Bei den Vienna Capitals hört seit diesem Sommer alles auf Marc Habscheid.
Der 60-jährige Kanadier hat die Nachfolge von Dave Barr als Head Coach angetreten, der Wien aus familiären Gründen verlassen musste und wieder nach Nordamerika zurückkehrte. Inzwischen ist Habscheids zwei Jahre älterer Landsmann in der American Hockey League (AHL) bei den Chicago Wolves untergekommen.
Unter Barr zogen die Hauptstädter zweimal in Folge ins Halbfinale der win2day ICE Hockey League ein, bei den Fans war er aufgrund seiner zugänglichen Art beliebt. Mit Habscheid wurde zumindest in dieser Hinsicht ein passender Ersatz gefunden, der die Liga zudem aus seinem ersten Europa-Jahr bei den Pioneers Vorarlberg kennt.
Mit dem Liga-Neuling fuhr der frühere NHL-Spieler achtbare Erfolge ein, je zwei Siege wurden gegen Rekordmeister KAC und Vize-Champion Bozen eingefahren. Auch Meister Red Bull Salzburg oder die Black Wings Linz mussten sich in direkten Duellen geschlagen geben.
Für seine Zeit in Vorarlberg zeigt sich Habscheid nach dem ersten offiziellen Caps-Eistraining gegenüber LAOLA1 dankbar: "Es war eine großartige Erfahrung, sie haben mich nach Europa gebracht, was ich wollte."
Wie sein großer Europa-Wunsch 2022 endlich wahr wurde
Schon vor rund 20 Jahren reifte im Nordamerikaner der Wunsch, eines Tages ein europäisches Team zu trainieren. Seine Eltern sind in Luxemburg geboren, Habscheid selbst kam in Saskatchewan auf die Welt, ehe er 2005 den luxemburgischen Pass erhielt.
"Ich liebe Europa. Ich habe hier viel Zeit als Spieler und Trainer von Team Canada verbracht. Ich wusste immer, dass ich Trainer in Europa werden wollte", erzählt der 60-Jährige. Als Profi spielte Habscheid zum Ende seiner Laufbahn in Bern, Zug und Augsburg. Als kanadischer Head Coach holte er 2005 bei der WM in Österreich die Silbermedaille.
Dass der neue Capitals-Coach erst im Vorjahr einen Job in Europa angenommen hat, hatte bestimmte Gründe. "Ich wollte mich nie nach einem Job umsehen, bevor die Saison meines Teams vorbei war. Ich trainierte aber gute Teams, wir sind weit gekommen, und als die Saison vorbei war, waren alle Jobs in Europa bereits vergeben."
Doch letzten Sommer änderte sich das. "Ich besuchte einen Freund in Palm Springs und plötzlich klingelte das Telefon", verrät der Kanadier. Es gebe ein Team in Vorarlberg, das erst spät in die Liga einsteigt und einen Trainer bräuchte - ob er Interesse hätte, wurde Habscheid abschließend gefragt. "Und ich sagte: unbedingt!"
Der Talente-Förderer, für den das Team im Vordergrund steht
Bevor der 345-fache NHL-Spieler seine Heimat verließ, machte er sich in Kanada über Jahrzehnte hinweg einen Namen als Talente-Förderer.
Von 2014 bis 2022 stand Habscheid bei den Prince Albert Raiders aus der Western Hockey League (WHL) hinter der Bande, auch die Victoria Royals, Chilliwack Bruins, Kelowna Rockets und Kamloops Blazers stehen in seiner Vita.
Sowohl mit den Raiders (2019) als auch den Rockets (2003) wurde er WHL-Champion, mit letzteren gewann er 2004 sogar den Memorial Cup der Canadian Hockey League. Zwei Auszeichnungen als WHL-Trainer des Jahres darf Habscheid ebenfalls sein Eigen nennen.
Der Kanadier passt also perfekt zum "Wiener Weg", den die Capitals seit rund zehn Jahren forcieren und bei dem jährlich die größten Talente der Organisation in den Profi-Betrieb integriert werden sollen.
Was macht für Habscheid die Arbeit mit jungen Cracks so besonders? "Sie haben nicht nur körperlich noch einiges vor sich, sondern auch, wie sie das Spiel und das Leben sehen. Das Einzige, was ich diesen Jungs voraus habe, ist, dass ich weiser bin. Ich bin 60 Jahre alt. Als ich das letzte Mal unseren Kader überprüft habe, war niemand 60 Jahre alt. Ich denke also, das beste Geschenk, das ich ihnen machen kann, ist einfach meine Lebenserfahrung oder meine Erfahrungen im Spiel, was zu tun ist, weiterzugeben."
"Aber manchmal stellen sich die Jungs selbst vor das Team. Und wenn sie das bei mir tun, werden sie feststellen, dass das einfach nicht funktioniert. Das wird nicht passieren."
Doch nicht nur den aufstrebenden Talenten will er seine Lebensweisheiten weitergeben, auch die Routiniers sollen davon profitieren. "Selbst bei den Älteren gibt es verschiedene Arten, Dinge zu tun, und verschiedene Perspektiven auf das Spiel und das Leben im Allgemeinen. Und wenn man ihnen dabei hilft, ein besserer Mensch zu werden, dann hat man auch einen besseren Hockeyspieler an der Hand", erklärt Habscheid.
Besonders wichtig ist ihm ein funktionierendes Teamgefüge. "Ich habe genug trainiert und gespielt. Wenn man als Gruppe zusammen spielt, hat man die besten Chancen, erfolgreich zu sein. Und wenn das Team erfolgreich ist, gewinnt auch der Einzelne", weiß der Übungsleiter, der zudem seine Cracks warnt:
"Aber manchmal stellen sich die Jungs selbst vor das Team. Und wenn sie das bei mir tun, werden sie feststellen, dass das einfach nicht funktioniert. Das wird nicht passieren. Es wird also ein eingespieltes Team sein, aber das braucht Zeit. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut."
Schnelles und druckvolles Spiel
Ebenfalls Geduld bedarf es zumindest in den ersten Wochen bei der Implementierung des eigenen Spielstils - wobei sich dieser nicht großartig von jenem unter Ex-Coach Dave Barr unterscheiden wird.
Habscheid erklärt: "Ich möchte schnell spielen, aber das braucht eine Weile. Es gibt ein paar technische Dinge, die ich ändern möchte. Ich möchte einfach mehr Spielfluss, mehr Geschwindigkeit, mehr Bewegung mit dem Puck und mehr Energie."
Immerhin habe jeder Coach "seine eigene Vorstellung davon, wie das Spiel zu spielen ist", auch wenn Barr ein guter Freund sei. Die beiden Trainer kennen sich noch aus ihrer Zeit bei den Detroit Red Wings, für die der Center (Habscheid) und der Winger (Barr) zwischen 1989 und 1991 gemeinsam aufliefen, und hatten auch vor Habscheids Ankunft in Wien Kontakt.
Dabei dürfte der Ex-Coach seinem Nachfolger bestimmt über die enthusiastischen Fans berichtet haben, die schon beim ersten Eistraining ordentlich Wirbel machten - Feuerwerk bei der Ankunft des Teams inklusive. "Die Fans sind großartig und ein großer Teil davon. Einer der Jungs aus Nordamerika sagte, dass er sowas noch nie gesehen hat."
Auch der Übungsleiter selbst war vom Empfang überwältigt. "Ich habe das Feuerwerk geliebt. Das war ein Teil meines Wunsches, nach Europa zu kommen. In Nordamerika gibt es sowas nicht. Ich meine, es ist Anfang August und die Leute machen Stimmung, als wäre es das siebte Finalspiel."
"Es ist großartig, das ist es wirklich. Ich denke, die Liga leistet gute Arbeit. Auch jedes einzelne Team leistet gute Arbeit. Aber es gibt noch Raum, um den Sport größer zu machen."
Niveau der Liga ist "großartig", der Eishockey-Sport kann aber noch wachsen
Die Fan-Unterstützung sei für die Spieler essenziell. "Es zeigt, dass es den Leuten wichtig ist. Es lässt die Spieler noch härter arbeiten", betont Habscheid. Der selbst schon seit einiger Zeit in der Bundeshauptstadt weilt, sich dadurch etwas eingewöhnen konnte.
Von den Gegebenheiten zeigt sich der 60-Jährige beeindruckt, wie auch vom Niveau der ICE Hockey League. "Es ist großartig, das ist es wirklich. Ich denke, die Liga leistet gute Arbeit. Auch jedes einzelne Team leistet gute Arbeit. Aber es gibt noch Raum, um den Sport größer zu machen."
Habscheid sieht dafür die Spieler und Trainer in der Pflicht. "Wir tragen dazu bei, dass der Sport wächst, in dem wir Interviews geben, auf die Fans zugehen und helfen, ihn an der Basis zu fördern."
Sein Blick richtet sich nach Deutschland und in die Schweiz, die in den letzten Jahren vor allem auf internationaler Ebene aufzeigen konnten. "Es gibt keinen Grund, warum wir es in Österreich nicht auch schaffen können. Und es sind nur kleine Schritte, um dorthin zu gelangen."