht habe, so viel wie möglich zu spielen. "Ich hatte nicht unbedingt große Ambitionen. Ich habe einfach das getan, was mir Spaß gemacht hat", sagt er.

Dem Niveau in den Niederlanden entwachsen

Als er älter wurde, zog seine Familie innerhalb der Niederlande um, doch es dauerte nicht lange, bis van Nes nach Dordrecht zurückkehrte. "Dordrecht hat immer einen besonderen Platz in meinem Herzen gehabt. Ich gehe auch jetzt noch jeden Sommer dorthin, um zu trainieren."

Mit 14 Jahren debütierte der Stürmer für das Zweitteam der Lions in der dritthöchsten Spielklasse, erzielte dort beachtliche zwei Tore aus fünf Spielen. Eindhoven Kemphanen, damals in der Eredivisie und damit der höchsten Spielklasse angesiedelt, wurde schnell auf den talentierten Teenager aufmerksam und holte ihn in die fünftgrößte Stadt des Landes. Zumeist kam van Nes aber in der Eerste Divisie für die Eindhoven High Techs zum Einsatz.

"Wenn du das zu deinem Beruf machen willst, wenn du wirklich etwas mit Eishockey machen willst, musst du die Niederlande verlassen."

Sein Coach in Eindhoven zu van Nes

Zwei Jahre verbrachte der wuchtige Linksschütze in Eindhoven, ehe es ihn 2014 über den großen Teich in die USA zog. Warum? "Ich bin dem Niveau in den Niederlanden sozusagen entwachsen", erklärt van Nes, der zu seinem Glück einen Trainer hatte, "der sich dessen auch bewusst war."

"Er sagte: 'Hör zu, wenn du das zu deinem Beruf machen willst, wenn du wirklich etwas mit Eishockey machen willst, musst du die Niederlande verlassen.' Als er das sagte, wurde mir klar, dass es Zeit war, zu gehen", führt van Nes aus.

Neben den USA sei auch ein Engagement in Deutschland eine Option gewesen. "Ich wäre nach Köln gegangen, aber das Problem war, dass die "Gastfamilie" ein alleinerziehender Vater war, der viel unterwegs war. Meine Mutter sagte: 'Du bist erst 17 Jahre alt. Ich will nicht, dass du die meiste Zeit alleine lebst.' Das war der Auslöser dafür, dass ich in die USA ging, wo ich eine großartige Gastfamilie hatte."

Große Skepsis in den USA: "Was ist das für ein Typ?"

Der Niederländer kam in der U18-Mannschaft der Boston Jr. Bruins, einem Team in der United States Premier Hockey League (USPHL), unter, das allerdings nicht in direkter Verbindung mit der NHL-Franchise steht. 

Die Skepsis seiner amerikanischen Teamkollegen war anfangs groß. "Sie dachten alle: 'Was ist das für ein Typ?' Ich musste mich definitiv beweisen."

Was ihm auch gelang: 27 Punkte aus 27 Spielen lautete seine Ausbeute zum Saisonende. Trotzdem hätte es eine Weile gedauert, bis seine Mannschaftskameraden gemerkt hätten: "Okay, der Typ kommt aus den Niederlanden, aber er kann spielen." 

Das sei später am College - van Nes spielte vier Jahre für die Boston Junior Bruins, ehe er an die Quinnipiac University wechselte - nicht anders gewesen.

Er meint sogar: "Ich glaube, das war in meiner ganzen Karriere so. Ich musste immer einen kleinen Extraschritt machen, aber ich habe kein Problem damit, das zu tun", ist seine professionelle Einstellung deutlich hörbar, die ihm in seiner letzten Boston-Saison den Award für den "Offensive Player of the Year" einbrachte.

Van Nes lernte die USA in seinen acht Jahren, die er dort verbrachte, zu lieben. "Mir gefällt es dort sehr gut, ich habe viele Freunde."

Sofort Feuer und Flamme für die Pioneers

Aber im Herbst 2022 war es Zeit, nach Europa zurückzukehren.

Weshalb? "Ich habe die Saison in Iowa (bei den Heartlanders in der ECHL, Anm.) begonnen. Ich war dort nicht glücklich, habe nicht viel gespielt und es hat mir dort einfach nicht gefallen."

Van Nes im Zweikampf mit Salzburgs Nissner
Foto: © GEPA

Der 27-Jährige sah sich nach einer neuen Aufgabe um und wurde in Österreich fündig. "Die Pioneers haben angeklopft, die Entscheidung ist mir dann leicht gefallen. Ich habe mich an einem Donnerstag entschieden zu gehen und am Sonntag saß ich schon im Flugzeug nach Österreich", lacht er und ist "auf jeden Fall froh", dass er nach Feldkirch gewechselt ist.

Zu Beginn gab es noch die altbekannten Probleme zu bewältigen, die auch einen europäischen Crack nach vielen Jahren in Nordamerika einholen: das Adaptieren an die größere Eisfläche. "Ich habe definitiv eine Weile gebraucht, aber die größere Eisfläche passt viel besser zu meiner Spielweise."

"Das ist die Geschichte meines Lebens"

Mit einer Körpergröße von 1,90 Meter und 93 Kilogramm ist van Nes nicht nur um das Tor herum gefährlich, er ist vor allem ein ausgezeichneter Passgeber. 33 Tore bereitete der Niederländer im Grunddurchgang vor, eine Unzahl davon für Linienkollege Owre.

Gemeinsam mit dem routinierten Daniel Woger sorgt das Trio für jede Menge Unruhe in den gegnerischen Abwehrreihen. Warum das Zusammenspiel so gut funktioniert?

"Steven ist ein großartiger Torjäger. Er kann von überall auf dem Eis Tore schießen, es ist eine große Bereicherung, wenn man so einen Spieler an seiner Seite hat. 'Wogi' arbeitet hart, versucht den Puck zu bekommen. Er macht auch tolle Plays. Insgesamt haben wir uns sehr gut ergänzt", so van Nes, der seinen Beitrag zur Linie gar nicht erläuterte.

Dass er als siebtbester Scorer des Grunddurchgangs durchaus auch Stolz auf seine Leistung sein könne, weiß er zu schätzen. "Es gibt nicht allzu viele gute niederländische Spieler, aber das ist die Geschichte meines Lebens", bleibt er bodenständig.

Warum es diese Saison besser läuft

Und spricht stattdessen lieber über die Unterschiede zwischen der letzten und der laufenden Saison. Wobei die Gründe für ihn gar nicht so leicht zu erläutern sind.

"Ich denke, dass wir dieses Jahr als Gruppe wirklich an unsere Spielweise glauben. Wir haben gute Arbeit geleistet, indem wir uns an unseren Standard gehalten haben. Wir bringen mehr von unserem Spiel auf das Eis, das ist der größte Unterschied", betont der Angreifer.

Angesprochen auf den Einfluss von Head Coach Dylan Stanley im Vergleich zu Vorjahres-Trainer Marc Habscheid, unter dem die Pioneers den Grunddurchgang als Letzter beendeten, will van Nes kein schlechtes Wort verlieren.

"Ich kann nur Gutes über sie sagen, habe von ihnen eine Menge gelernt. Ich glaube, dieses Jahr hat es einfach ein bisschen besser funktioniert. Es ist das zweite Jahr der Organisation, das hilft auch."

Pre-Playoffs, vielleicht sogar Playoffs - und dann?

Wie weit die Reise noch gehen wird, zeigt sich in den nächsten Tagen. Schon jetzt ist die zweite Saison als großer Erfolg abzustempeln, einen Pre-Playoff-Platz hatten den Pioneers zum Saisonstart nur wenige zugetraut.

Dass man am Dienstag in Spiel 2 der Pre-Playoffs daheim gegen den HC Innsbruck (19:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>) sogar den Einzug in die Playoffs fixieren kann, daran haben vor einigen Monaten wohl nur die kühnsten Optimisten geglaubt.

"Ich möchte immer wachsen und wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich sie auf jeden Fall wahrnehmen."

Guus van Nes

Die gute Spielzeit weckt bei den Spielern aber natürlich Begehrlichkeiten, besonders für Owre und van Nes wird es einige Angebote geben. Damit will sich letzterer aber noch nicht befassen.

"Ich weiß nicht genau, was ich tun werde, bin für viele verschiedene Optionen offen. Aber das Reden überlasse ich meinem Agenten, ich will mich nicht zu sehr einmischen", lächelt der sympathische Niederländer.

Aber eine Präferenz muss er doch haben - will er in der ICE Hockey League bleiben? Vielleicht mit 27 Jahren doch den Schritt nach Deutschland gehen? Oder würde ihn Skandinavien reizen?

Van Nes winkt ab und hält fest: "Ich habe immer das Bestreben, besser zu werden. So bin ich nun mal. Ich möchte immer wachsen und wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich sie auf jeden Fall wahrnehmen."


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