Der Grunddurchgang in der win2day ICE Hockey League biegt in die finale Phase ein und ist an Spannung kaum zu überbieten.
Vier Teams stehen bereits sicher in den Playoffs, die Vienna Capitals, der KAC und die Black Wings Linz fighten dagegen um zwei noch zu vergebende Tickets. Lediglich ein Punkt trennt das Trio, ein klarer Favorit ist aufgrund der schwierigen Restprogramme nicht auszumachen.
Die Capitals haben ihr Schicksal noch am ehesten selbst in der Hand, betont Franz Kalla im LAOLA1-Interview.
Der General Manager spricht außerdem über die vielen Ups und Downs in dieser Saison, warum die Wiener in den Verhandlungen mit Ben Finkelstein und Co. "kein Limit überschreiten werden" und wie hoch die Chancen stehen, dass Head Coach Dave Barr auch im kommenden Jahr hinter der Bande steht:
LAOLA1: Vier Spiele stehen bis zum Ende des Grunddurchgangs noch an. Die Vienna Capitals liegen aktuell auf dem fünften Platz, der Vorsprung auf die Black Wings Linz auf Rang sieben beträgt aber nur einen Punkt. Wie sehr hat das Nervenkostüm zuletzt schon gelitten?
Franz Kalla: Alle wollen eine spannende Meisterschaft, und es ist spannend. Natürlich ist es so, dass man im Rückblick froh ist, wenn man es über den Strich geschafft hat. Aber es sind noch vier Runden zu spielen. Wir wissen erst am 26. Februar, wie es ausgegangen ist.
LAOLA1: Wie fällt Ihr bisheriges Saison-Resümee vor den letzten vier Runden aus?
Kalla: Das ist unterschiedlich zu sehen. Die Mannschaft hat heuer mit wirklich großen und langen Verletzungen zu kämpfen gehabt. Es hat uns deutlich mehr erwischt, wir haben aktuell noch einige Stammkräfte, die fehlen. Das spürt man. Ich kenne nur einen weiteren Verein in der Liga, der so lange und nachhaltig getroffen wurde. Das war eine große Hürde, mit der wir heuer zu kämpfen gehabt haben. Das zweite war natürlich zwei Mal der Ausfall der Kühlanlage, wo die Mannschaft extrem belastet wurde. Insgesamt viel unvorhergesehenes, man ist gut umgegangen mit den Schwierigkeiten und in den Playoffs beginnt die Saison sowieso von neu.
LAOLA1: Sind das vielleicht die Gründe, warum die Capitals noch um den fixen Playoff-Einzug zittern müssen?
Kalla: Die Gründe sind für mich, dass die Liga eine extrem starke ist. Das muss man unabhängig sehen. Ich sehe ja, dass die Mannschaft mit den Schwierigkeiten sehr gut umgegangen ist. Wir konnten die Verletzungen kompensieren, haben im Dezember phasenweise mit drei U20-Spielern in der vierten Linie gespielt – nicht nur in einem Spiel, sondern über längere Zeit. Wenn man die Liga anschaut, gibt es jede Runde Überraschungen. Jeder kann Jeden schlagen. Das ist das, was man will. Wir wollen eine interessante Liga und es ist ein sportlich fairer Kampf. Bozen ist heute ganz vorne in der Liga, die sind letztes Jahr nicht einmal in die Playoffs gekommen.
LAOLA1: Aber gab es heuer nicht auch zu viele Ups and Downs? Die einzige längere Siegesserie gab es im Oktober, als fünf Spiele in Folge gewonnen wurden. Ansonsten wechselten Siege und Niederlagen einander ab.
Kalla: Es gibt sehr viele Einflussfaktoren, die das begründen. Ich kenne mit Ausnahme der ersten drei Mannschaften kaum eine Mannschaft, die solche Serien gehabt hat. Das ist auch gut so, wir wollen das. Wenn man sich ansieht: die Spiele sind spannender, attraktiv und die Zuschauerzahlen steigen in allen Hallen. Das ist das, was der Fan und wir alle wollen – eine spannende Meisterschaft.
VIDEO: Franz Kalla über die Chancen im Playoff-Kampf
LAOLA1: Dass jeder jeden schlagen kann, mussten die Capitals kurz vor dem Nationalteam-Break bei der 1:3-Niederlage gegen Olimpija Ljubljana erfahren. War dieses Spiel ein Weckruf zur richtigen Zeit?
Kalla: Wir besprechen die Dinge natürlich intern. Das ist das spannende und das schöne in der Liga, dass jeder jeden schlagen kann. Es kommt ein Gegner nach Wien, der absolut nichts zu verlieren hat, wo der Spielverlauf dem Gegner auch in die Hände spielt. Ich drehe es um: Ich erinnere mich zurück an die letzte Saison, wo wir Viertelfinal-Spiel 7 gegen den KAC gespielt haben. Elf Stammkräfte fehlen, beide Coaches sind nicht da und wir gewinnen ein Spiel, wo wahrscheinlich die wenigsten auf uns gesetzt haben. Es ist oft sehr schwierig und man sieht es immer wieder im Sport: Wenn man etwas unterschätzt, dann ist das schon die erste Abzweigung in die falsche Richtung. Das ist uns wahrscheinlich auch im Ljubljana-Spiel passiert.
LAOLA1: Der Sieg am letzten Dienstag gegen die Black Wings Linz war dagegen essenziell, sonst wäre der Playoff-Zug wohl abgefahren gewesen.
Kalla: Wenn man die Saison im Rückspiegel betrachtet, die Mannschaft hat immer wieder in entscheidenden Phasen gewusst, diesen Schalter umzulegen. Ich erinnere mich sehr gut an ein Spiel nach der Weihnachtspause gegen Fehervar, das war auch so ein"Sechs-Punkte-Spiel". Die Mannschaft ist in Fehervar souverän aufgetreten, was ein sehr schwieriger Spielort ist. Die Fans sind dort extrem enthusiastisch. Das zeigt den Charakter der Mannschaft, sie sind mit den Schwierigkeiten gut umgegangen. Die Chemie stimmt. Jeder hat am Dienstag gesehen, dass wir diesen Sieg wollten, die Mannschaft war sehr motiviert und hat die notwendigen Dinge gemacht. Ohne einer kleinen Unachtsamkeit im ersten Drittel wäre es glaube ich noch deutlicher ausgefallen.
LAOLA1: Wie schätzen Sie die Chancen auf den Playoff-Einzug ein?
Kalla: Das Gute ist, und darauf fokussieren wir uns: Wir haben es selbst in der Hand. Es ist sehr eng und wird auch bis zum Schluss spannend bleiben. Linz spielt noch direkt gegen den KAC, die nehmen sich einmal Punkte weg. Das ist sicher ein Vorteil. Wir schauen aber nicht zu sehr auf die anderen, sondern auf unsere eigenen Leistungen. Das ist das, was am Ende des Tages entscheiden wird. Wir können nicht beeinflussen, wie die anderen spielen, aber wir haben es selbst in der Hand und können uns auf unsere eigenen Leistungen fokussieren. Und ich glaube, das ist ein kleiner Vorteil.
LAOLA1: Ich zeichne einmal das negative Szenario: Die Capitals schaffen den direkten Playoff-Einzug nicht und müssen über die Pre-Playoffs gehen. Welchen Vorteil könnte dieser Weg vielleicht sogar bieten?
"Was immer eine Zielsetzung von uns ist, ist Spieler zu entwickeln und einzubauen. Auch heuer haben wir wieder deutliche Schritte nach vorne gemacht."
Kalla: Es gibt für alles ein Für und ein Wider. Manche sagen, es ist ein Vorteil, man bleibt im Spielrhythmus. Andere sagen wieder, es ist gut, dass die Mannschaft noch eine Pause bekommt. Man kann Verletzungen auskurieren. Es ist genauso beim Pick. Ich kenne kaum einen Trainer, der sich über den Pick gefreut hat, weil er einfach den Druck erhöht. Man hat immer den Druck, dass man sich seinen Gegner ausgesucht hat. Das ist eine schwierige Belastung. Der andere sagt wieder, es ist ein Vorteil wenn ich gepickt oder nicht gepickt werde. Darum geht es auch, das macht diese Zeit besonders spannend. Am Ende des Tages lehrt uns die Geschichte, was der Vorteil war oder auch nicht. Ich denke auch, wenn wir in die Pre-Playoffs gehen würden, dass wir mit dem Heimvorteil in den Spielen definitiv noch im Vorteil sind. Ob es dann ein Vorteil ist oder nicht, das kann ich dann am Ende der Saison beantworten. Wir waren noch nicht in der Situation, aber als Beispiel: Auch der KAC hat in der letzten Saison gegen Bozen in den Pre-Playoffs gespielt, so viel zur Spannung. Das sind Top-Teams. Das ist der Sport und das Schöne daran.
LAOLA1: Ungeachtet des weiteren Saisonverlaufs: Wie glücklich sind Sie denn insgesamt mit den Leistungen der Mannschaft heuer?
Kalla: Man muss die Dinge immer etwas differenzieren. Was immer eine Zielsetzung von uns ist, ist Spieler zu entwickeln und einzubauen. Auch heuer haben wir wieder deutliche Schritte nach vorne gemacht. Bernhard Posch in der Verteidigung hat sehr viele Spiele bekommen und viel Eiszeit. Jemand, der vielleicht noch nicht dieses Niveau in dieser Saison gehabt hat, war Mathias Böhm. Ein U20-Spieler, der bei der WM nicht einmal berücksichtigt wurde, und in der vierten Linie immer wieder aufzeigt, viel Eiszeit und Vertrauen bekommt. Man kann jetzt nicht jedes Jahr fünf, sechs, sieben, acht oder zehn Spieler entwickeln. Wir haben sehr vielen jungen Spielern zu Einsätzen verholfen - ob das jetzt ein Daniel Aschauer ist, Nils Granitz oder beide Widhalms, die immer wieder dabei sind. Hier ist der Trend und der Weg nach wie vor ein sehr guter. Die Leistungsträger und Imports, also Spieler, die spielentscheidende Situationen haben – ein James Sheppard war leider lange verletzt - da kann man sagen, die haben in wichtigen Phasen immer wieder aufgezeigt. Insgesamt kann man mit der Entwicklung der Mannschaft zufrieden sein.
LAOLA1: Als Glücksgriff hat sich Ben Finkelstein erwiesen. Wie seid ihr auf ihn gestoßen?
Kalla: Der Name ist uns schon länger geläufig, er war auch schon im letzten Jahr immer wieder auf unserem Radar. Wir haben ihn immer wieder beobachtet und der Ben hat am Beginn der Saison noch in der AHL gespielt. Er ist so ein Borderline-Spieler, der zwischen ECHL und AHL wechselt. Wir hatten über Spieler, die aktuell in der Mannschaft sind, Kontakte zu ihm. Gott sei Dank konnten wir ihn irgendwann überzeugen, dass er den Sprung nach Europa wagt. Hier gibt es auch mehrere Verflechtungen zum Ben hin. Im College war er mit Graham McPhee (spielte 2020/21 in 21 Spielen für die Capitals, Anm.) in Boston. Wir haben viele Kontakte in diese Richtung gehabt.
LAOLA1: Mit Darik Angeli ist kürzlich noch ein Import-Angreifer zur Mannschaft gestoßen, wodurch allerdings die Linienkonstellation durcheinandergewirbelt wurden. Das sorgte wiederum für viel Unverständnis. Warum wurde er geholt?
Kalla: Wenn man Richtung Playoffs geht, will man einen tiefen Kader haben. Wir hatten alleine letzte Woche in zwei Trainings zwei verletzte Spieler. Das ist Dominic Hackl, der am Pfeifferschen Drüsenfieber leidet. Ob und wann er zurückkehren wird, ist eine riesige Unbekannte. Ein Sascha Bauer mit einer Unterkörperverletzung, ein Yannic Pilloni mit einer Oberkörperverletzung, die ihn schon lange vorher gequält hat. Ein Christof Kromp, der immer noch rekonvaleszent ist. Das sind alleine fünf gestandene Spieler. Dass man hier Tiefe aufbauen möchte, ist klar. Ich kenne so ziemlich keinen Verein, der in den letzten zwei Wochen nicht nach einer Verstärkung gesucht oder jemanden nachverpflichtet hat, wenn es sich ergeben hat. Das war auch bei uns eine Entscheidung, auf Tiefe zu setzen.
VIDEO: Franz Kalla äußert sich zu den Kader-Planungen für die kommende Saison
LAOLA1: Seit 15. Februar können keine weiteren Spieler mehr für diese Saison unter Vertrag genommen werden, dafür werden aber die Gespräche für das kommende Jahr voll anlaufen. Gibt es bereits einen Plan, wie das Grundgerüst aussehen soll?
Kalla: Man beginnt immer rund um Weihnachten und Neujahr, sich Gedanken darüber zu machen. Wir nutzen aber auch traditionell die Playoffs dazu. Das ist nämlich die Nagelprobe. Wie ich gekommen bin, daran kann ich mich noch gut erinnern, waren die Vorwürfe immer wieder: Im Grunddurchgang seid ihr immer Erster oder Zweiter, in den Playoffs geht euch aber die Luft aus. Auch aus dieser Lehre heraus haben wir uns eigentlich seit vielen Jahren dazu entschieden, diesen Weg nach vorne zu gehen. Wird es Spieler geben, die den Verein verlassen werden? Mit Sicherheit. Ein Ben Finkelstein beispielsweise ist nicht nur den Fans aufgefallen, sondern auch vielen anderen. Wird man versuchen, ihn zu halten? Wenn es geht, dann ja. Warum sollte man einen Spieler, mit dem man zufrieden ist, gehen lassen? Aber es ist auch eine Frage der Möglichkeiten. Das muss man immer in allen Richtungen abwiegen. Wir planen und haben Überlegungen, beobachten auch, was außerhalb der Organisation passiert. Aber wir sind nicht unvorbereitet wenn es darum geht, die nächste Saison anzugehen.
LAOLA1: Um Beispiele zu nennen: Würde man für Finkelstein oder Matt Bradley über die Grenze hinausgehen?
Kalla: Das ist eine Vorgabe, die seit vielen Jahren gepflegt wird im Verein. Ich glaube, wir haben unseren Schwerpunkt gesetzt, in dem wir junge Spieler entwickeln. Ich behaupte mit Fug und Recht, dass es kaum einen Verein in der Liga gibt, der so viele junge Spieler entwickelt und in die Liga gebracht hat. Das ist ein Schwerpunkt von uns. Nein, wir werden kein Limit überschreiten. Das war nie eine Diskussion, sondern wir führen den Verein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
LAOLA1: Wie sieht es bei Head Coach Dave Barr aus? Bei ihm war die Familie, die immer noch in Nordamerika lebt, schon im letzten Sommer ein großes Thema.
Kalla: Dave ist nicht der erste Coach, der so etwas erlebt. Ich kann mich gut an solche Situationen erinnern. Ein Dave Cameron hat zehn Tage vor der Saison angerufen und aus familiären und privaten Gründen um Vertragsauflösung gebeten. Sag niemals nie. Ich glaube, wir haben ein sehr gutes Einvernehmen. Es ist keine leichte Situation für jemanden, dessen Ehefrau in Nordamerika arbeitet. Sie ist selbstständig, kann ihren Lebensmittelpunkt nicht so leicht nach Österreich verlegen. Dave fühlt sich in Wien wohl, das hat er immer wieder betont. Auch hier ist glaube ich alles offen. Wie sich jemand entscheidet, egal ob Spieler oder Trainer, liegt nicht in unserer Hand. Wir können nur versuchen, unsere Möglichkeiten auf den Tisch zu legen und ich denke wenn, wird es auf alle Fälle ein sehr faires und gutes Gespräch geben.
LAOLA1: Gibt es eine Deadline, bis zu welcher eine Unterschrift erfolgen muss, um ein ähnliches Szenario wie 2021 bei Dave Cameron zu verhindern?
Kalla: Definitiv! Ich bin froh, dass wir Dave Barr gefunden haben. Es ist ein absolutes Horror-Szenario zehn Tage vor Beginn, wo alles fertig ist und die Planungen abgeschlossen sind, so einen Trainerwechsel zu vollziehen. Es ist geglückt, wie man gesehen hat, wir haben aber auch sehr gekämpft damit. Man hat es damals in den Ergebnissen der Vorbereitung gesehen, so etwas muss man vermeiden. Das ist keine seriöse Planung. Es wird daher Deadlines geben, die wir intern besprechen. Dave hat sich letztes Jahr in dieser "Problem-Situation" sehr fair verhalten, wir haben früh eine Lösung gefunden. So wird es wahrscheinlich auch heuer sein.