In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
In dieser Ausgabe geht es um die win2day ICE Hockey League, die am 20. September in eine neue Saison startet. Alle Spiele gibt es auch heuer wie gewohnt im LIVE-Ticker bei LAOLA1 >>>
Die Redaktion konfrontierte Maximilian Girschele und Simon Brandel in vier ausgearbeiteten Thesen u.a. damit, ob das Streaming-Angebot billiger sein soll und die Graz99ers sich schon heuer als Top-3-Team der Liga etablieren.
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
1.) Es braucht eine Änderung des Liga-Formats, die Regular Season verliert durch die Pre-Playoffs an Wert.
Maximilian Girschele:
Dann soll doch bitte gleich ein neues Konzept vorgelegt und direkt an die europäischen Top-Ligen weitergeleitet werden. Das in der ICE seit 2021 praktizierte Format ist in aller Herren Länder etabliert und hat sich über viele Jahre bewährt.
Es sorgt für reichlich Spannung um den Strich - sowohl Top 6 als auch Top 10 - und hat die Regular Season sogar nochmal aufgewertet, indem die relativ wertlose Pick- und Qualification-Round, von der ich übrigens nie ein Fan war, gestrichen wurde.
Wer noch mehr Spannung haben will, kann gerne darüber debattieren, ob wie in Finnland oder Tschechien lediglich die vier besten Teams des Grunddurchgangs ein fixes Playoff-Ticket bekommen sollen. Dann müssten allerdings die Teams auf den Rängen 5 bis 12 in den Pre-Playoffs landen, nur der Tabellenletzte würde gänzlich leer ausgehen.
Eine solche Änderung wäre sinnvoll, wenn sich ein 14. Team finden würde, das finanziell gut dasteht und die Liga auch bereichert. Ansonsten wurde aus den aktuellen Möglichkeiten das Maximum herausgeholt.
Simon Brandel:
Ich bin bei dieser Thematik etwas skeptisch.
Als die Pre-Playoffs in der Saison 2021/22 eingeführt wurden, war der Wunsch nach einer Abschaffung der für viele leidigen Pick-Round, bei der es für die Top-6-Teams in zehn Spieltagen lediglich darum ging, wer für das Viertelfinale das Recht auf den First Pick hat, groß.
Das Argument, die Regular Season verliere durch die Pre-Playoffs an Wert, halte ich für haltlos, da diese vor der Reform in meinen Augen noch weniger an Wert hatte und man nun zumindest unter die besten zehn Teams kommen muss, damit die Saison für einen weitergeht.
Und außerdem: Wie könnte eine bessere Version des Formats aussehen? Natürlich wäre es möglich, nach den aktuell 48 Spieltagen nahtlos in den Playoff-Modus überzugehen.
Dies könnte jedoch dazu führen, dass die Entscheidung um die Playoffs bereits schnell gefallen ist, die Top 8 verfrüht bezogen sind. Die Spannung, die durch den Kampf um die Pre-Playoffs und auch um eine Top-6-Platzierung gegeben ist, würde verloren gehen.
Über eine Reform des Formats lässt sich schon diskutieren, die Frage ist nur: Wie sieht die ideale Lösung aus?
2.) Die Live-Streams der ICE-Spiele sind zu teuer: Macht die Streams billiger!
Simon Brandel:
Als Eishockey-Fan lebe ich getreu dem Motto: Support geschieht vor Ort!
Die Preise für die Live-Streams, die auch in der Saison 2024/25 einheitlich bei 9,90 Euro pro Partie liegen, halte ich für sinnvoll und richtig, da man den Klubs andernfalls ein Argument nehmen würde, die Fans zu überzeugen, in die Hallen zu kommen.
Denn zu niedrige Streaming-Preise hätten womöglich die Folge, dass speziell Zuschauermagnete wie Wien, Klagenfurt, Villach, Bozen und auch Salzburg mit Zuschauerrückgängen konfrontiert wären, da sich speziell Gelegenheitsbesucher eher für einen gemütlichen Abend zu Hause entscheiden könnten, anstatt die Partie ihres Klubs in der Halle zu verfolgen, da die Preise wesentlich erschwinglicher wären.
Auch die Abo-Preise für die Streams, die sich im Bereich von 199 Euro (alle Auswärtsspiele eines einzigen Klubs) bis 599 Euro (für jedes Spiel von jedem Team) bewegen, sind meiner Ansicht nach in Ordnung.
Bei den Übertragungen wird den Fans, sofern diese reibungslos funktionieren, einiges geboten. Das Argument, die Streams seien zu teuer, kann ich persönlich daher nur bedingt nachvollziehen, auch weil sich eine Verbilligung womöglich zum Nachteil der Klubs auswirken könnte.
Maximilian Girschele:
Da muss ich eindeutig dagegenhalten.
Wer will und kann sich schon knapp 600 Euro leisten, um - ohne den jetzt genannten Teams gegenüber despektierlich zu sein - Asiago gegen Ljubljana sehen zu können? Gut, der Gelegenheitsfan wird sich für dieses Abo ohnehin nicht interessieren, doch selbst 199 Euro für alle Auswärtsspiele "meines" Teams sind völlig überzogen.
Angenommen, ich besitze ein Sitzplatz-Abo beim KAC und will zusätzlich alle Auswärtsspiele der Klagenfurter - ungeachtet der zumindest im Vorjahr oft schlechten Qualität in mancher Halle - im Stream verfolgen. Dann bin ich gleich einmal über 900 Euro los. Ist dies in Zeiten, wo eigentlich jeder von uns jeden Cent zweimal umdreht, gerechtfertigt?
Absolut nicht. Den Vergleich mit der NHL - für 15 Euro im Monat kann der Nutzer (fast) jedes Spiel am eigenen Endgerät streamen, Wiederholungen on-demand ansehen und zwischen Heim- und Auswärts-Broadcast wählen - darf man ohnehin nicht ziehen, da wird einem regelrecht schlecht.
Dass die ICE in dieser Hinsicht in der Moderne angekommen ist, die Corona-Pandemie dafür genutzt haben, das Streaming-Angebot einzuführen und sukzessive auszubauen, ist positiv zu werten. Die Angebote werden ja auch genutzt, doch es gibt noch unendlich viel Potenzial, das in den nächsten Jahren hoffentlich ausgeschöpft wird.
Die Angst meines Kollegen und sicher einiger Klubs teile ich übrigens nicht. Jeder, der einmal ein Eishockey-Spiel vor Ort besucht hat, weiß, wie geil dieses Erlebnis ist und würde bestimmt auch weiterhin in die Halle gehen, wenn das Streaming-Ticket pro Spiel Hausnummer 5 statt 10 Euro kosten würde. Abgesehen davon, dass neues Publikum mit niedrigen Preisen leichter abholbar ist.
Und es ist ja nicht so, als würden die Vereine von diesem Kuchen nichts abbekommen...
Die Zuschauer-Magnete der ICE Hockey League
3.) Kein Überblick für die Fans: Die ICE Hockey League braucht einen einheitlichen Spielplan.
Maximilian Girschele:
Meine erste Reaktion, als ich die These vorgelegt bekam, war ein kräftiges Schmunzeln.
Ich weiß, wie mühsam es in den letzten Jahren für unsere Dienstplan-Macher war, wenn wieder ein Spiel abgesagt, verschoben oder neu angesetzt wurde. Da steckt ja viel Arbeit dahinter, immerhin bieten wir zu wirklich jeder Partie einen Live-Ticker an, um unsere User auf möglichst hohen Niveau zu versorgen.
Daher war es mir fast schon unangenehm, meine Chefs darauf hinzuweisen, dass wir an diesem und jenem Tag einen Ticker-Dienst mehr brauchen, was nicht immer leicht zu bewerkstelligen war. Trotzdem kann ich den werten Kollegen bei dieser These nicht zustimmen. Warum sollte der Spielplan aktuell nicht einheitlich sein?
In der Regel wird freitags und sonntags gespielt, darüber hinaus berücksichtigt die Liga die geografische Lage der Teams und lässt Fehervar nicht etwa nur für ein Spiel in das weit entfernte Asiago reisen. Dass dann mal samstags ein Spiel ansteht, ist selbstverständlich und "englische Wochen" ist man ja eh aus dem Fußball gewohnt.
Wer sich mit der NHL auseinandersetzt, weiß zudem, dass es weitaus "schlimmer" sein könnte und von Fans hätte ich in den seltensten Fällen gehört, dass sie keinen Überblick haben.
Simon Brandel:
Der Spielplan ist in seiner jetzigen Form meiner Ansicht nach der Beste für die ICE Hockey League und ihre Teams.
Zwar haben zahlreiche Spielverschiebungen, wie jene durch den Defekt der mobilen Kühlanlage in der Wiener Steffl Arena im Duell der Vienna Capitals mit Red Bull Salzburg, für einige Umstände gesorgt, die jedoch bei einem reformierten Spielplan dieselben Probleme bereitet hätten.
Zudem wäre es für die Teams, die nahezu alle Reisen per Bus in Angriff nehmen müssen, eine Zumutung, mehrere Reisen kreuz und quer durch die Länder bestreiten zu müssen, nur weil die aktuelle Runde dies so vorgibt.
Da ist ein Vorzug mancher Partien aus anderen Spieltagen, die sich geografisch für ein Team als praktisch erweisen, eine sinvolle Lösung und sorgt dafür, dass Teams wie Fehervar oder Wien beispielsweise nicht zweimal binnen weniger Tage nach Südtirol zum HC Pustertal oder dem HC Bozen pilgern müssen.
Einen "einheitlichen" Spielplan sehe ich für unsere Eishockey-Liga daher als keine vernünftige Option.
4.) Die Graz99ers werden sich bereits in dieser Saison gemeinsam mit Red Bull Salzburg und dem KAC als Top-3-Team der Liga etablieren.
Simon Brandel:
In der ICE ist nichts unmöglich. Die zahlreichen, teils prominenten Verstärkungen der 99ers lassen eine deutliche Steigerung in der kommenden Saison vermuten.
Mit den Verpflichtungen von Lukas Haudum, Rok Ticar, Nico Brunner und Kilian Zündel hat man offensiv und defensiv für jede Menge Stabilität sorgen können und befindet sich nach der rabenschwarzen Vorsaison auf einem guten Weg. Dies zeigten der Sieg über DEL-Klub Augsburger Panther und die knappe Niederlage gegen die Adler Mannheim.
Dass ein wild zusammengewürfelter Kader jedoch nicht immer den gewünschten Erfolg bringt, kennt man aus dem Fußball nur zu gut. Sollten sich die vielen erfolgsversprechenden Neuzugänge als ineffizient und verletzungsanfällig erweisen, dann ist das angestrebte Comeback der 99ers durchaus in Gefahr.
Sollte der Saisonstart am 20. September gegen die Vienna Capitals allerdings nach Wunsch verlaufen, dann halte ich den "99ers 2.0"-Plan von Präsident Herbert Jerich, der in Richtung Playoffs, vielleicht sogar in Richtung Top 3 führen soll, für realistisch.
Maximilian Girschele:
Vorne weg: Ich bin über die Entwicklungen in Graz extrem froh. Es kann dem österreichischen Eishockey nur gut tun, wenn sich die 99ers wieder zu einem Top-Team der Liga mausern.
Ich behaupte aber frech, dass die Murstädter ihr ausgegebenes Saisonziel (Halbfinale) nicht erfüllen werden. Sollte dies doch der Fall sein, gebe ich euch gerne ein Bier aus - versprochen. Sportdirektor Philipp Pinter hat am Papier ganze Arbeit geleistet, den Kader auf breite Beine gestellt.
Über die offensiven Qualitäten dieser Truppe muss nicht gestritten werden, das ist absolutes Top-Niveau. Hier stellt sich eher die Frage, inwieweit es Harry Lange gelingen wird, alle Spieler über die Saison hinweg zufriedenzustellen. Manch einer könnte da schon zum Unruhestifter werden, wenn er nicht die Einsatzzeit bekommt, die er sich erwartet hat.
Ein dickes Fragezeichen setze ich hinter die Defensive, besonders wenn es in die Playoffs gehen sollte. Wenn die Gangart eine Spur rauer wird, gibt es mit Korbinian Holzer und Frank Hora vielleicht zwei Verteidiger, die hinten abräumen könnten. Der Rest muss aufgrund körperlicher Defizite über die spielerische Seite kommen.
In der Hinsicht sind etwa Bozen, KAC und Salzburg nicht nur besser aufgestellt, sie bringen auch deutlich mehr Erfahrung mit. Eine große Aufgabe kommt auf Jonas Gunnarsson zu, der als klare Nummer eins im Tor in die Saison geht. Kann der 32-jährige Schwede verletzungsfrei bleiben, um die 50 Spiele bestreiten und konstant sein Können abrufen?
Ich lasse mich überraschen, sehe die 99ers in drei Jahren als eines der Top-3-Teams der Liga, sofern sich an der aufgebauten Struktur nichts verändert. Aber die Saison 2024/25 könnte durchaus zum Lernjahr werden.