Nur wenige Wochen ist es her, da konnte ÖEHV-U20- und Vienna-Capitals-Torhüter Sebastian Wraneschitz bei den "World Juniors" in Kanada von sich reden machen.
Vor allem das 0:4 gegen Schweden wird wohl jedem Eishockey-Fan nachhaltig im Gedächtnis bleiben, brachte der Wiener, die "Tre Kronor", doch mit 61 (!) Saves zur Verzweiflung. Nach diesem Spiel, das man durchaus als bisherige Sternstunde des 18-Jährigen bezeichnen kann, überschlugen sich weltweit die Medien vor Lob.
Doch der Goalie blieb ruhig, ließ sich davon nicht beeinflussen und stellt in Österreichs Kasten weiter gewohnt seinen Mann. Auch in der ICE Hockey League konnte er bislang vollends überzeugen und das in seiner Debüt-Saison.
Wraneschitz verrät im LAOLA1-Interview, warum solche Spiele wie bei der U20-WM im Endeffekt wie alle anderen sind. Außerdem gewährt er einen Einblick in seine späten ersten Karriereschritte, spricht über sein Jahr im Ausland, wie er sich in der Corona-Pandemie fit hält, sein Profi-Debüt bei den spusu Vienna Capitals und den Traum, eines Tages in der NHL zu spielen.
(Text wird unter dem Video fortgesetzt.)
LAOLA1: Sebastian, du hast in den vergangenen Wochen einiges erlebt – viel Lob prasselte aufgrund deiner sensationellen Leistungen bei der U20-WM auf dich ein. Wie hast du das alles verarbeitet?
Sebastian Wraneschitz: Ich habe wirklich nur versucht, mich auf die Spiele zu konzentrieren und alles andere, wie zum Beispiel Social Media, so gut wie möglich auszublenden. Ich habe das Ganze auch sehr gut abgeschirmt und vor allem nicht in mich rein gelassen – vor allem die Lobeshymnen und die ganzen Social-Media-Posts. Aber es war auf jeden Fall eine richtig geile Zeit und hat mega viel Spaß gemacht.
LAOLA1: Du musstest dich über 60 Schüssen pro Spiel entgegenstellen, das ist ungefähr doppelt so viel wie in der Liga oder wahrscheinlich auch im Training. Wie erging es dir körperlich?
Wraneschitz: Also um ehrlich zu sein - im Spiel selbst habe ich das gar nicht so mitbekommen. Man fokussiert sich halt so auf die Scheibe und auf den nächsten Schuss, dass man nicht wirklich die Schüsse zählt oder mitbekommt, wie viel man eigentlich macht. Aber im Endeffekt ist es ein Spiel wie jedes andere, nur mit etwas mehr Arbeit halt (schmunzelt).
LAOLA1: Wie war es dann gegen die USA, wo du nach 50 Spielminuten wegen Krampferscheinungen vom Eis musstest? War die Belastung einfach zu hoch?
Wraneschitz: Ich fand es natürlich sehr schade, weil ich hätte das Spiel sehr gerne zu Ende gespielt. Am Anfang des dritten Drittels habe ich schon Krämpfe bemerkt und dann bei dem Schuss, wo ich einfach liegen geblieben bin, da hat's halt einfach zugemacht.
LAOLA1: Lag das im Endeffekt auch am hohen Spiel-Tempo oder den vielen Torschüssen der US-Amerikaner, dem späteren Weltmeister?
Wraneschitz: Ich würde das jetzt nicht unbedingt daran festnageln. Ich finde es einfach sehr schade, dass meine Beine angefangen haben zu krampfen – dagegen kann ich jetzt aber auch nichts mehr machen.
LAOLA1: Euer U20-Trainer Marco Pewal hat bekanntermaßen vom VSV keine Freigabe für die WM in Edmonton bekommen. Daraufhin sprang A-Nationalteamtrainer Roger Bader ein – wie lief die gesamte Vorbereitung unter ihm ab?
Wraneschitz: Ich finde, ganz gut eigentlich. Ich habe zwar generell nicht so viel mit den Head Coaches zu tun, arbeite da viel mehr mit dem Torwart-Trainer Jürgen Penker zusammen. Aber im Gesamten hat das schon sehr gut gepasst.
LAOLA1: Wann hast du erfahren, dass Roger Bader auf dich als Stammtorhüter für die WM setzt?
Wraneschitz: Gesagt haben sie es mir ein paar Tage vor dem Spiel gegen die USA. Ich habe natürlich darauf hingearbeitet, dass ich der Einser-Torhüter bin und habe mich auch so vorbereitet, dass ich jedes Match spiele.
Am Ende des Tages darf man dem Gegner halt nicht zu viel Respekt geben. Du darfst jetzt nicht sagen: "Boah, das ist ein First-Rounder"
LAOLA1: Wie war es auch für dich gegen Top-Talente, die in Zukunft auch in der NHL zu sehen sein werden, zu spielen? Kannst du daraus auch etwas mitnehmen?
Wraneschitz: Ich fand es natürlich unglaublich cool zu wissen, dass man gegen solche Leute antritt. Am Ende des Tages darf man dem Gegner halt nicht zu viel Respekt geben. Du darfst jetzt nicht sagen: Boah, das ist ein First-Rounder – ich glaube schon, dass du einfach auch das Spiel spielen musst und dir nicht so viele Gedanken machen sollst, wer deine Gegner sind.
LAOLA1: Machen wir ein paar Schritte zurück in die Vergangenheit – wann war für dich eigentlich klar, dass du Eishockey-Spieler bzw. -Tormann werden willst? War das immer schon dein großer Wunsch oder hat sich das erst mit der Zeit ergeben?
Wraneschitz: Nein, also angefangen habe ich ja erst relativ spät, so mit zehn Jahren. Seitdem wollte ich eigentlich Eishockey-Torwart werden.
LAOLA1: War dein Potenzial bereits früh erkennbar?
Wraneschitz: (schmunzelt) Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht.
LAOLA1: Aber du warst ja doch stetig ein "Underager", hast bereits im Alter von 14 Jahren in der Saison 2016/17 der damaligen EBJL (Erste Bank Juniors League) dein Debüt für die U18-Mannschaft der Vienna Capitals gegeben, nur ein Jahr später warst du schon in der EBYSL (Erste Bank Young Stars League) für die U20 im Einsatz.
Wraneschitz: Natürlich war es super, dass ich damals schon das Vertrauen der Coaches bekommen habe, mich quasi schon früh hochspielen konnte. Ich glaube, dass es auch ein großer Fortschritt für mich war, gegen Ältere zu spielen. Viel gedacht habe ich mir dabei aber eigentlich nicht. Ich habe nur versucht, so gut wie möglich Eishockey zu spielen und das Beste aus jedem Spiel zu machen und meinem Team zu helfen.
LAOLA1: Inwieweit hilft euch da auch die Vienna Hockey Academy, die euch einerseits eine schulische Ausbildung, aber auf der anderen Seite auch perfekte Trainingsbedingungen bereitstellt?
Wraneschitz: Die hilft uns sehr! Dass man die Schule und den Sport quasi in einem unterbringt, das ist schon sehr sinnvoll für uns junge Spieler.
LAOLA1: Du stehst auch im ständigen Konkurrenzkampf mit deinen "Young Guns"-Kollegen Max Zimmermann und Matthias Lichtenecker. Habt ihr ein Konkurrenzdenken untereinander oder pflegt ihr ein gutes Verhältnis?
Wraneschitz: (schmunzelt) Ich meine doch, dass wir alle Freunde sind. Nein, wir verstehen uns eigentlich sehr, sehr gut, aber das ist generell so unter Torhütern. Aber am Ende des Tages ist es immer ein Kampf ums Leiberl und man muss auch unterscheiden zwischen Off-Ice und On-Ice.
LAOLA1: Für dich ging es im April 2019 mit dem Nationalteam nach Szekesfehervar zur U18-C-WM, wo du auch das erste Mal das Nationalteamtrikot überstreifen durftest. Damals war es das abschließende Gruppenspiel gegen Slowenien (7:1-Erfolg, Anm.), wo es aber leider um nichts mehr ging, da der Aufstieg nicht mehr drinnen war. Welche Erinnerungen hast du noch an dein erstes Mal Nationalteam?
Wraneschitz: Ich glaube, ich habe auch in der U16 bereits für Österreich spielen dürfen, aber das war halt dann eben die erste WM bei der ich dabei war. Natürlich war das ein richtig cooles Gefühl, das kann man kaum in Worte beschreiben, wenn man das erste Mal die Nationalhymne auf dem Eis hört.
Es kommt auch darauf an, wie du selber darauf reagierst – also ich könnte zuhause liegen und wegen der Corona-Pandemie Trübsal blasen. Oder ich kann die Situation als "Opportunity" sehen, quasi als Möglichkeit oder Chance mich speziell im mentalen Bereich zu verbessern.
LAOLA1: Im Herbst 2019 ging es dann für dich nach Schweden zu Skelleftea AIK. Wie kam der doch etwas überraschende Kontakt zustande?
Wraneschitz: Es war eigentlich zufällig auf einem Camp in Schweden – da war ein Tormann-Trainer, der mich daraufhin angerufen hat und meinte, dass sich zwei Torhüter von ihnen verletzt haben und sie hätten gerne, dass ich einmal zu Ihnen hinaufkomme und sie mich für vier Monate ausleihen. Ich habe mich dann eben dafür entschieden und das war eine mega Zeit, die ich nie in meinem Leben vergessen werde.
LAOLA1: Du bist daraufhin aber noch weiter nach Finnland, hast dort auch ein paar Spiele für die U18 bzw. U20 von Kiekko-Vantaa absolviert. Was hast du aus dieser Zeit im Ausland, in den besten Junioren-Ligen Europas, mitnehmen können?
Wraneschitz: Das Ziel war auch viel Erfahrung zu sammeln - nicht nur am Eis, sondern auch Off-Ice. Auch erstmals alleine zu leben, dich selbst zu verpflegen. Ich würde sofort wieder ins Ausland gehen!
LAOLA1: War geplant, dass du länger als dieses eine Jahr im Ausland bleibst oder kam dir die Corona-Pandemie in die Quere?
Wraneschitz: Nein. Es war von Anfang an so geplant, dass ich die Saison in Finnland zu Ende spiele und dann nach Wien zurückkehre, weil ich auch nur ausgeliehen wurde.
LAOLA1: Natürlich warst auch du von den Sperren der Sport- und Trainingsstätten betroffen, etwas, das gerade in deinem Alter doch fatal ist. Wie bist du mit der gesamten Situation umgegangen?
Wraneschitz: Ich glaub das Wichtigste ist, dass man solche Dinge nicht ändern kann. Es kommt auch darauf an, wie du selber darauf reagierst – also ich könnte zuhause liegen und wegen der Corona-Pandemie Trübsal blasen. Oder ich kann die Situation als "Opportunity" sehen, quasi als Möglichkeit oder Chance mich speziell im mentalen Bereich zu verbessern, aber auch um zuhause andere Dinge zu machen, anders zu trainieren als sonst. Man muss einfach irgendwie dranbleiben und darf nicht aufgeben.
LAOLA1: Wie hast du dich auch körperlich über den Sommer hinweg weiterentwickelt?
Wraneschitz: Ich habe mir zum Beispiel Gewichte gekauft und mir zu Hause so ein kleines Home-Gym aufgebaut und da eben trainiert.
LAOLA1: Kurze Zeit später war klar, dass Ende September die neue ICE-Hockey-League-Saison starten wird. War eigentlich geplant, dass du als Nummer zwei hinter Bernhard Starkbaum in die neue Spielzeit gehen wirst oder war das der Verletzung von Max Zimmermann geschuldet?
Wraneschitz: Ich glaube, geplant ist gar nichts. Es ist jeden Tag ein Kampf ums Leiberl. Es ist auch jetzt nicht geplant oder fix, dass ich Einser, Zweier oder sogar nur Dreier-Torhüter bin. Das kommt natürlich auch auf meine Leistungen im Training an, aber auch auf die meiner Konkurrenten.
LAOLA1: Mit Bernhard Starkbaum hast du einen langjährigen ÖEHV-National-Goalie und mehrmaligen WM-Teilnehmer als direkten Konkurrenten um ein Stammleiberl. Was kannst du von ihm lernen, wie unterstützt er euch Junge auch im Training?
Wraneschitz: "Starki" hat natürlich sehr, sehr viel Erfahrung und hilft mir auch immer wieder am Eis und gibt mir Tipps. Egal ob es jetzt ums Stellungsspiel, Stickhandling oder Torhüter-Movement geht – er hilft uns immens weiter und wir verstehen uns einfach sehr gut.
LAOLA1: Wo siehst du generell die Stärken und Schwächen in deinem Spiel?
Wraneschitz: Das, was ich auf jeden Fall verbessern kann, ist mein Stickhandling. Seit Calvin Pickard (NHL-Leihgabe von den Detroit Red Wings, Anm.) da war und ich gesehen habe, wie gut er am Stick ist, weiß ich, dass das auf jeden Fall noch etwas ist, was ich verbessern muss. Ich glaube aber, dass ich ein sehr gutes "Puck-Tracking" habe. Ich bin doch eher ein kleinerer Torhüter (1,82 Meter, Anm.) und muss das eben mit meinem Stellungsspiel auch ausgleichen. Außerdem bin ich schnell auf den Beinen und versuche sehr, sehr wenige Rebounds zuzulassen.
LAOLA1: Jean-Philippe Lamoureux kam gerade zu den spusu Vienna Capitals, als du dein Debüt in der U18 gegeben hast. Er ist mit seinen 1,78 Meter doch auch ein eher klein gewachsener Torwart. Konntest du von ihm etwas mitnehmen?
Wraneschitz: Der JP war ein sehr, sehr professioneller Torhüter. Von dem kann ich natürlich noch sehr viel lernen – ich schaue mir auch immer wieder Videos von ihm an, weil er ist eben noch kleiner als ich. Er kann das aber mit seinem überragenden Stellungsspiel wieder wettmachen. Da merkt man auch kaum, dass er doch eher klein ist. Ich konnte mir dabei definitiv viel von ihm abschauen.
LAOLA1: Im Oktober 2020 hast du dein Debüt in der Kampfmannschaft gefeiert, noch dazu in einem Heimspiel gegen Fehervar AV19, das ihr knapp nach Penaltyschießen verloren habt. Wie war deine Gefühlslage, als du das erste Mal deinen Namen in der Starting-Six der spusu Vienna Capitals gehört hast?
Wraneschitz: Es war schon ein unbeschreibliches Gefühl. Solche Dinge lassen sich mit Worten gar nicht beschreiben, man muss da einfach selber dabei sein oder das gefühlt haben. Leider haben wir dann verloren.
LAOLA1: Kurz vor deiner Abreise zum U20-Team hast du deine Mannschaft im Heimspiel gegen die Bratislava Capitals lange im Spiel gehalten. Gibt es für solche Leistungen auch Extra-Lob von Head Coach Dave Cameron?
Wraneschitz: Ich schaue gar nicht so sehr auf solche Spiele zurück, sondern konzentriere mich eher auf die kommenden Partien, denn das sind die Wichtigsten für mich. Ich glaube, ich muss auch versuchen die Spiele, die ich absolviert habe, einfach hinter mir zu lassen und daraus zu lernen, zu analysieren. Ich soll mich auf das nächste Spiel vorbereiten, das ist auch etwas, was Dave mir gesagt hat. Mein nächstes Spiel soll mein Wichtigstes sein und das versuche ich auch so zu leben.
LAOLA1: Er gilt ja gemeinhin auch als Talenteförderer, jemand der den Youngsters viel Eiszeit gibt. Wie wichtig ist er für euch jungen Spieler?
Wraneschitz: Dave gibt mir einfach unglaublich viel Vertrauen, auch während der Spiele. Ein Torhüter hat zwar nicht so viel mit den Head Coaches zu tun, weil wir doch mehr mit den Goalie-Coaches arbeiten. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass er auf mich setzt und mir die Chance gibt, zu spielen.
LAOLA1: Jetzt geht es langsam in die heiße Phase der Meisterschaft, ihr steht im ersten Drittel der Tabelle, ein Playoff-Platz ist euch kaum noch zu nehmen. Was macht euch auch in dieser Spielzeit so stark?
Wraneschitz: Wir sind zusammen einfach ein sehr, sehr gutes Team. Wir haben einen tollen Teamgeist, wir verstehen uns alle super und haben auch kaum Gruppenbildungen innerhalb der Mannschaft. Es ist egal ob du ein Legionär oder ein Österreicher bist - der Teamspirit ist einfach vorhanden. Ich glaube, deshalb läuft es für uns bis jetzt so gut.
LAOLA1: Auffällig ist aber, dass eure Mannschaft speziell gegen Tabellen-Nachzügler öfters einmal Probleme hat. Gegen den VSV weist man derzeit sogar eine Bilanz von drei Niederlagen aus drei Spielen auf. Woran liegt das?
Wraneschitz: Gegen den VSV haben wir in letzter Zeit sehr viel Pech gehabt, vielleicht sitzt das auch noch in unserem Unterbewusstsein fest. Wir müssen solche Matches einfach abhaken und uns immer auf die nächsten Spiele konzentrieren.
LAOLA1: Wie steht es um deine Zukunft im Verein?
Wraneschitz: Ich hoffe dass ich so viele Spiele wie möglich absolvieren darf. Natürlich will ich meinem Team auch ein starker Rückhalt sein. Das große Ziel ist aber absolut der Meistertitel, das ist mein großer Traum.
LAOLA1: In den kommenden zwei Jahren besteht die Möglichkeit, dass du von einem NHL-Team gedraftet wirst. Ist das ein Thema für dich?
Wraneschitz: Auf jeden Fall! Das Wichtigste ist aber zu wissen, dass der Draft nicht jetzt ist, sondern erst im Juli. Ich muss mich auf das hier und jetzt konzentrieren, auf die Spiele hier mit den Caps. Und wie bereits gesagt, will ich dementsprechend so viel wie möglich spielen und ein sicherer Rückhalt sein. Das kann ich also derzeit nicht beeinflussen – aber natürlich will ich in die NHL!